Ein Abriss der deutschen Sprache

(2022)

 

Noch so’n Text über Sprachpurismus! Aber wem geht es nicht so: man hört ein „Tut euch mal short den Finger ziehen, weil ihr sollt euch aus mei‘m busy Way verpiss‘n, ihr drecks-Nice-Boys-Spackos“ und möchte sich die Ohren abschneiden. Doch dann fällt einem ein, dass das ja gar nichts einbringt, außer blutenden Gehörgängen – und die bluten schon allein von der fehlenden Fähigkeit des Menschen seine Lauscher vor diesen kakophonischen Misstönen verschließen zu können. … Hm, ich kriege gerade gesagt, dass es nicht allen so geht? Dann gehören wohl nicht alle zu den Grammatik-Nazis, die ständig alles verbessern müssen. Das muss ich auch nicht und deswegen findet sich hier eine kurze Auswahl darüber, was verbesserungswürdig ist und was nicht. Falls das schließlich auch noch zu sehr nach persönlichen Vorlieben und besserwisserisch klingt: „Gendern“ ist mindestens genauso sprachpuristisch und überflüssig, nur dass es das Lesen auch noch zusätzlich erschwert, statt es durch Sprachpurismus zu erleichtern - aber dazu später.

 

(Übrigens: Ich kann nur über das Deutsche sprechen, weil es meine Muttersprache ist. Gerade darin sehe ich daher die Veränderungen dieser Sprache.):

 

Manch frühere Ausdrucksweisen (in etwa):

In eynst'ger Zeit wohl sey's gewesen, da man sprach in eygentümlicher Klausel, dem Altenglischen nicht fremd – doch saget mir dies: verstünde heut' noch ein Menscheleyn solch seltsam Wendung und vermocht‘ damit der and’ren Gunst erfrey‘n?

 

Mehrdeutigkeiten:

Viele Worte haben mittlerweile eine Zweitbedeutungen, z. B. „Abriss“ (in der Überschrift) oder auch ein paar andere alltägliche Beispiele:

o   abreißen: 1. etwas zerlegen 2. etwas beschreiben

o   Gehen: 1. laufen („wir gehen“), 2. funktionieren („das geht“), 3. „auf die Nerven gehen“

o   Schätzen: 1. etwas annähernd bewerten, 2. etwas mögen

    Abschätzen: 1. etwas direkt annähernd bewerten, 2. etwas verächten

o   Verlieben: 1. sich zu jemandem stark hingezogen fühlen 2. die falsche Person zu lieben / falsch zu lieben (sagt kaum jemand, aber es wäre eine theoretische Bedeutung)

o  

Im Grunde kann jedes Wort irgendeine Zweibedeutung haben – achtet mal drauf.

 

Gendern:

Eigentlich war im Deutschen immer das grammatikalische Geschlecht gemeint, das Genus (wie übrigens auch in anderen Sprachen, z. B. dem Spanischen oder Französischen). Der Grund für eine Einteilung in Geschlechter ist nicht ganz logisch, da es auch ohne geht, wie Sprachen am Beispiel des Englischen zeigen. Aber es soll wohl eine präzisiere Ausdrucksweise ermöglichen, was dem Deutschen ja generell nachgesagt wird – also der Deutschen Sprache, nicht dem Deutschen Einwohner, um genau zu sein.

Statt des Genus wird aber heute der Sexus gegendert, also das biologische Geschlecht. Ich gendere daher nicht, da gleichermaßen Frauen, Männer und Sonstige angesprochen und unabhängig von ihrem Geschlecht betrachtet werden. Mit dem Sexus unterscheidet man also gerade die Geschlechter und macht auf sie aufmerksam.

Merke also: Der Sexus ist sexistisch!

Genus:            Bsp. 1.: das Mädchen                                   Bsp. 2.: der / die Nutzer

Sexus:             Bsp. 1.: Geschlecht: weiblich                      Bsp. 2.: Geschlecht unbestimmt bzw. gemischt

 

Beispiel 3: „Sehr geehrte Damen und Herren…“ ist eine Form der Ansprache, weil kein einheitliches Wort wie „Menschen“ verwendet wird, weswegen es den Anschein des Genderns erweckt. Aber eigentlich müsste man gendergerecht bspw. sagen:

„Sehr geehrte Damen*innen und Herren_innen, wirInnen haben unsInnen heute hier eingefunden, um der Ehrengästin dieser Versammlung von Koryphäerichen den gebührenden Tribut zu zollen und wollen auch dem oder der Hausmeisternde(n) dabei für seine bzw. ihre Organisation danken.“

