Teneriffa –

Kanarische Kontraste

 

Teneriffa-Routen
Teneriffa-Routen

Nachdem wird dem Terroranschlag in Barcelona und den Unabhängigkeitsbestrebungen einige Monate zuvorgekommen waren, stand dieses Jahr also noch mal Spanien auf dem Programm: Teneriffa. Nach Ibiza schon wieder eine spanische Urlaubsinsel? Wenn man sie geschenkt bekommt, weil ein Freund (Alex) sie gewonnen hat, fragt man eben nicht nach dem Ziel, sondern fliegt hin – auch wenn Alex dann gar nicht mitfliegen kann, weil sein neues Stellenangebot zu verlockend ist und keinen Aufschub duldet! Wenn also niemand anderes Zeit hat, greift man auf die Verwandtschaft zurück und so durfte das liebe Väterchen notgedrungen mitreisen.

 

Montag (Anreise):

Schon beim Anflug fallen die Extreme auf – zum einen fliegen wir über Portugal:

Flugzeugbild - Portugal                                                           Flugzeugbild - Teneriffianischer Golfplatz                                    Teneriffianischer Sonnenuntergang

 

Zum anderen klaffen neben dem aufwendig bewässerten Golfplatz die Wüstenschlüchte des Inselsüdens. Mit dem extra vorher reservierten Mietwagen sehen wir diese Landschaft am Abend noch direkt an der Straße vor sich hin wüsten, bevor wir im dichtesten Hotelwald der Südwestküste auf Zimmerjagd gehen. Selbst hätte ich mir die dichtbevölkerte Strandpromenade von Las Americas nicht ausgesucht, aber wenn schon alles vorgebucht ist, nimmt man es freilich an. Es gibt sogar Meerblick! Und das ist ja nicht selbstverständlich auf eine Insel mit einem Berg in der Mitte. Wie gerne würden wir aber eben dort übernachten, auf dem Berg! Denn selbst in der Nacht sinken die Temperaturen nicht unter 27 °C. Vor allem Vattern macht die schwüle Hitze zu schaffen und er macht, was er am Anfang eines Urlaubs immer macht: er überlegt, wann der nächste Flug zurück nach Hause geht. Als er einsieht, dass das heute wohl nichts mehr wird, fügt er sich notgedrungen in die Subtropie des Hotelzimmers und beginnt die Klimaanlage anzubeten.

 

Am nächsten Tag will sich die Reiseleitung vorstellen. Anscheinend gibt es so etwas wie ein Bespaßungsprogramm – ich hoffe nur, man will von uns nicht ständig hören, wie toll das Magazin doch ist, über das wir die Reise gewonnen haben, um sich im nächsten Heft selbst zu feiern! Immerhin ist das Klientel des Hotels nicht ganz auf dem Niveau vom Ballermann oder Antalya, wie man so hört, sondern vorwiegend bereits pensioniert.

 

Dienstag:

Mann! Zum Glück ist es nur eine Vorstellungen von Trips, die uns die sogenannte Reiseleitung präsentiert: ob nun Walbeobachtungen, Bustouren durch die Insel, Tauchkurse, ein Trip zur Nachbarinsel La Gomera oder die U-Boot-Safari. Wir lehnen dankend ab, setzen uns ins Auto und starten unsere eigene Teneriffa-Safari – ganz so, wie ich es mag: ungebunden, von keiner Reisegruppe oder Zeit abhängig durch die Lande fahren und sehen, was man unterwegs findet. Natürlich gibt einen groben Plan. Zuerst wollen wir uns im Norden der Insel einen Überblick über die Insel verschaffen. Doch schon nach dem ersten Berg entdecken wir zufällig neben den ersten Bäumen und erfrischender Kühle auf 1000 Meter Höhe die zweit-größte Sehenswürdigkeit Teneriffas: die Masca-Schlucht mit dem ehemaligen Piratendorf. Man kann sich hier richtig vorstellen, wie die Männer nach einer langen, anstrengenden Kaperfahrt heimkamen, dann noch kilometerweit die steile, glitschige Schlucht hochschnaufen mussten, um endlich in einem kalten, schattigen Tal ihre Terrassenfelder zu bewirtschaften. Aber schön, dass sie für die Touristen noch so herrliche Fotokulissen gebaut haben!

Masca-Schlucht

Wir kommen auch zu nichts anderem mehr als uns durch die Schlucht zu fotografieren, als es schon wieder dämmert und nur noch sechs Tage übrig bleiben.

 

Mittwoch

Der Inselnorden steht heute auf dem Reise-Speiseplan. Um einen kulturellen Aperitif vorwegzuschicken, halten wir an den Pyramiden von Güimar. Diese sollen angeblich vor hunderten von Jahren von den Ureinwohnern errichtet worden sein. Wie sich aber im Laufe des Museums herausstellt, ist man sich darin dann doch nicht mehr so sicher. Denn laut Datumsbestimmungen und jüngeren Funden können die pyramidenförmigen Steinaufhäufungen auch nur von den örtlichen Bauern vor einigen Jahrzehnten stammen, die lediglich ihre Feldsteine feinsäuberlich aufgeschichtet hatten. Vielleicht ist das ja auch der Ursprung der ägyptischen Pyramiden und überhaupt aller anderen Pyramiden auf Erden? Eigentlich sind es Schutthalden und man hat einfach die Landschaft aufgeräumt!

Dennoch lohnt sich ein Besuch, denn neben den etwas zweifelhaften Urgebilden finden wir darin auch einen botanischen Garten und eine Ausstellung zu Thor Heyerdahls Ozeanüberquerung – auch wenn sich dieser Teil nur mühsam mit einem Zwischenstopp Heyerdahls auf den Kanaren begründen lässt.

Das touristische Mittagsprogrammmenü besteht mit einer in den Fels gehauenen Kapelle aus der Wallfahrtsstadt Candelaria fast schon aus einem vorgezogenen Candle-Light-Diner. Allerdings versalzt uns auf dem Weg zum Nachmittagstee der herzhafte Stau auf der Autobahn der Hauptstadt Santa Cruz den Nachtisch. Die Kupplung schleift schon genüsslich rauchend am Berg hinter uns her, während wir noch sinnloserweise versuchen im direkt angrenzenden San Christobál de Laguna einen Ausweg aus dem Einbahnstraßengewirr zu finden und dabei doch nur durch die immer gleiche Kupplungswolke fahren, nämlich unsere eigene.

 

Güimar-Pyramide                                                                                                Atlas in Güimar                                                                                     Candelaria Kirchplatz

 

Schließlich schaffen wir es zurück nach Santa Cruz und nach Westen aus diesem großstädtischen Alptraum zu entkommen. Und plötzlich sind wir hinter Las America im Urwald des Anaga-Gebirges! Von einem Meter auf den anderen stehen da Bäume statt Häusern und es geht schleichenderweise in teils 240°-Serpentinen den Bergwald hinauf. Der Aussichtspunkt Cruz del Carmen zieht vorbei und auch Pico del Inglés wird von uns ausgiebiegst fotografiert. Dort treffe ich doch tatsächlich auf eine mutmaßliche Studentin, die für den Nationalpark Freizeitforschung betreibt und Umfragen zur Zufriedenheit der Touristen veranstaltet. Weil ich in letzter Zeit genau das in deutschen Gefilden durchgeführt hatte, gebe ich ihr aus Solidarität 7,24 Minuten meiner kostbaren Touristenzeit und beantworte ihre sehnsüchtigen Fragen. Doch auch sie kann mir wiederum nicht beantworten, weshalb der Stausee im Tal drunten derart veralgt (eutrophiert) ist, denn immerhin müsste sich dort reinstes Anaga-Quellwasser sammeln.

