Der Trank
Wenn Seele oder Körper kränkeln
hol' ich den Topfe aus dem Schrank,
häng' ihn auf an seinen Henkeln,
pack' die Bücher auf die Bank
und den Wetterfrosch an seinen Schenkeln,
putz' die Arbeitsfläche blank,
schnür' fest die Stiefel mit den Senkeln.
Denn wenn die Kräfte erst entfesselt,
und das Gebrodel deftig kesselt,
zeigt sich dann das wahre Wesen:
Stur und bockig, wild und edel.
Sogar des Zauberlehrlings Besen
wird da verängstigt zum Staubwedel.
Zwei Schwestern sind’s, so nennt man sie:
Alchemie und Pharmazie.
Sie bestrafen jeden Fehltritt!
Darum achte wohl auf jeden Schritt.
Wenn auch nur ein Teilchen fehle
verwirkt der Kranke seine Seele.
Drum entfaltet sich das Elixier
durch diese Vorschrift nun vor dir.
Sei aufmerksam und höre,
wie man die Lebensgeister weckt
was die Dämonen verschreckt,
wie ich die Energie beschwöre,
und den Tode bei der Arbeit störe.
So lese ich das Heilrezept:
» Das Antisept.
Vorweg lest Paracelsus’ Schrift:
‚Nicht zu wenig und nicht viel.
Denn die Dosis macht das Gift!’
Seit jeher ein gewagtes Spiel.
Füge bei das Kraut, die Blüte
Früchte, Blätter oder Wurz.
Doch schau vorher auf der Pflanzen Güte!
und warte nicht zu lang, nur kurz.
Denn Frische ist meist das Gebot,
denn frisch ist meistens auch die Not.
Bei allgemeinem Nasenlaufen,
Husten, Fieber, Schwäche, Schmerzen
kannst du getrost mit reinem Herzen
diese Mittelchen verkaufen:
So ist der heilkundige Wille,
es hilft unbedingt stets die Kamille.
Und eines wisse:
wohl tut außerdem Melisse.
Sei versichert, dass ich nicht scherze:
wichtig ist die Königskerze.
Statt so manchem Kräuterplunder
nimm lieber etwas mehr Holunder.
Zwar juckt’s gehörig in der Kutte,
aber der Tee aus Hagebutte
kuriert so gut wie Blüten der Linde,
und beides schmeckt, so wie ich finde.
Geht’s jedoch um Darm und Magen
nimm Fenchel, Kümmel und Anis;
auch Koriander bringt Wohlbehagen –
doch eins davon schmeckt meistens fies!
Was dich dann wieder wohl erbaut,
ist ein Schuss Johanniskraut
den ich für die Seele empfehle.
Zwar kann das auch der holde Hopfen,
doch von dem Gasthaus-Gebräu
nimm bitte nur ganz wenig Tropfen,
denn trägt es mehr zum Siechtum bei.
Schon lange in der Kräuterkunde
tun wir Ringelblumen auf die Wunde.
Wenn du keine Kamille findest
und dich durch alle Wiesen schindest
schaue doch einmal zumindest
auch am Rand auf deinen Wegen,
dort steht oft ein wahrer Segen:
Plantago lanceolata,
oder im Gebirge oben Arnica.
All das ist keine Hexerei,
selbst Thymian und auch Salbei.
Und hast du schlimme Scheißerei
macht dich Leinsamen davon frei.
Wie das Feuer unterm Kessel
verbrennt das Leid auch Brennnessel.
Nun rühre so, wie man es kennt,
misch alles wie gewohnt bei Tisch,
wo man es dann sogleich verbrennt… «
Da fehlt ein Stück vom Pergament.
So kommt es dann, dass unvollendet
der Trank, die Salbe oder nur der Rat
die Gesundheit des Patienten schändet -
das Ende jeder guten Tat!
Und stirbt dann doch mal einer eher,
beschuldigt man den Pillendreher
Der Quacksalber hat es getan!
Doch mischt er nur die Tränke an.
Eine allein fuhrwerkt am Patientenleib,
sie ist des Apothekers Weib.
Keine Frau und keine Dame,
trägt daran Schuld, doch hier ihr Name:
Diese „Natur“, so schrecklich weibisch -
Ah, ich weiß: es fehlt noch Eibisch!
Bei Schwermut oder Körperleiden
Brau' ich den Trank für euch mit Freuden.
Nur der Natur zolle Tribut und Dank
für deinen segensreichen Heilungstrank.
Und haut das alles auch nicht hin,
so bleibt am Schluss noch Aspirin!