 

Jede Genderform bringt ihre Probleme mit sich. Im Plural funktionieren die Genderformen oft noch (z. B. die Lokführenden / die Lokführer[:/_/*/I/]nnen). Im seltenen Fall, dass nur der Singular zwingend sinnvoll ist, versagt aber selbst die universal scheinende Partizip-I-Form:

„Es war nicht die Schuld des [oder der?] Lokführenden, dass der Baum auf die Gleise fiel.“

 

In diesem Beispiel muss also umständlich ein zweiter Alternativartikel verwendet werden, wenn man das Geschlecht nicht kennt oder aber man läuft Gefahr das falsche Geschlecht zu verwenden.

Die Grundform des Genus ist im Deutschen also männlich, die Pluralform wird dagegen stets mit dem weiblichen Artikel „die“ gebildet (z. B. „die Teilnehmer“) und nun? Gleicht sich das geschlechtergerechterweise also aus? Oder sollten Artikel besser einfach gleich weggelassen werden? Oder sollte man*Innen einfach „d'e“ als Artikel für alles verwenden (wie es in einfacher Sprache so beliebt scheint)?

 

Eine traurige Anmerkung:

„Gästin“ ist tatsächlich bereits im Sprachgebrauch angekommen… dabei war es doch als Witz gemeint! Da sieht man wieder was Satire bewirkt.

 

Anglizismen:

… sind Modeerscheinungen, wie einst die Gallizismen oder Latinismen.

Schon früher wurden anscheinend Begriffe übersetzt, wie „Fahrkarte“ für „Billet“ oder „Abteil“ für „Coupé“. Beide Gallizismen (oder historisch sinnvoller: „Frankismen“?, denn gallisch deutet ja eigentlich auf den keltischen Stamm der Gallier hin, nicht auf das später eingewanderte fränkische Volk) hört man heute im Deutschen kaum noch. Denn die deutschen Begriffe beschreiben die Bedeutungen einleuchtender, was eine Muttersprache ja auch ausmacht. Man spricht und versteht sie intuitiv und muss nicht erst lange überlegen, was es heißt. In der Wissenschaft wird sogar Wert auf eindeutige Begriffe gelegt, deren Definition hinreichend bekannt sind, was man von Anglizismen per definitionem nicht behaupten kann. Sicher gibt es derzeit anscheinend weniger als 5 Prozent Anglizismen im Deutschen – doch handelt es sich um häufig verwendete Begriffe und Wendungen, für die es - es sei an dieser Stelle nochmals erwähnt - meist schon lange besser verständliche, deutsche Worte gibt. Kulturvielfalt zwischen den Sprachen geht hier auf Kosten der Verständigung in einer Sprache, nämlich unserer Muttersprache. Wenn (englische) Worte dann nicht einmal richtig angewendet werden, bringt das Wort auch nichts und man könnte es weglassen oder durch eine Pauschale ersetzen, z. B. „schlumpfen“.

Mit einigen Anglizismen gäbe es auch kein großes Problem, denn Fremdwörter unterliegen der Mode und der weltweiten Entwicklung. Latein (z. B. „Anglizismus“ für „dem Englischen entlehnter Begriff“), Französisch (z. B. „Trottoir“ für „Bürgersteig“), Englisch (z. B. – ach, davon gibt’s zu viele!, siehe auch Corona-Pandemie-Begriffe (unten)), Türkisch / Osmanisch (z. B. „Kiosk“ für „Verkaufsstand“), Russische (z. B. „Roboter“ für „mechanischer Arbeiter“), usw. haben immer schon ihre Spuren im Deutschen hinterlassen, vor allem, wenn die Begriffe etwas beinhalteten, was typisch für diese Land war oder das Wort einen Umstand besser beschreibt als im Deutschen. Das tat es meist, weil es wiederum in anderen Ländern häufiger verwendet wurde.

Latein sprach man um gebildet zu wirken, Französisch sprach man um elegant zu von höherem Stand zu klingen, Englisch spricht man heute um cool und modern / fortschrittlich zu erscheinen.