So drehen wir dem turbulenten Großstadtteil der Insel mit dem Teide am Horizont den Rücken und wenden uns dem ruhigen, natürlichen Lorbeerurwald zu, auch wenn es invasiven Eukalyptus gibt, wie er fast überall mittlerweile in Südeuropa anzutreffen ist. Hier macht das Fahren noch Spaß, wo man die Erfindung der Servolenkung preist, wenn die Gänge sekündlich wechseln und man wieder lernt, wozu es Bremsen gibt. Das Ende der Insel naht und mit ihm die engen Straßen. Zunehmend weniger Autos begegnen uns, es dunkelt und die Wolken schieben sich in Waldrandhöhe über die Insel. Taganana wird unten am Hang sichtbar, doch das ist zu weit für heute. Für die 12 km Strecke bis zum äußersten Ende der Straße in Charmorga brauchen wir schon eine halbe Stunde. Zurück dauert es nochmal so lang und als wir über das südliche Tal in die Trockenheit von San Andrés hinunter rollen, ist es schon fast Nacht. Die restlichen 90 km zurück sind dagegen in einer Stunde über die Autobahn erledigt.

 

Anaga-Gebirge

Donnerstag

Nun endlich der Höhepunkt Teneriffas: der Teide! Nachdem wir ihn in den vergangenen Tagen mehrere Male von allen Seiten begutachtet haben, wagen wir es in den Krater hinauf. Angeblich bezeichnet sein Name in der Sprache der Ureinwohner die „Hölle“, wie es schließlich auch der Natur eines Vulkans zu entsprechen hat – zumal dieser Vulkan der angeblich zweithöchste Berg der Welt sein soll, wenn man seinen Fuß vom Meeresgrund aus misst.

Der Aufstieg gleicht einer Prüfung und zieht darum zahlreiche Abenteurer an: welche mit Fahrrädern, die ihre Kondition prüfen wollen; welche mit Quads oder Buggys, die eine neue Fortbewegungsart und durch ihre lahme Geschwindigkeit aller anderen Nerven prüfen wollen; und welche mit Autos, die wie wir prüfen wollen, ob die Motoren es überhaupt den Berg hinauf schaffen.

Wie schon am Ätna wachsen hier aus den Lawinenfeldern meist nur anspruchslose Kiefern aus dem Stein. Man könnte meinen, sie seien ebenso ehern wie ihr Untergrund. Für uns allerdings bringt die Höhe eine deutliche Temperaturerleichterung, so dass wir diese wüste Landschaft zu schätzen lernen.

Schon Tage zuvor mussten wir die Tickets für die Seilbahn hinauf buchen und die Hürden der Kreditkartenannahme und Online-Bezahlung ließen uns bald daran verzweifeln. Doch schließlich schafften wir es, überließen die Buchung ganz einfach dem Hotel und bestaunen nun die Grand-Canyon-artige Calderaformation des atlantischen Teide.

 

Der Teide

Die 15 km lange Kraterlandschaft ändert sich von Minute zu Minute durch neue Blickwinkel und einen anderen Sonnenstand in Farbtönen von gleißendem Schwefelgelb, über Ocker, verschiedensten Brauns bis hin zu Eisenrot, im Hintergrund mit dem tiefen Himmelblau, weißen Wolken und seltener, grüner Strauchvegetation konstrastierend. Bei all dem wüstenartigen Fels und ausladendem Platz wundert man sich allerdings, warum ausgerechnet die Parkplätze für die Seilbahn so spärlich ausgefallen sind. Denn beim Suchen nach einem Abstellplatz verfahren wir wahrscheinlich mehr Benzin als wir für die Fahrt zum Krater brauchten! An der Seilbahn dauert es trotz Reservierung auch noch einmal eine dreiviertel Stunde, bevor es endlich hinauf geht, in die 3600 m Höhe, die einem schon einmal die Luft zum Atmen entzieht. Nur wer sich vorher angemeldet hat, darf von hier noch einmal ein paar hundert Meter hinauf, zum rauchenden Gipfelkrater.

Der Rest des Kraters wartet auf mit scharfen Felskanten, abwechselnd dunkler und heller Lava, die von oben gesehen in verschiedenen Schichten und Altern erstarrt ist und selbst eine Sandwüste taucht nach einer Kurve auf. Die neu gebauten Straßen führen oft erbarmungslos geradeaus und teils ohne Leitplanke durch diese Marslandschaft und erst am Ende finden wir neben ersten Bäumen und einem kleinen Dorf noch im Vulkankrater auch wieder eine Abzweigung. Wir entscheiden uns zum Observatorium zu fahren und den Teide noch einmal aus der näheren Ferne zu bestaunen, müssen aber bald schon wieder umdrehen, weil das Militär am Ende der Straße Station gemacht hat.

 

Teide-Kraterwüste                                                Straße ins All (zum Observatorium)                                                                                                                Orotava-Tal

Aus dem Nationalpark des Teide geht es hinaus in die freie Natur – in die Kiefernwälder Teneriffas auf dem Bergrücken über dem Orotavatal. Von hier hat man einen der besten Rundumblicke über die Insel und es gibt nur eine Handvoll Touristen, die wie wir nicht den ganzen Tag am Strand herumhängen wollen. Die Jagd nach Piniensamen fällt allerdings ernüchternd aus: nur ein einziger Zapfen ist im Wald um den Aussichtspunkt zu finden. Anscheinend waren trotzdem noch genügend Touristen hier oben und hatten die gleiche Idee. Aus Trotz stürzen wir uns abends erst recht ins Getümmel und ziehen uns die volle Dröhnung Partyleben von Las Americas rein. Sicher, ein buntes Farbenspiel ist das schon, aber wenn man umsonst im Hotel Cocktails schlürfen kann, wieso sollte man dann auf der Straße abhängen? Und nicht nur alkoholische Unterhaltung bietet die all-inclusive-Heimstätte: Denn man könnte den ganzen Tag auf dem Gelände verbringen und nicht wenige machen das auch – früh nach dem Morgenbuffet (gerne auch mit Speck und fettigen Würstchen im britischen Stil) die Poolliegen besetzen und darauf die nicht mehr ganz taufrische Haut so richtig kross braten, mittags ein paar Meter rein zur zweiten Mahlzeit, nachmittags zum Strand über die Straße und abends nach dem ausgiebigen Abendmahl von den Alleinunterhaltern bespaßt werden. Das zwei Wochen lang und ich lechze schon am ersten Tag wieder nach Büroarbeit!

 

Freitag:

Zumal wir früh raus müssen, denn eine Jeepsafari auf La Gomera steht heute an. Wir haben nun doch eines der Programme aus dem Reiseleiter-Repertoire gebucht und stehen am Abfahrtspunkt bereit. Schließlich werden wir sogar pünktlich abgeholt, auf die Reservesitze eines Toyota-Geländewagens verfrachtet und zum Treffpunkt gekarrt. Dort warten weitere Toyotas und ebenso viele Land Rover auf weitere Reisegruppen verschiedener Sprachen auf ihre Abholung und wir hoffen zumindest den Land Rover zu bekommen, wo nicht vier Leute auf zwei Reserve-Sitze quer zu Fahrtrichtung auf dem Kofferraum gequetscht werden, sondern normal sitzen können. Diese Hoffnung wird nun leider nicht erfüllt, zumindest nicht für mich und so heißt es die nächsten acht Stunden Beine einziehen und in Hockstellung gehen.

Die Überfahrt nach La Gomera mit dem Fähren-Katamaran ist in einer knappen Stunde erledigt. Zu den Haltepunkten finden wir uns bei unserem deutschsprachigen Erzähler Antonio ein und lassen uns die Insel erklären. Die meiste Zeit aber sitze ich zwischen einer französischen Familie und einer deutschen Baumarktangestellten. Letztere sucht verzweifelt nach Gesprächsstoff und quatscht mich die ganze Zeit voll, wie toll es doch auf Teneriffa ist, wie schön die natürlichen Lorbeer- und Eukalyptuswälder (!) sind, wie oft sie schon hier war und wie ein Paar, das nie an einen Ort zweimal fahre, zu ihr meinte, dass es aber nach Teneriffa noch einmal kommen müsse. Die Touristenwerbung könnte nicht nerviger sein, aber als sie im Laufe des Tages mein begrenztes Interesse an ihren Ausführungen langsam bemerkt, ergreift sie die Gelegenheit den Platz zu wechseln, welchen die französischen Familienmutter eigentlich mir angeboten hatte und beginnt den Fahrer voll zu quatschen. Zuerst versucht nun die Französin mit mir aus Höflichkeit ein Gespräch anzufangen, merkt aber recht schnell, dass sie nicht verstanden wird und widmet sich dem Rest ihrer neben mir zusammengekauerten Familie.

 

La Gomera

Was die Natur angeht ist es hier in den höheren Lagen noch grüner als noch auf Teneriffa und so erscheint mir der Gradient von den östlichen Kanaren Lanzarote und Fuerteventura zu den westlichen über Teneriffa, La Gomera und El Hierro bis schließlich La Palma immer regenreicher zu werden. Die Bananenplantagen sind einer der Kulturhöhepunkte, die uralten Lorbeerwälder die Naturhöhepunkte der Insel, die einst wohl schon Humboldt auf dem Weg nach Südamerika zu seiner berühmten These der allverbundenen Natur und der Biogeographie bzw. Geobotanik angestiftet haben soll – also der Erkenntnis, dass Pflanzen sich an die Klimaverhältnisse anpassen und die gleichen Merkmale zum Überleben ausprägen, egal ob weiter im Norden oder weiter oben auf dem Berg gelegen. Da es trotz allem relativ wenig regnet, müssen viele Pflanzen ihren Wasserbedarf durch den häufigen Nebel aus der Luft decken. Daher sieht man auch erst ab einer gewissen Höhe eine reichhaltige Vegetation und Wälder, während in Mitteleuropa der Wald vor allem in den Tälern wächst.

 

Einmal natürlich muss man auf einer solchen pauschalen All-inclusive-Reise auch wie ein richtiger Strandtourist fühlen und deshalb werfe ich mir - zurück auf Teneriffa - im Sonnenuntergang das Handtuch über die nackte Schulter, schlendere die fünfzig Meter rüber zum Strand, lasse das Handtuch fallen, springe in das sehr salzige, eutrophierte Atlantikwasser hinein, schwimme bis zum Ende der Badebojen, drehe um, hebe mein Handtuch wieder auf, trockne mich ab, entdecke die Dusche auf dem Weg zurück, laufe darunter durch, trockne mich im Gehen noch einmal ab und verschwinde rechtzeitig zum Sonnenuntergangsfoto wieder auf dem Zimmer. So viel zum Strandtouristenleben, das muss reichen.

 

Sonnabend / Samstag:

Und … noch … einmal Masca, weil‘s so schön war! Auf dem Weg zum Nordteil der Insel kommt man fast zwangsläufig in der berühmten Schlucht vorbei. Eigentlich wollen wir eine Walbesichtigungstour buchen, aber als wir so auf der Fahrt überlegen, kommt uns das drei bis fünf Stunden dauernde Herumgeschippere auf einem Kahn ohne Schatten doch ein wenig heiß vor, für so ein paar Flossenviecher. Und weil die Straße zum Leuchtturm von Faro punta de Teno geschlossen ist, haben wir plötzlich viel Zeit – richtig ungewohnt!

Allerdings wird das nicht lange so bleiben. Denn die Nordwestküste fordert unsere ganze Aufmerksamkeit: Hier locken felsige, schwarze Lavaküsten und wetteifern mit den bunten Häusern der Buchtenortschaften wie Garachico um den schönsten Kontrast; hier zeigen noch alte Stadtkerne ihre frühere, mediterranen Herkunft; hier steht der imposante, tausendjährige Drachenbaum – auch wenn er zu Vermarktungszwecken eingezäunt ist, wie so oft allerdings von außerhalb sowieso besser bestaunt werden kann als wenn man direkt davor steht; hier findet man auch feudal anmutende Bananenplantagen-Haciendas. Und so kommt fast Urlaubsstimmung auf, wenn man in der brütenden Hitze einer subtropischen Insel durch die Altstadt shoppt, die Badenden die einzigen Steinstrände und natürlichen Pools gemeinsam mit den Anglern zur Erfrischung nutzen, wenn es an jeder Straßenecke italienisches Eis und ausgewanderte, deutsche Handwerker gibt und schließlich als eine Rockband „Satisfaction“ von den Stones spielt. Da freut einen beinahe sogar die verzweifelte Jagd nach einem Parkplatz in der staubewährten Stadt und die Flüche über die erbärmliche Demse (Achtung: Thüringisch für stehende Hitze!) machen fast schon wieder Spaß.

 

Garachico                                                                                                                       Bananenplantagen-Hacienda                          1000-jähriger Drachenbaum (Icod)

Nur muss man den Weg vom Norden auch wieder zurück! Und auf einer Vulkaninsel mit dem Berg in der Mitte bedeutet das bis zum anderen Ende außen herum zu fahren – also wieder durch Masca durch? Nein, direkt durch den Vulkan, zumindest den Krater. Das wolkenverhangene Orotava-Tal lässt die Fahrt zu einer Herausforderung im Nebel werden, dafür bekommt man auf 2000 Meter Höhe einen erstaunlichen Blick über die Wolkendecke und erhält einen Eindruck davon, dass Wolken wie Wasser an die Berge anbranden können.

Der Krater des Teide erscheint dagegen seltsam einsam. Im Gegensatz zum warmen Farbenspiel des Tages breitet sich nun eine braune und kalte Einöde aus. Die Temperaturen fallen zusehends und immer mehr kommt die Stimmung des Wilden Westens auf.

 

Orotava-Tal und Teide-Krater

Sonntag:

Noch einmal lockt der Norden, fort von der Sonne und der Hitze im Süden, um doch noch einmal das Taganana-Tal entlang zu fahren. Und tatsächlich fahren wir auf dem auslaufenden Grat des Teide bestetig im Nebel dahin, bis zum Punta del Hidalgo, einer Lava-Landzungeam Ende der Insel. Dort scheinen der wahren Teneriffianer Urlaub zu machen: an einer rauen Küste schlagen sie ihre Campingbusse auf und wer keinen Platz mehr fand, zeltet eben auf dem Dach der Campingbusse. Als wie das beste Hotel am Platz auf exponierter Lage direkt an der Brandung zum Essen besichtigen, können wir das Campingverhalten nachvollziehen, denn das Hotel hat die besten Tage schon lange hinter sich gelassen und man kann erkennen, wie stark das Salzwasser, der Wind und der Regen sogar Stahlbeton mit der Zeit zersetzen.

 

Punta del Hidalgo

Hatte ich die kurvenreiche Straße des Anaga-Gebirges letzten Mittwoch gemocht, verfluche ich es nun im Nebel fahren zu müssen. Erst weit im Taganana-Tal unten lichtet es sich wieder auf. Hier wird man auch der alten, verlassenen Weinberge gewahr, die den so berühmten kanarischen Wein erahnen lassen.

Auch hier endet wieder einmal die Straße hinter dem Dorf Taganana und wird noch zuvor derart eng, dass wir kaum noch wenden können. Am Parkplatz auf der Steilküste gibt es auch kein Geländer mehr und wenn man das Auto ungünstig abstellt und den falschen Gang einlegt, hat mein eine neue Sportart erfunden: Mountain-Car-Downhill.

 Immerhin die Weinverladung am Ufer unten ist eindrücklich geschildert und man kann die Strapazen der Weinhändler nachvollziehen, wenn sie die schweren Fässer aus den in den Fels geschlagenen Kellern durch die Riffe navigieren mussten.

 

Taganana

Nach so viel Nebel müssen wir doch mal wieder Sonne sehen und überqueren ein letzten Mal das verhangene Anaga-Gebirge hinunter zum Strand von San Andrés, dem angeblich schönsten der Insel, wo wir die Einheimischen an ihrem geliebten Sonntag im Sand braten sehen können. Mit den Palmen am Strand sieht es hier fast aus wie in der Karibik, auch wenn die Bohrinseln und Tankschiffe ein paar hundert Meter weiter auf dem Wasser die Idylle etwas stören. Wir fahren noch ein Stück weiter, in Richtung Igueste de San Andrés, um den Blick vom Berg hinunter zu haben: auf der einen Seite den bevölkerten Strand, auf der anderen die Steilküste nach Igueste, und zwischendrin die Bohrinseln im Wasser und oben auf dem Felsen Ruinen von illegal gebauten Häusern, auf denen der Unmut der Bevölkerung mit Graffiti und Gedenktafeln über die Bohrinseln zum Ausdruck gebracht wird. Der Kontrast zwischen Ferien und Schwerindustrie, von herrlicher Landschaft und stinkend Urin-Ruinen, in den Jugendliche des Nachts wohl nicht nur Alkohol trinken, bringt hier die heutige Gesellschaft auf den Punkt.

 

Strand von San Andres

Montag (Abreise):

Nun haben wir alles durch, was wir anschauen wollten – so viel zu „Jeder kommt noch mal her.“ Pah! Wahlbeobachtung oder U-Bootfahren standen noch aus. Hm, oder doch noch mal in die Höhle des Löwen, also die Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife? Bei der Hitze durch die Innenstadt stiefeln und danach verschwitzt ins Flugzeug steigen? In die Unmöglichkeit einer Parkplatzsuche eintauchen und die stinkenden Abgase einatmen? Die Hektik der shoppenden Touristen und die Geschäftigkeit der Einwohner miterleben und riskieren beklaut zu werden? Tja, wenn sonst nichts bleibt, dann mach mer‘s halt! Väterchen murrt zwar, aber eine bessere Idee hat er auch nicht.

Die Tankstelle in Form einer Moschee mit spitzen Minarettandeutungen lassen wir auf diesem Weg nach Santa Cruz nicht unbesichtigt. Und dann taucht doch noch die Großstadt auf, erkennbar an den vielfältigen Autobahnabzweigungen und verworrenen Straßenführungssystemen. Wie eine der vielen Lavafelder schieben sich die Hochhäuser vom Teiderücken hinunter zum Ozean. Wie durch ein Wunder finden wir mitten in den Straßen einen völlig freien Parkplatz und frei heißt hier auch kostenlos, wie es fast überall auf der Insel üblich ist!

Doch auch wenn die Straßen interessant bebaut und bepflanzt sind, hält es sich doch noch am besten im Park auf, denn im Parque Garcia Sanabrina hört man von dem Lärm der Stadt fast nichts mehr. Dennoch ist der Plaza de España mit seinem riesigen Wasserbecken, dem freien Blick auf die Berge, den Kreuzfahrtschiffen und romantischen Bohrinseln im Hintergrund und den Spiegelbildern der Hochhäuser wohl mit am imposantesten, wie schon der gleichnamige Platz in Barcelona.

 

Der Rest ist Geschichte und nicht weiter der Rede wert, deshalb endet an dieser Stelle die Schilderung. Deshalb sei an dieser Stelle unserem Gönner und Mäzen Alex noch einmal für diese Reise gedankt, gerade weil er sie selbst nicht antreten konnte!

 

Sicher, wir haben nicht alles gesehen, aber alles Sehenswerte. Und weil immer noch etwas übrig bleibt, hier noch ein paar Endeindrücke: