Das Tor

 

sehnend seh’ ich mich davor.

Will seit langer Zeit passieren,

dahinter liegt der Welten Reiz,

hab lang schon nichts mehr zu verlieren.

Einen Spalt nur zeigt des Schicksals Geiz.

 

Weiß nicht, wie ich hier her gekommen,

es gab auch eine Zeit vorher.

Erinn’re mich nur sehr verschwommen,

seit ich in diesem wüsten Meer

kein Ufer mehr erkennen kann,

außer dieser großen Pforte.

Nichts liegt mir mehr daran

als wegzugeh’n von diesem Orte.

 

Doch führten meine Wege stets,

hierher, niemals ab des vorbestimmten Wegs.

 

Klare Richtung, nur ein Ziel.

Vor mir liegt alles, was ich will.

Deutlicher fiel mir nichts ein.

Schmerzlich träum ich drin zu sein.

 

Die Freiheit liegt just hinter mir.

Irgendwann einmal gewollt.

Nun quäl ich mich wie Mensch das Tier,

das im Käfig verzweifelnd tollt.

Endlose Freiheit geht mir ab,

was ich brauch, ist Ziel und Frist,

selbst wenn ich Flüche drüber sag:

weil mich Tatenlosigkeit zerfrisst.

 

Stetig stemm ich mich dagegen,

dass es endlich g’nug sich spreizt.

Stets erhoff ich ewig Segen

bis alle Energie verheizt.

 

Ich will hier nicht mehr länger leben,

viel zu plan ist dieser Ort,

hat nichts niemandem zu geben,

keiner wollte nicht hier fort!

Und ich seh’ auch keinen weiter,

außer mir hat jeder Glück,

ist wohl hinterm Tore heiter,

genießt den ew’gen Augenblick.

 

Die Kraft reicht nicht mich durch zu zwängen,

es drückt mich immer wieder weg.

Zwar weiß ich von famosen Gängen,

doch hat es alles keinen Zweck.

Ich hab den Schlüssel, Willen, Ziel –

allein der Kraft noch / nicht mehr viel.

 

Wenn es erneut nicht ist geschafft,

denk ich daran, was ich schon hab,

im Leben mir zusamm’n gerafft,

tröstet mal Stecken und mal Stab.

 

All das würd’ ich gerne tauschen,

gerne geben.

Ich will nicht länger daran lauschen,

sondern leben!

 

Bald denk ich wieder nur daran,

denn ist’s nur das, was wertvoll scheint.

Bin den Gedanken untertan,

die Erinn’rung mit der Vorstellung vereint.

Das Wenige, was ich gesehen,

reicht mir frischen Mut zu fassen,

ständig „noch mal“ aufzustehen,

will’s Glück nun nicht mehr fahren lassen.

 

Die Sehnsucht nach Erfüllung,

nach Vorstellungsenthüllung,

sie treibt mich bis zum Tode vor.

Auch er zeigt nur ein neues Tor.

 

Doch eines ist es, ‘s ist nicht viel,

nur ein einz’ges, höchstes Ziel.

Hier zeigt sich jenes ach so schrill:

ich will… ICH WILL!

 

Und sei ich auch des Tores Tor,

so stoß ich dennoch bald schon vor…

 

 

 

 

Das Tor II – Der Wille

 

Ja, ich steh davor,

doch will ich überhaupt hindurch?

Vor dem großen, einen Tor,

steh ich davor und… horch.

 

Ich frage mich manchmal im Stillen,

ob mir die Kraft fehlt oder Willen.

Denn alles, was ich wirklich wollte,

war, was ich auch kriegen sollte.

 

Bald schon wieder neu versucht

denke ich: jetzt geht’s,

es öffnet sich, es muss, verflucht!

Doch halt ich inne stets

und glaub paradoxerweise,

dass es schon gut ist wie es ist,

schließlich auch, dass meine Reise

vorbestimmt mit einer Frist.

 

Nur die Möglichkeit zu können

reicht mir dann und ich bin froh.

Der Verweilung dann zu frönen

der Verzweiflung sowieso.

Dass ich’s überhaupt nicht will,

tu ich ab, weil ich’s nicht kann

und verschweige mir so still:

Was bin ich? Weder Frau noch Mann.

 

Nein, ein Kind, das hier noch steht,

fragt sich staunend vor dem mächt’gen Tor,

warum niemand in seine Richtung geht –

vielleicht ist dahinter auch davor?!

Vielleicht will aus dem Paradies niemand zurück?

Vielleicht liegt dort aber auch nicht nur Glück.

Vielleicht muss man sich auch dort bewähren!

Gibt’s gar welche, die sich nach hier verzehren?

 

Verzweiflung folgt mir auf den Fuße.

Kann ich - komm ich hin - bestehen?

Oder spüre ich die Buße?

Hier zumindest kann ich gehen.

 

Doch nicht nur gehen – rennen will ich,

weg von hier, fühl mich verfolgt,

trotz Zweifel, ist’s meist unveränderlich

wie mir der Gedanke im Hirne tollt.

 

Glaub drüben Sicherheit zu finden.