Beim Englischen ist heute nur das Problem, dass es so viele Begriffe sind, wofür es bereits deutsche Entsprechungen gibt, sich nur niemand damit befasst (nicht einmal die vielen arbeitslosen Germanisten) diese Begriffe auch einmal adäquat zu übersetzen und zu etablieren (ja, nennt mich Sprachpurist – ich möchte im Gegensatz zu den meisten Leuten meine Mitmenschen nur auch verstehen, wenn ich ihnen schon meine Zeit und mein Gehör schenke). Es geht einfach leichter von den Lippen anderen etwas nachzuquasseln, ohne über den Sinn nachzudenken. Die „Anglizismifizierung“ (oder wie auch immer das heißt) zeigt also das unreflektierte Nachplappern der allgemeinen Bevölkerung am deutlichsten.

Worum geht’s mir also konkret? Hier ein paar Beispiele:

o   Grammatik: „weil“ statt „denn“ und ja: „Es ergibt Sinn“ so zu argumentieren, statt dass es „Sinn macht“, wobei diese Redewendung wirklich seltener ins Ohr dringt als ein unsinniges „weil“.

o   Schreibweisen (engl.: „Yacht“ statt dt.: „Jacht“; engl.: „Jungel“ statt dt.: „Dschungel“) und Aussprachen (übrigens wieder eine Zweideutigkeit: 1. die Art der Artikulation, 2. die Klärung eines Sachverhaltes zwischen Streitparteien) wie „Globetrotter“ (engl. Aussprache: „gloub troddr“) werden übernommen. Dagegen wird „Karantäne“ gesagt, wenn „Quarantäne“ geschrieben steht – wobei es im Englischen übrigens auch mit „Qu“ gesprochen wird – das könnte man mal übernehmen bzw. gleich auch im Deutschen richtig aussprechen.

o   Wortersatz: Bei „Meetings“ kann auch „Besprechung“ gesagt werden, für „business“ / „busy“ galt lange das „Geschäft“ / „geschäftig / beschäftigt“, ein „Job“ ist eine „Stelle“, „Arbeit“ oder „Aufgabe“, usw. – warum also der Anglizismus? Vermutlich kam das durch die internationale Handelsverflechtung. Englisch war schon seit der East India Company eine weltweite Verkehrssprache (lingua franca) und entgegen dem Gerücht, dass es wegen einem einzigen Abgeordneten im Parlament der USA gescheitert war Deutsch als Hauptsprache für die Vereinigten Staaten einzuführen (weil dieser angeblich gerade ausgetreten war - also nicht aus dem Parlament, obwohl ich auch nicht weiß, ob die Toilette nun außerhalb des Parlamentsgebäudes lag oder … - ach: weil er auf‘s Klo musste!), hat sich Englisch dann als internationale Handelssprache durchgesetzt. Englisch bringt dafür entscheidende Vorteile mit: Eine einfache Grammatik, wenige Zweideutigkeiten, flüssige Sätze – passt. Weil es also einfacher war gleich die international verständlichen Begriffe zu verwenden, sagen wir heute „meeting“ statt „Besprechung“, usw. Extrem finde ich das Beispiel „After-Work-(Party)“, wofür es im Deutschen den passendsten Begriff gibt, den man sich vorstellen kann: „Feierabend“. Das Argument, dass man die Begriffe nicht ins Deutsche adäquat übersetzen kann, ist Unsinn. Denn jeder versteht unter Begriffen etwas anderes, wenn auch nur ein wenig anderes. Die Bedeutungen von deutschen Begriffen wandelt sich auch mit der Zeit und passt sich an die Nutzer an. Deswegen lebt eine Sprache und entwickelt sich nur, wenn sie verwendet und vor allem gesprochen wird. Wenn das Deutsche also nicht mehr gesprochen wird, wird es Englisch – oder schlimmer: „Denglisch.

Gerade in der Corona-Pandemie merkt man das deutlich: „Home-Office“, „Home-Schooling“, „Lockdown“ – gut, „Lockdown“ ist schwierig zu übersetzen. Wikipedia nennt es „Massenquarantäne“, aber wahrscheinlich würde man eher von „unter Verschluss“, „abriegeln“, „abschotten“ oder so ähnlich sprechen, wenn man es übersetzen müsste. Man kann aber auch Übersetzungen mit anderen Bedeutungen verwenden, die auf das Gleiche hinauslaufen, z. B.: Lockdown = Kontaktsperre. Und: wie bildet man eigentlich einen deutschen Artikel dazu? Heißt es „der“ oder „das“ Lockdown? Und warum entscheiden sich viele für „der“ Lockdown?

Aber der Rest? Der hört sich sogar wie eine staksige Übersetzung deutscher Begriffe wie „Heimarbeit“ oder „Heimunterricht“ / „Hausunterricht“ an. Man könnte meinen die Urheber dieser Begriffe wollten sich dem Englischen in dekadent-moderner Weise anbiedern. Mal nebenher: Gibt es im Englischen eigentlich ein „home office“?  Wahrscheinlich genauso wenig wie es „Handys“ gibt. Lehnwörter wie „Computer“, „Update“, „Skateboard“ oder „surfen“ sind zwar überflüssig, da es genauso auch deutsche Übersetzungen gäbe („Rechner“, „Aktualisierung“„Rollbrett“, „wellenreiten“), welche teils mehr oder weniger anerkannt sind und komisch klingen, wenn sie wenig bekannt sind. Angesichts des hier amerikanischen Ursprungs bleibt die englischsprachige Nutzung der Begriffe allerdings nachvollziehbar.

Die Flut der so gennannten Fachbegriffe, die aus dem Englischen entlehnt werden, sind überwiegend nur neue Bezeichnungen (wie „Homegardening“) bzw. sogar Übersetzungen ins Englische (wie „Homeoffice“). Wirkliche neue und unentbehrliche Fachbegriffe (wie „Internet“ oder damit in Verbindung stehende, technische Begriffe für neue, technische Systeme) gibt es jedoch selten. Die Stärke der deutschen Sprache liegt ja gerade darin schnell neue und präzise Begriff durch Substantivierungen und Kombination von Substantiven zu schaffen, um sich schnell verständlich zu machen. Aus „micro habit“ würde dann einfach „kleinste Gewohnheiten“ - oder wenn man es unbedingt als ein Wort wollte „Kleinstgewohnheiten“ - werden.

 

Bild

Comic von Fernandez (Quelle: https://gegen-den-strich.com/1371.html)

Letztlich ist die Nutzung von Englisch wahrscheinlich aber einfach ein Verkaufsargument und zudem der Finanzwelt entsprungen, da in der globalisierten Welt vor allem die USA (und auch England) die finanzielle Richtung des Turbokapitalismus vorgeben und damit auch die Verkehrssprache. Diese Denkweise entwickelt sich derart schnell (v. a. für Nicht-Muttersprachler des Englischen), dass Übersetzungen rasch überholt wären und international die Geschäfte behindern würden. Außerdem wird mit der Neugier und dem Zugehörigkeits-Wollen der Menschen gespielt: „Homegardening“ bzw. „Homefarming“ z. B. klingt neu und interessant, wenn es auch nichts anderes meint als Tomaten und Kräuter auf dem Balkon oder im Zimmer zu ziehen oder sogar direkt den Kleingarten, Kräutergarten, Schrebergarten oder das Heimgärtnern neu benennt. Alles mit „home“ ist im Deutschen also beliebt – aber im Englischen meist unbekannt. Vielleicht ein Ausdruck für die Öffentlichkeitsscheue der Deutschen?

Im Deutschen gibt es dafür viele Begriffe, die nun unter einer englischen und „neuen“ Kategorie zusammengefasst und damit „hipper“ werden, einen neuen und „freshen“ Anstrich bekommen. Englisch verkauft sich besser, egal, ob die Kunden es verstehen – im Gegenteil: Sie sollen es möglichst nicht verstehen, da ihre Neugier darauf dann noch größer ist. Das Alte wird einfach neu angestrichen, auch wenn der Putz darunter weiter bröckelt. Nicht die Weiterentwicklung ist wichtig, sondern das Geldverdienen, in einer Welt, in der Geld alles bedeutet. Damit ist der Kapitalismus auch am Aussterben von Sprachen mit schuld, ohne allerdings wirklich neue und gute Entwicklungen für die Gesellschaft zu bringen.

 

§  Beispiele für Wortersatz in Wirtschaft und Unterhaltung – teils falsch übersetzt oder weil man modern und international wirken wollte): meeting = Besprechung; workflow = Arbeitsablauf; CEO = Geschäftsführer / Vorstand, business = Geschäft; manager = Verwalter, Organisator; deal = Abmachung, Handel, Geschäft; timen = abpassen; mindset = Einstellung; level = Stufe / Ebene; performance = Auftritt, Leistung, Darbietung, Lieferung; show = Vorstellung, Auftritt, Schau / Zurschaustellung; event = Veranstaltung, Ereignis; job = Stelle, Arbeit, Aufgabe; shop = Laden, Geschäft; statement = Aussage, Behauptung; mainstream = die Masse, die Mehrheit; airport = Flughafen; follower = Zuschauer (oder auch: Spanner); community = Gemeinschaft; recycling = Wiederverwertung; resource = Rohstoffe, Mittel, Materialien; equipment = Ausrüstung; checken = (über)prüfen, nachsehen; trailer = Vorschau, Vorspann, Aufhänger; song = Lied; sound = Klang, Geräusch; voten = abstimmen; shooting = Fotoaufnahmen (im Englischen = „Erschießen würde in dem Zusammenhang aber auch manchmal passen);

     ... to be continued = Fortsetzung folgt! (Ich bin sicher es fällt allen noch etwas anderes ein.)

§  Wortersatzbeispiel in der Wissenschaft: „paper“ für eine Veröffentlichung in einem Journal. Mittlerweile wird es sogar oft ins Deutsche übersetzt als „Papier“. Kann man machen, aber warum nicht einfach „Artikel“? Achso: weil es dann wieder mehrdeutig wäre (siehe Beispiel unten: "Weitere Sprachentwicklung")! Deutsch ist aber auch eigen.

§  Mode-Anglizismen: gerade im Technik- und Internetbereich wie „Computer“ oder „Internet“ oder „Facebook“ oder „googlen“ stören dabei weit seltener, da diese ja vor allem durch den amerikanischen Markt vorangetrieben und deshalb auch englischsprachig benannt werden. Selbst dazu wurde statt einem „Computer“ schon häufig ein „Rechner“ angeschmissen und manchmal eher etwas aus dem „Netz“ „heruntergeladen“ und „aktualisert“ statt aus dem „Internet“ „downgeloaded“ und „geupdatet“. Aber mal ehrlich: wenn ich in einem Möbelmarkt höre, dass der Kunde etwas „shorter“ haben will und sich ernsthaft über die Verwunderung des Verkäufers aufregt, dass das Brett nicht einfach „kürzer“ sein soll – dann läuft etwas schief mit den Anglizismen.

o   Jugendsprache: Da wir schon bei der Mode sind: positive Begriffe wie „nice“ (2010er) haben sich in der Jugendsprache über „edel“, „deluxe“ (2000er), zuvor „cool“ und „krass“ (1990er) von „geil“, „mega“ oder „super“ in den 1980ern entwickelt. Während in Zeiten des Kalten Krieges noch eher abgeänderte deutsche Worte verwendet wurden, versteht man (wahrscheinlich durch englische Originaltonfilme und -serien) heute eher Englisch als die eigentliche Muttersprache – nur dass es in Deutschland viele Leute eben nicht fließend sprechen. Manche Firmen scheinen das nicht zu begreifen, obwohl sie Millionen Euros für Werbeslogans auf deutsche Werbeplakaten rauspulvern (Beispiel: „There’s more to Prime. A Truckload more.“). Durch trendige Begriffe und Wendungen werden anscheinend von wenigen, verständigen und „coolen“ Trendsettern einfach die englischen Begriffe aus den Serien verwendet, ohne sich die Mühe einer Übersetzung zu machen. Daher kommen dann auch Begriffe wie „creepy“, wenn man „gruselig“ meint, oder „Mom“ und „Dad“ statt „Mama“ oder „Papa“, wie in den meisten Sprachen. Denn alles Fremde klingt erst einmal cool, grenzt gerade Jugendliche von den Erwachsenen ab und macht interessant, weil andere es anfangs nicht verstehen – ähnliches Prinzip wie im „Business“-Englisch. Die wirkliche Bedeutung nachzufragen ist ja uncool bzw. spießig (Warum gibt es dafür noch keinen englischen Ausdruck? Oder bin ich einfach nur nicht „up to date“?). Eigentlich braucht man darüber gar nicht zu reden, weil Jugendsprache immer anders sein will und das Englische schon länger verwendet, um sich gegen Erwachsene abzugrenzen und zu rebellieren. Nur funktioniert das nicht mehr richtig, wenn die Erwachsenen selbst anglizismifizieren. Lol.

 

(Un)Politische (In)Korrektheit:

Begriffe wie „Zigeuner“ oder „Indianer“ dürfen nicht mehr verwendet werden, obwohl es sich nicht nur um über Jahrhunderte etablierte Begriffe handelt, sondern auch um Begriffe, die nicht mehr nur negativ belegt sind. Ähnlich wurde der neutrale Begriff „Weib“ in die Ächtung getrieben, bis es ein Schimpfwort war, obwohl der äquivalente Begriff „Mann“ erhalten blieb. In extremer Weise verhält es sich mit anscheinend rassistischen Begriffen wie „Neger“, die erst zu „Schwarzer“, dann „Farbiger“, irgendwann zu „Afroamerikaner“ und schließlich bei der englisch angeblich politisch korrekten Begriffskombination „people of color“ ankam, wobei hier gleich mehrere Dinge seltsam erscheinen:

1. Warum ist Englisch besser als Deutsch?

2. Warum wird das nur in der Mehrzahl gebraucht?

3. Warum taucht immer noch eine Farbenbezeichnung auf, wenn das doch rassistisch ist?

Wenn das dann auch noch mit deutschen Begriffen gemischt wird wie „Mensch of Color“ frage ich mich, wozu man die deutsche Sprache überhaupt noch bemüht, wenn doch scheinbar alles daran rassistisch ausgelegt werden kann, weil Nazis garantiert jedes deutsche Wort einmal verwendeten.

So please: fuck of German!

Oder verfangen wir uns da gerade in der Euphemismus-Tretmühle? Und der Abnutzung von Begriffen durch Übernutzung, möchte sagen Ausnutzung für politische Propaganda, wie es vielen guten Sprichworten und Phrasen bereits erging, die nun als „Gemeinplätzchen“ (ein ähnlich unpassend Begriff wie „Cookies“ für das Umgehen des Datenschutzes auf Webseiten), wie das aufmunternde und optimistische „Alles wird gut“, das zukunftsweisende „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir.“ oder auch das allseits beliebte „Über Geschmack lässt sich nicht streiten.“) für sich hin gammeln und aus Angst vor einem unangenehmen Beigeschmack nicht mehr in den Mund genommen werden? Da liegt aber gerade das Problem: nicht die Sprache ist böse, sondern die Intention und die Art der Nutzung. Die Begriffe müssen immer wieder erneuert werden, weil die Intention die gleiche bleibt und mit einem neuen Begriff lediglich einen neuen Anstrich bekommt. Wenn wir aber unter einem „Neger“ bloß einen Menschen mit dunkelhäutiger Hautfarbe meinen (daher wäre der Begriff „Dunkelhäutige/r“ am treffendsten), ohne damit ein rassistisches Vorurteil zu meinen oder damit seine vermutliche Wesensart zu bezeichnen, ist es bloß eine Bezeichnung der Haut, statt der Rasse und personenbezogenen Eigenarten.

Wenn man von der Anerkennung marginalisierter Gruppen durch Anpassungen in der Sprache spricht, dürfte die Mehrheitssprache in den marginalisierten Gruppen generell nicht mehr gesprochen werden. Dann gäbe es aber auch keinen kulturellen Austausch mehr. Sinnvoller wäre es dann jedoch die gemeinsame Vergangenheit aufzuarbeiten, statt sich an bloßen Worten abzuarbeiten. Die Nachfolgegenerationen können mit den eigentlichen Bedeutungen auf beiden Seiten nicht mehr viel anfangen, außer den ihnen in den Mund gelegten Interpretationen. Wenn man die Geschichte von Begriffen schon aufarbeitet, dann sollte man nicht nur an den schlimmsten Stationen anhalten, sondern auch einmal die Ursprünge betrachten und wenn die dann tatsächlich als Unterdrückungsbegriff erdacht wurden, kann man das Wort immer noch ächten. Andersherum werden oft ablehnende Begriffe wie „Nigger“, „Yankee“, „Nerd“, „Christ“ (= Geusenwort) von den bezeichneten Gruppen selbst verwendet, so dass nicht nur eine Ächtung von Begriffen, sondern auch eine Rehabilitation möglich ist. Es geht eben immer um die Interpretation, und die ist individuell. Soll heißen: Wenn man etwas finden will um die Mehrheit anzufeinden, dann wird man immer etwas finden.

Daraus ergeben sich sogar ein paar sehr fundamentale Fragen zu unserem Zusammenleben, falls man aus dem Streit um die „politisch korrekte“ Sprache wirklich eine Debatte ableiten wollte:

Worin besteht noch einmal die Demokratie? War es nicht die Mehrheitsherrschaft? Wenn nun also die Minderheit bestimmt, welche Begriffe man verwendet, handelt es sich doch um eine Oligarchie, oder nicht? Und wenn das wirklich besser so wäre, wäre dann die Demokratie überholt?)

Und würfe man mir jetzt auch politisch korrekt vor, ich schriebe für die Rechten entgegne ich: Nein, ich schreibe für das Rechte, nämlich das Recht auf eine selbstbestimmte und bewusst gesprochene Sprache, die nicht von anderen vorgeschrieben wird, auch nicht von Minderheiten. Und ja: mir ist durchaus bewusst, dass dies im Konflikt mit der Erhaltung der deutschen Sprache steht und mit den Vorschriften von Eltern und Schule gegenüber Kindern. Aber auch ich entwickle mich und versuche an einer Lösung mitzuarbeiten, wie in diesem Pamphlet. Oder wie eine Phrase sagt: „Einen Tod muss man sterben.“

 

Dialekte und „einfache Sprache“ sind Sprachentwicklungen:

Aber genug vom Englischen. Auch Deutsch ist schon schwer genug und wird nicht selten - unfreiwillig - verhunzt:

o   Das Verwechseln von „wie“ mit „als“ (wobei sogar ein als wie richtig sein kann, z. B. in: Das sieht mehr aus wie ein Regenschauer als wie Hagel.“) oder der falsche Dativ“ wie z. B.: „Der Glaube ist dem Pfarrer seine Hoffnung“ – dabei ist letzterer Fall satzbaulich sogar länger als „Der Glaube ist des Pfarrers Hoffnung.“ oder „Des Pfarrers Hoffnung ist sein Glaube.“ und trotzdem erscheint es einfacher in der Denkweise zu gehen, ähm, zu „funktionieren“.

o   Hilfsverben: „tun“ als ständiges Hilfsverb, ganz extrem bei „Wir tun das tun.“ (habe ich letztens wirklich wieder gehört und zwar nicht bei bildungsfernen Personen)

o   Sprichworte und derbe Ausdrücke wie „den Finger ziehen“ für „Den Finger aus dem Arsch ziehen“, also „sich sputen“

o   Verkürzungen: „Ich hab‘ Rücken.“ ?? Natürlich, ohne Rücken säh’s ja auch scheiße aus! Aber dafür bräuchte man auch kein Rückgrat mehr. Verzichten eh viele drauf.

 

 

o   Steigerungsformen: Gibt es kein „… - toter - am totesten“, „…- roter - am rotesten“, „… - perfekter - am perfektesten“? Nicht im absoluten Spektrum, aber im Relativen. Denn „perfekt“ wird ein Urlaub z. B. praktisch nie sein, aber er kann näher an der Perfektion dran sein als andere Urlaube, also „perfekter“ sein oder von allen Urlauben am nächsten an der Perfektion dran, also „am perfektesten“ sein. Übrigens kann die zweite Steigerungsform (um beim Beispiel zu bleiben: „perfekter“) mehr sein als die dritte („am perfektesten“): „Am perfektesten wäre ein Urlaub am Meer oder in den Bergen, aber (noch) perfekter wäre beides an einem Ort.“

„Roter“ wäre eine Farbe, wenn sie z. B. intensiver rot ist als etwa rosa oder orange und nicht zu hell bzw. zu dunkel ist, was dennoch Rottöne sein können.

Wie ist es aber bei binären Zuständen, also „lebendig“ oder „tot“? Es heißt, es ginge entweder nur das eine oder nur das andere. Biophysikalisch gesehen stimmt das. Dennoch unterscheidet man in der Wirklichkeit manchmal zwischen „nicht mehr so lebendig wie einst“ und z. B. „so gut wie tot“ und weiß manchmal auch nicht, ob jemand wirklich tot ist. Wenn jemand also näher am Tod ist als am Leben bzw. als andere Menschen (z. B. im Koma oder hirntot), wäre er also „toter“ – oder? Zumindest wäre er schon ganz schön tot“. (Latein gilt übrigens auch als tote Sprache und dennoch lebt sie in vielen anderen Sprachen fort, allen voran den romanischen Sprachen und es gibt sogar eine Google-Übersetzung in diese tote Sprache. Toter geht's nicht?)

 

Weitere Sprachentwicklung:

Wird es uns also die Sprache verschlagen? Vermutlich nicht, denn dafür ist die Sprache zu bedeutend für unser Zusammenleben. Es gibt allerdings verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten:

o   Englisch ersetzt gänzlich die deutsche Sprache.

> relativ unwahrscheinlich

o   Es geht so weiter wie bisher, nämlich weitere englische Begriffe und grammatikalische Wendungen finden Einzug ins Deutsche und Deutsch wird dadurch - wie einst Englisch - vereinfacht. Durch einen erhöhten Migrantenanteil mit Deutsch als Fremdsprache ist das

> umso wahrscheinlicher.

o   Sprachpuristen übernehmen die Macht und führen ein Sprachenreinheitsgebot ein.

> sehr unwahrscheinlich – Wobei: beim gendern ist das ja bereits der Fall.

o   Eine neue Trendsprache entwickelt sich, z. B. Chinesisch.

> gar nicht mal so unwahrscheinlich; Allerdings orientiert sich China auch eher am Englischen und chinesische Ausdrücke sind für Europäer und Amerikaner sprachlich zu wenig nachvollziehbar und klingen zu ähnlich.

o   Es wird nur noch über Emojis und Abkürzungen kommuniziert:

> k. A., w. m.; ROFLOL. ;-)

(Keine Ahnung, wäre möglich; rolling on floor laughing out loud. Zwinker)

 

Die größten Probleme - oder euphemistisch gesagt „Herausforderungen“ - werden in der Mehrdeutigkeit liegen bleiben:

Bsp.: „Sie lesen einen Artikel.“

I.   „Sie“: I.1. höfliche Anrede in der Mehrzahl, I.2. Personalpronomen in der Mehrzahl I.3. weibliches Personalpronomen in der Einzahl

II.  „lesen“: II.1. Text verstehen, II.2. etwas aufheben

III. „einen“: III.1. unbestimmter Artikel, III.2. Subjekte oder Objekte zusammenführen („vereinigen“)

IV. „Artikel“: IV.1. Warengut, IV.2. Zeitungstext, IV.3. grammatikalische Angabe von Geschlecht und Anzahl

 

Viele dieser Mehrdeutigkeiten können allein aufgrund der deutschen Grammatik, also z. B. an Hand von Endungen durch Konjugation von Verben, oder durch den Zusammenhang mit anderen Informationen, ausgeschlossen werden. Aber letztlich bleibt selbst bei diesem simplen Satz eine Restunsicherheit in der Bedeutung, z. B. durch die Zweideutigkeiten der Begriffe „Artikel“ und „Sie“. Und von den hier aufgelisteten zehn Einzelbedeutungen der Worte bleiben immer noch vier mehrdeutige Bedeutungen übrig (nämlich: I.1., I.2., IV.2., IV.3.), also fast die Hälfte – ganz abgesehen von den inhaltlichen Mehrdeutigkeiten durch Kombinationen von Begriffen und verschiedenen Kontexten. Insbesondere bei gesprochenem statt gelesenem Deutsch ist die Bedeutung häufig mehrdeutig und unklar (nicht nur aufgrund undeutlicher Aussprache oder Dialekten), selbst durch Umstellung der Satzgrammatik, z. B. als Frage:

Lesen Sie (Sie als höfliche Anrede oder in der Mehrzahl von Personen) einen Artikel“ (Artikel als grammatikalische Geschlechtsangabe, z. B. die oder als Zeitungstext)?

Und dann gibt's da noch: die Kommaregeln! Aber das wäre zu viel des Schlechten. Und bevor sich die seltsamen Kommaregeln des Englischen ins Deutsche einschleich... ach, hätt' ich doch nichts geschrieben!

 

Schlussfolgerung: Sprechen ist Krieg! Daher sollten wir sehr viel toleranter werden, was Missverständnisse angeht.

Immerhin halten gute Künstler in allen Sprachen durch die Dichtkunst ein Vorbild hoch. Solche Sprachkünstler im Deutschen sind nicht nur die alten Meister wie Goethe, Schiller oder Hesse, sondern beispielsweise auch:

o   modernere Dichter wie Heinz Ehrhardt (Ein Stück mit „G“) oder Bodo Wartke (Regen)

o   Musiker wie Reinhard Mey (Der unendliche Tango, Poor Old Germany), Die Ärzte bzw. Farin Urlaub (Monsterparty, Lieber Staat, Meine Freundin, Nichtwissen), Judith Holofernes (Afroamerikanerküsse, Der Krieg ist vorbei), Knasterbart (Gossenabitur, Kein Knasterbart im Knast, Branntwein für alle!) oder Versengold (Der Tag, an dem die Götter sich betranken, Der Haderlump, Das wär' ein Traum, Kein Trinklied)

o   Kabarettisten wie Jochen Malmsheimer (Wenn Worte reden könnten, Theaterstück) oder Torsten Sträter (Parkhaus, Die Sache mit Struppi, Sonnenstudio)

 

Wie immer gilt: Wer Fehler findet darf sie behalten und als Beispiele für eine verkommene Sprache betrachten! Außerdem lässt sich aus meinen Fehlern wunderbar lernen.


...und hier noch ein paar Videobeiträge zur gelungenen deutschen Sprache: