Mission: Wissenschaft –

Ein Lagebericht vom Aufklärungstrainingscamp Gårdsjön

 

Regierungen, Firmen und Google haben viele Fragen – und Hunger nach Daten. Sie nennen es „Wissenschaft“ und wir als Wissenschaftsstudenten dürsteten ebenso nach Antworten auf Fragen, die wir uns teils selbst stellten und teils von der Menschheit aufgetragen bekommen haben. und fuhren extra in ein anderes Land um deren Methoden der Gewässerrenaturierung zu verstehen. In der Wirtschaft nennt man das wohl „Industriespionage“, in der Außenpolitik „Nachrichtendienst“ und bei der Armee „operative Aufklärung“. Aber was ist eigentlich der Unterschied zwischen Kundschaftern und Botschaftern? Und waren wir Spione – nur weil wir obendrein noch agentenbasierte Ökosystemmodelle laufen ließen? Vielleicht. Urteilt selbst…

 

Gårdsjön Karte
Gårdsjön - Ein See, der nicht einmal auf dem allumfassenden Spionagekartendienst Google Earth verzeichnet ist, weshalb hier die freie Karte von OpenStreetMaps bemüht werden muss

In der Abteilung der Umweltnaturwissenschaften kundschaftet die 13. Geoökologie-Spezialeinheit „Geoökologische Einheit chaotischer Kommilitonen on-demand“ (die berühmten G.E.C.K.O.s) daher allerlei Fälle rund um die Probleme des Menschen mit dem Klima (Waffengattung Atmosphäre), dem Wasser (WffGtt. Hydrosphäre), den terrestrischen Stoffkreisläufen in Böden (WffGtt. Pedosphäre) und der biogeointeraktiven Sphäre (WffGtt. Unkraut und Viehzeug). Diese vier Elemente (Luft, Wasser, Erde und nach der strategischen Umstrukturierung jetzt „Leben“ statt vormals Feuer) gruppieren sich in unserem Weltbild nun um ein fünftes Element: den Menschen. Manche halten ihn für ein gottgleiches Wesen, für andere ist er die längste Krankheit der Welt. Hier kommen wir alle ins Spiel, die wir uns der Mission: Wissenschaft verschrieben haben. Weil das Ziel in Form von reproduzierbaren Ergebnissen nur durch eiserner, militärischer Disziplin zu erreichen ist, braucht es auch gestählte und abgehärtete Führungspersonen. Daher befahl uns Sergeant Bogner und ihr Prof.-Hauptmann (Cpt) Dr. Hauhs auf Probenahme nach Südschweden zum Gårdsjön-See (korrekte Aussprache unbekannt), noch hinter Göteborg und sogar Stenungsund ins Spionage-Camp.

Nur wenige konnten für diese Operation ausgewählt werden und im Zuge der Vorbereitungen musste auch schon jemand abkommandiert und für den baldigen Marschbefehl die Mannschafterin Alena aus der Ersatzgruppe rekrutiert werden.

Akademische Grade in der G.E.C.K.O.-Elite-Einheit
Akademische Grade in der G.E.C.K.O.-Elite-Einheit (abgewandelt von Hierarchien-Vergleich)

Die Ausgangslage:

Die Seen Südschwedens und anderer Länder sind durch saueren Regen, der durch die Industrieemissionen v. a. seit der Mitte des vorigen Jahrhunderst verursacht wird, stark in ihrer natürlichen Wasserqualität beeinträchtigt. Dabei hat Schweden selbst gar nicht so viel industrielle Luftverschmutzung betrieben, sondern eher die mitteleuropäischen Staaten wie Deutschland, Polen und Großbritannien. Doch die makrometeorologischen Luftströme trieben die schlechte Luft über die sonst so natürliche und fast unberührte Landschaft Südskandinaviens, so dass - wieder einmal - die Unschuldigen leiden. Selbst das Kalken der Seen hilft nur kurzfristig und muss jedes Jahr erneut durchgeführt werden. Aus diesem Grund hat die Wissenschaft beschlossen, am Beispiel des Gårdsjön-Sees genauer hinzuschauen und einige Feldmessungen wie Oberflächenabfluss, GW-Messungen und Wettereinflüsse zu untersuchen.

Mit zahlreichen Einsatzbesprechungen wurde der Zug auf die Bedingungen vor Ort und die Hintergründe eingeschworen und ein genauer Plan des Einsatzgebietes lag vor. Die Einteilung des Späher-Trupps konnte jedoch erst vor Ort geschehen, wenn sich die spezifische Eignung jedes Rekruten herausstellte.

Wie sich auch bei diesem Einsatz zeigte, laufen Märsche selten nach Plan. Oft lauern Hinterhalte, Nachschubprobleme, Geräteschäden oder Krankheiten. Schon am strategischen Umschlagspunkt „Nürnberg“ bewies unser TrTrM / TruppTraM (Truppentransportmittel) erste Schwachstellen: Die Deutsche Bahn hatte sich soweit verspätet, dass unser Bahn- und Technikspezialist Gefreiter Christian sich dadurch auszeichnete ein Sammeltaxi nach Frankfurt zu organisieren um den Anschlusszug zu erreichen und die Truppenverlegung nicht unnötig unterbrechen zu müssen. Durch äußerst mutige Manöver seitens des TruppTraM-Fahrers im zivilen Wochenendstraßenchaos gelang dieser Umweg glanzvoll (schlage Gefreiten Christian daher zur offiziellen Belobigung vor).

Die weitere Übersetzung hinter die Frontlinie ins neutrale Niemandsland Dänemark verlief ruhig, ohne berichtenswerte Vorkommnisse. Die Zeit wurde natürlich im Selbststudium verbracht um die Vorstellungskraft und Kombinationsfähigkeit des Spionagesoldaten in ausweglosen Situationen zu schärfen. Die Ausrüstung mit dem Kartenmaterial EsD („Ein solches Ding“) ist daher für den Truppendienst weiter zu empfehlen.

 

Montag:

0800:   Aufbau der Abhör- und Messstationen „Meteo und Beregnung“ durch Einweisung von TU (Technischer Unteroffizier) Gerd; An der Baueinheit MetStat („Meteo-Station“) befindet sich zu unserem Bedauern allerdings kein TEMessG (Turbulenzelement-Messgerät).

 

1200:   Biwakerrichtung und -befestigung, Lageerkundung

 

1400:   1. Geländepatrouille, Kanuempfang, -einweisung- und -training für Erkundungstrupps

 

2300:   Lagebesprechung einiger Gefreiter mit Cpt Hauhs über den Nutzen seiner Wissenschaft; Er gesteht ein, dass seine wissenschaftliche Forschung nur nützlich ist, wenn man sie auch aus seiner Sicht sieht.

 

Kanuerkundung auf dem Gårdsjön
Kanuerkundung auf dem Gårdsjön

 

Dienstag:

0700:   Beginn mit der Hauptoperation durch Messungen der GW-Stände (Grundwasser) und Errichtung der Wehranlagen

 

1700:   Nahrungsbeschaffung durch Fischfang in Begleitung von Captain (Cpt = Hauptmann) Hauhs und Sergeant (Sgt = Feldwebel) Dr. Bogner

 

1800:   Cpt Hauhs und Sgt Bogner berichten von Luftwaffenangriff (Luftgewehr) auf das Ufergebiet: Es kommt zum beinahen Feindkontakt und Sichtung von drei nackten Schweden, offensichtlich angetrunken, die mit einem Luftgewehr auf alles Bewegliche schießen.

 

Mittwoch:

0700:   DnV (Dienst nach Vorschrift), heute ausnahmsweise keine Krankmeldungen oder Verluste; Cpt Hauhs unterrichtet Zug von Auslandseinsätzen in Norwegen und den dortigen Verpflegungsbesonderheiten in Form von süßem Käse.

 

Drei nackte Schweden mit 'nem Ruderboot
Drei nackte Schweden mit 'nem Ruderboot

1500:   Der obligatorische Orientierungsmarsch erfolgt um den See. Normalerweise würde er jeden Tag zur Ertüchtigung absolviert werden, wird aber durch die intensiven Messungsvorgänge behindert und teilweise ausgesetzt. Hierbei fällt der starke Einschlag von Holz durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen wie Harvestern und Kettensägen auf. Wüste Kriegslandschaften zeigen uns, was wir seit Montag jeden Morgen neben unserem Lager akustisch mitbekommen. Der schwere Artillerieeinsatz ist allgegenwärtig. An allen anderen Stellen scheint dagegen kaum ein Mensch vorbei zu kommen und man sieht nur Überreste von Gerätschaften, die von Missionen lange vor uns stammen. Es zeigt sich ein Bild, das unserer eigenen Dienstvorschrift rüde widerspricht, indem ungenutzte und ausrangierte Messgeräte müllartig liegen gelassen wurden.

 

2200:   Zur körperlichen Abhärtung erfolgt abends eine Saunierung, um sich an das örtliche Klima anzupassen und sich vom einheimischen Volk nicht zu sehr abzuheben. Die Abkühlung erfolgt wild schreiend im See um etwaige Späher zu verscheuchen oder wahlweise wie die örtliche Bevölkerung zu erscheinen. Ganz nach unserem Ausbildungsmotto: „Tarnen und Täuschen“.

 

Typische Feldbedingungen in Südschweden mit Sonnentau
Typische Feldbedingungen in Südschweden (links: Sonnentau)

 

Donnerstag:

0900:   1. Gruppe zum halbtätigen Freizeitausflug nach Marstrand übergesetzt, dortige Sorbusbestimmungsübung und Glazial-Vegetationskunde; Denn man muss wissen, was man später im Einzelkämpferlehrgang essen kann. Nur wenige Stunden stehen dazu zur Verfügung. Daher gelingt die Exploration sowie Annektion dieser Insel nicht vollständig. Besiedelung ist allerdings nur aufgrund der hübsch anzusehenden Scherenlandschaft sinnvoll. Die Bodenmächtigkeit steht durch die andauernde, starke postglaziale Hebungsphase extrem niedrig an bzw. existiert noch gar nicht.

 

1400:   1. Gruppe zur ersten Datenauswertung und -evaluierung

 

1400:   2. Gruppe zum halbtätigen Freizeitausflug

 

1800:   Abnormaler Küchendienst unter strikter Anleitung durch Sgt Bogner (würde durch ihre exzellenten Fähigkeiten postum zum Oberfälltwebel / Straff Sergeant befördert werden können) und den vier Gefreiten Christian, Basti, Marthin und Martin mit dem Auftrag den witzigsten Kartoffelsalat der Welt zu produzieren (werden im Zuge der aufopferungsvollen Bemühungen für den Zug mit der Tapferkeitsmedaille „Der goldene Zwiebelschäler in Silber“ ausgezeichnet); Das Problem besteht darin, dass die Planung des Mittagessens und die Fähigkeiten der Küchendienstgefreiten nicht miteinander korrelieren. Daher kommt es zu spontaner Ratlosigkeit über die Zubereitung. In einem Akt heldenhafter Aufopferung und Tapferkeit opfert sich Sgt Bogner die vier unfähigen Gefreiten anzuleiten und muss gegen einen starken Drang zu verzweifeln mit all ihrer Macht ankämpfen, bevor es schließlich gelingt die Zutaten in exakter Weise zusammenzufügen: vom richtigen Schärfen eines Messers an der Unterseite einer Teetasse, über das Zerkochen von Kartoffelmassen und Eiern bis zur korrekten Ausführung der Zwiebelhäckselung, wobei wiederum das richtige Messerschärfen zum Einsatz kommt, um zu verhindern, dass die Zwiebeln zu viel toxische Gase freisetzen können.

 

Marstrand
Marstrand – ein karges Eiland, das nicht der Vereinnahmung lohnt
Boulder-Felsen für Deep Water Soloing
Boulder-Felsen für "Deep Water Soloing"

Freitag:

0700:   DnV

 

1800:   Zubereitung von Rotbarschen mit expliziter Anweisung, Gastempfang des örtlichen Gebietsbeauftragten

(1830:   unerlaubtes Entfernen von der Gruppe durch Gefreiten Martin und Basti zwecks Deep Water Soloing (Boulder-Klettern über Wasser) und Erlernen von Ruderbootpaddelbenutzung)

 

1900:   Belobigungsfeier des Gefreiten Garsten und Zugabend mit EsD-Wettbewerb sowie Verzehr von letztem Rotbarsch sowie eingekauftem Lachs aufgrund bereits leergefischtem See

 

Samstag:

0800:   Rückbau der Befestigung, des Biwaks und Messapparaturen, z. B. Staffelkabelziehen, Auflösung der Mission und individueller Rückmarsch mit anschließendem Heimaturlaub; Lehrgang gilt als bestanden; weitere wissenschaftliche Aufklärungslehrgänge zur Informationsbeschaffung bis zum erfolgreichen Abschluss werden folgen; schlage Cpt Hauhs zur Beförderung zum Commander (CO) mit Doppelnullstatus vor: Commander Dr.00 Hauhs

 

Anmerkungen:

„Dienst nach Vorschrift“ bedeutet in den meisten Fällen, dass zwei Menschen Arbeiten und der Rest chillt, also dem „Selbststudium“ überlassen wird.

Die Unterkunft vor Ort war mäßig mit Betten ausgestattet. Die Mehrheit der Mannschaft musste auf dem Boden nächtigen, einige sogar außerhalb der Quartiere unter freiem Himmel. Beiden betroffenen und tapferen Gefreitinnen Marie und Alena machte diese Bequemlichkeitseinschränkung jedoch nichts aus und sie bewiesen dadurch wieder einmal die Ausdauerfähigkeit und Zähigkeit unserer Eliteeinheit.

 

Hier nun eine realistische Auftragslage und ihre anschließende Meldung:

Alarmposten „Blindes Huhn“:

1A       Krieg:

- Feind über Grenze, südlich 2.000

- Führt Gefecht (= Informationsaufklärung)

 

1B       eigene Lage:

- 13. G.E.C.K.O.-Spezialeinheit nach Gårdsjön-Süd als Reserve und zur Ausbildung

            - Sicherungsmaßnahmen und Wacheinteilung

 

2          Auftrag:

- Kanufahrt bis befohlene Koordinate erreichen

- Alarmposten im Gelände

- Überwachung, bei Gefahr laut lachen

 

3A       Durchführung:

- im Schneidersitz

            - Sicherung rundum

            - Schützenbenennung

            - Sichtradius ca. 1 km Ost, 50 Meter N-W-S gemäß Auftragszettel

            - Abmarschzeit: 311545Bjul13

            - Marschbereitschaft bis: 312300Bjul13

- Flugabwehr: Feuerverbot und Deckung

- Feindberührung: Deckung > unterliegend: Bekämpfung, Fesseln und Knebeln, Verhör

                                                  > überliegend: ausweichen u. Flucht, Alarm durch lachen

                                                  > sonstige Personen: ignorieren

            - linke Grenze: Generator

            - rechte Grenze: Wasserpumpe

            - linker Nachbar: Fische, Enten und Frösche

            - rechter Nachbar: Schweden

 

3B       Ausrüstung:

            - Nachtsichtgerät „Funzel“

 - Hüttenkrempel

            - Waffen „Kanupaddel“

            - Hunger und Humor

 

3C       klar zum Gefecht (= Informationsbeschaffung durch Abhörgeräte)

            - Sichtrichtung: Osten

            - Schussrichtung: im Rücken

 

4          - San. mitführen, Selbst- und Kameradenhilfe

            - Verletzte mitführen ins HQ

 - Verpflegung im Gelände und durch Selbstbeschaffung

 

5A       Zugunterstützung:

            - Funkbereitschaft, per Melder

            Zeichen:

- bei Gas-Alarm = Warnpatrone, ABC-Schutzmaske und keine rohen Zwiebeln mehr!

 

5B       Parole:

            "Durst? – Skål!"

            - bis Wachablösung von „Nebelkrähe“

 

 Wachmeldung:

Flugabwehr mit Fischernetz
Flugabwehr mit Fischernetz

Gefreiter Basti und Gefreiter Martin, eingesetzt als Wachsoldaten des 13. G.E.C.K.O. 701, haben den Auftrag Ordnung und Sicherheit im Kompaniebereich sicherzustellen. Melden folgende Besonderheiten: haben aus Langeweile Mückenschutz als Flugabwehr gebaut; waren erfolgreich. Mücken haben uns nicht angegriffen, dafür sind Ameisen unters Netz gekrochen; fordern daher Verstärkung gegen übermächtige Infanterie an.

Die Bewachungsaktionen der Einsatzgerätschaften des Nachts sind allesamt als erfolgreich einzustufen. Keinem Befugten oder Unbefugten gelang der Zutritt zum Gelände. Nur Unfug war schon drinnen.

 

Frühstücke im schwedischen Wald

 

Nachtrag:

Zwölf Monate später wurden wir unsererseits von chinesischen Nachrichtendiensten auf dem hausinternen PC angegriffen. Glücklicherweise fiel es dem Gefreiten Christian rechtzeitig auf, sodass der Angriff zurückgeschlagen werden konnte. Die Antwort der offiziellen IT-Einheit dazu lautete: „Habt ihr Windows XP benutzt? Nein? Dann können wir auch nichts weiter machen.“