Der Wunsch dorthin staut sich jetzt auf,

heftiger will ich verschwinden

Träume stapeln sich zuhauf.

Alles nehm’ ich nun in kauf,

sie erst nur zu ergründen,

dann schließlich nicht nur steh’n, nein lauf’

und fortan von dort an endlich künden

kann.

 

 

 

 

Das Tor III – Ein Spiegel

 

 

Die einstige Zeit des wilden Dranges,

sie ist nun, scheint mir, vorbei.

Der Hauch des selbst verzweiflt’ Sanges

ist nicht mal mehr noch Krächzerei.

 

Durch’s Tor wollte ich mich einstmals drängen,

zu quetschen sucht ich mich sogar.

Bin selbst zu müd’, mich zu erhängen,

zu viel Mühe wär’ es dem Narr!

 

Denn die wilden Wogen vom Wüstenwasser

sind so zäh wie kalter Sand.

Der Tropfen Hoffnung macht’ es nasser

so ist es, wie ich schon lang empfand.

 

Denn Grund zur Hoffnung ist verweht,

wie Blütenblätter der alten Blume.

Meine Zeit und Kraft – alles vergeht.

Nicht mal im Leid find ich noch Ruhme!

 

Frühere Wogen sind geglättet,

hitziges Gemüte abgekühlt,

aber nicht auf Erfolg wurd’ es gebettet,

sondern leer und fort gespült.

 

Anderes beschäftigt nun,

es gibt wie immer viel zu tun.

Der Stachel fault im Fleisch,

sticht darunter aber gleich.

 

Er reibt und brennt und schmerzt und zwickt

Ihn heraus zu beißen,

schneiden, brennen, reißen –

wie das mein Gemüt erquickt!

Doch wie soll ich’s machen?

Bin allein, kann nicht mal kratzen,

ewig träumen, nie erwachen –

Das sind des eignen Teufels Fratzen.

 

Der Wille, das ist es!, steht im Weg,

denn immer, wenn ich wollte,

brach unter mir durch Last der Steg,

und brachte mich, wohin ich sollte.

 

Aufgegeben hab ich deswegen,

was ich doch so sehr begehrte.

Darf nur nicht den Geist dran hegen,

wenn es wirklich ehrlich währte.

Das fällt mir an sich auch nicht schwer,

hab schließlich ach so viel versucht.

Jetzt gibt es ohnehin nichts mehr,

mein Wille: vom Schicksal verflucht.

Drum füg ich mich in fert’ge Wege,

lass mich gern in Bahnen lenken,

fürcht mich nicht mal auf der Schräge

und muss nicht über mich selbst nachdenken.

 

Dann hab ich oft schon froh gedacht,

ich hätte es nun doch geschafft,

Leid und Zweifel dahingerafft,

endlich das Schicksalstore aufgemacht

und erwache schließlich aus dem Traum;

wieder die Schranke im Verstand

find ich mich in fremdem Raum.

Das Tor jedoch ist altbekannt.

 

Denn anders bin ich halt schlicht nicht,

muss erforschen und verändern,

was mir logisch widerspricht,

vom Zentrum bis weit nach den Rändern.

 

Das Nichtwollen muss ich lernen,

kann es niemals nur erzwingen.

Es ist schwierig zu entfernen.

Zeit muss ich mir ausbedingen.

 

Doch was macht man dann noch gerne,

wenn just das der einz’ge Zweck,

das einz’ge Ziel in weiter Ferne,

wenn es war, wie Gold im Dreck.

 

Dann merk ich, was ich war und bin:

gefangen in meiner eigenen Welt,

ein Spiegelbild, im Spiegel drin,

vor mein eigentliches Ich gestellt.

Da vor mir läuft das Leben ab,

ich schau nur zu, wie ein Gespenst –

als sähest du dich vor deinem Grab,

weil du dich selbst nicht kennst.

 

Im Spiegel reflektier’ ich andere,

erleb’ nur deren fremdes Leben,

als ich hinter Glas alleine wandere,

nehm’ ich es, doch kann nichts geben.

 

Könnt ich nur das Glas zerschmettern!

Doch kann es nicht mal sachte fassen,

seh’ Scharen von möglichen Rettern,

doch niemand von Wert ist in den Massen.

 

Niemand weiß es, keiner hört mich.

Wie sollte man es auch erhören?

Die laute Welt hört nur auf sich,

die kann ich nicht von hier aus stören.

 

Zufall allein ist meine Aussicht,

dem Schicksal doch noch ausgeliefert,

warte ich, bis man mein Glas bricht

und das wohl bis Granit sich schiefert…

 

Ich müsste es nur provozieren,

vielleicht kann ich sie zu mir locken.

Hab doch eh nichts zu verlieren,

werd’ bis zur Ewigkeit hier hocken.

Doch denk ich schon auf neuer Ebene,

ein Plan, zumindest sehr diffus,

ist das vom Schicksal mir Gegebene,

was sich allerdings noch finden muss.

 

Man kann es nun mal nicht erzwingen,

nur vielleicht die Gunst erringen.

Es ist, wer auch immer es ersann,

das Einz’ge, was nur jemand andres geben kann:

Liebe.