Italien – Der Klassiker wie in den 1960ern

 

Italien ist das Sehnsuchtsland der Deutschen. Nicht erst seit Goethe, der es vor allem im 18. Jahrhundert intensiv bereiste und von der vergangenen Antike schwärmte. Schon zuvor gehörte es im Mittelalter viele Jahrhunderte größtenteils bis Sizilien zum „Heiligen Römische Reich deutscher Nation“. Die Römer selbst haben sich an Germanien dagegen einst die Zähne ausgebissen und kamen gerade einmal bis zur Donau und zum Rhein. Doch seit dem Ende des zweiten Weltkriegs (in welchem Mussolinis Italien mit Hitler-Deutschland verbündet war) und noch intensiver seit dem Mauerfall schlagen die Deutschen zurück und übervölkern das Land allsommerlich mit Touristenströmen. Darauf haben sich die Italiener eingestellt, Deutsch gelernt, sind zu großer Zahl nach Deutschland als Gastarbeiter ausgewandert und haben ihre Kulinarischen Ergüsse mitgebracht, sodass „der Italiener“ hierzulande vorrangig für mediterrane Küche steht und italienisches Eis als das beste überhaupt gilt. Die Sehnsucht nach der Heimat und dem sonnigen Süden haben die Italiener aber auch auf die Deutschen übertragen und so das Feuer des Fernwehs in uns geschürt. Diesem Rauch vergangener Tage sind wir also gefolgt und fanden auch tatsächlich noch eine intensive Glut der südländischen Lebensweise vor.

 

Insbesondere die Toskana ist der Deutschen liebstes Urlaubsziel. Vielleicht, weil es uns mit seinen grünen Hügeln, den einsamen Landvillen und den zypressengesäumten Straßen an Deutschland erinnert, nur wärmer und sonniger ist? Jedenfalls wollten wir vor allem wegen der Städte dorthin, allen voran: Florenz.

Um dorthin zu gelangen gibt es drei Hauptwege:

       1. das Flugzeug, was am schnellsten und günstigsten ist, aber aufgrund von Klimaschädigung und der noch immer anhaltenden Corona-Pandemie ungeeignet erschien; der Nachtreisezug, welcher durch Bahnstreiks, sehr teure Ticketpreise und ebenfalls die Corona-Pandemie in einem Sechserabteil nicht als günstig erschien;

         2. und auch der Autoreisezug mittlerweile praktisch eingestellt wurde;

        3. und schließlich noch das eigene Auto, welches insgesamt noch am sichersten und günstigsten schien, selbst wenn es Kraftstoff verbraucht und man lange fährt.

 

Toskana-Route
Toskana-Route

 

Gut ist es deshalb, wenn man Freunde in München hat (Ralf), bei welchen man übernachten kann, bevor es über den Brenner in den Süden geht. Hier waren wir nun das erste Mal an vergangene Reisen früherer Generationen erinnert, von denen ich nur aus Erzählungen wusste, wenn sich Automassen über den Brennerpass auf immerhin fast 1.400 m Höhe schoben. Wie früher bildeten sich auch bei uns Staus, lagen Autos am Straßenrand, weil sie den Berg anscheinend nicht mehr schafften und wurde es schnell wärmer, sobald wir auf der italienischen Seite wieder nach unten fuhren. Daher soll die nachfolgende Beschreibung eine Reminiszenz der ersten Urlauber nach dem (2. Welt-) Krieg sein, wodurch vor allem mit dem aufkommenden Wohlstand ab den 60er Jahren das südländische Reisen enorm zunahm.

 

Riva del Garda

Dort begegnen wir fast nur Deutschen, die zwar in den sonnigen Süden wollen, aber nicht bereit dazu sind, allzu weit fahren zu müssen. Die durchweg großen, neuesten Karossen auf den Straßen, sowie die Feierwilligen an der Promenade fallen besonders auf. Als Mallorca noch eine einfache Baleareninsel war, ließen sich hier deutsche Touristen vermutlich schon intensiv feiern – wobei allerdings die ersten Touristen nach dem Krieg noch der wohlhabenderen und konservativen Art angehört haben dürften. Die Kraftfahrschlange von der Autostraße reicht schließlich bis zum Gardasee und erschwert erheblich das Vorankommen.

 

Riva del Garda
Riva del Garda

 

Der Gardasee selbst liegt schmal in den südlichen Alpenausläufern und lässt lediglich eine schmale Fahrstraße zu. Diese ist entsprechend dicht mit Autos, Motorrädern, Fahrrädern und Fußgängern bevölkert, so dass es nur schleppend voran geht. Das hindert Italiener freilich nicht daran in allen unmöglichen Situationen zu überholen, wenn man die Geschwindigkeitsbeschränkung mal einhält oder weil es einfach nicht schneller voran geht. Insbesondere Mopedfahrer glauben keine Regeln kennen zu müssen und fahren todesmutig links wie rechts gleichzeitig (!) an den Autos vorbei, meistens auch auf der Gegenspur, während die entgegenkommenden Autos eben ausweichen müssen! Diese Art Verkehrsverhältnisse waren es, welche mich ursprünglich davon abhielten mit dem Auto jemals nach Italien zu fahren. Aber nun werfe ich meine Prinzipien über Bord und bereue es auch sofort und andauernd wieder.

 

Gardasee
Gardasee

 

Montecatini Terme (it. „Terme“ = dt. „Bad“)

In dem ruhigen Städtchen Montecatini (Terme) soll unsere Italienreise also richtig beginnen. Strategisch günstig gelegen zwischen den alten Städten Pisa, Florenz und Siena sowie mit Zuganbindung bildet dieser Ort die perfekte Ausgangsbasis für Tagestouren. Doch auch die Umgebung selbst ist ansehnlich, bietet das alte Castello über der alten Therme doch einen herrlichen Ausblick über die Umgebung bis hin zu den Bergen Pisas.

In einem Ort voller Hotels ist auch unseres von edler Ausstattung, mit granitenen Treppenstufen, dreieinhalb Meter hohen Wänden in den Zimmern und teurem Abendessen. Teuer ist es zwar auch im Gartenrestaurant „La Cascina“ um die Ecke, aber für den Spargel, Lachs und gutes Rinderfilet von insgesamt sehr guter Qualität sowie für den Pisco Sour, wie man ihn sonst nur aus Südamerika kennt, finde ich die Preise wiederum angemessen. Allein, es irritiert uns die ausschließliche Möglichkeit der Bestellung per mobilem Telefon, weil lediglich ein QR-Code-Muster auf der Speisekarte abgedruckt ist! Wie neumodisch, beinahe Science-Fiction mutet es an. Und unpraktisch, wenn der Akku dieser modernen Geräte alle ist.

Insbesondere das Eis einer bestimmten und teuer erscheinenden Diele (der örtlichen Schokolatterie) verdient dagegen den ersten Eispreis, obwohl es gerade preislich der Konkurrenz mit 1,50 Kostenpunkten deutlich den Angeboten der restlichen Verkäufer unterliegt.

Montecatini Terme – Ausblick und ein herzlich geschlossenes Corona-Hotel
Montecatini Terme – Ausblick und ein herzlich geschlossenes Corona-Hotel

 

Ah, Firenze! (Florenz)

Schon früh (um 10:00 Uhr) staut es sich an den Toren von Florenz, staut sich durch Touristen. Und fast alle wollen in die Kathedrale, dem Zentrum und Anziehungspunkt der Stadt schlechthin. Entsprechend lang stehen die Massen vor der überdimensionalen Kirche, was uns dazu bewegt es ihnen nicht gleich zu tun. Lediglich der Glockenturm wartet mit weniger Wartezeit auf und bietet gleichzeitig einen wunderbaren Blick auf die Stadt und die Umgebung. Hier kommen wir auch zum ersten Mal in Berührung mit dem „Green Pass“, dem Visum in Coronazeiten. Denn was früher das Visum für Auslandsreisen in ferne Gefilde, dann der Reisepass für Länder mit verbesserten Einreisebedingungen und seit der EU lediglich der Ausweis ist, stellt seit der Pandemie der Impfpass dar, in Italien eben Green Pass genannt. So vieles hat sich also seit den 60ern nicht geändert. Allerdings lässt sich dank moderner Technik das Warten erheblich verkürzen, wenn man das Billet nämlich einfach im internationalen Netz bucht, statt auch noch an der Schlange für den Ticketverkauf anzustehen.

Dafür stehen wir dann am Park an, weil wir eigentlich nur durch etwas grünen Schatten schlendern wollten. Ahnt ja keiner, dass dafür satte 10 Großmünzen pro Person nötig sind, ein Berg erklommen werden muss und der Ausgang schließlich auch noch gesperrt ist. Doch der Blick über die Stadt ist es fast schon wieder wert.

 

Florenz – Dom; Stadt, Land, Fluss (Arno); Dächer und Straßen; Brücken und Gassen, Menschen und Massen; Panorama am Piazza delle Signoria

 

Toskana bis Siena

Die eigentliche Toskana beginnt anscheinend südlich von Siena, daher müssen wir mit dem eher untypischeren Norden Vorlieb nehmen. Immerhin fährt es sich ruhig. Denn nur wenige Motorwagen passieren diese schmale Strecke. Daher nehmen wir uns tatsächlich einmal etwas Zeit zum Schauen und um die Landschaft auf das eine oder andere Foto zu bannen. Weinlokal an Weinlokal reiht sich hier in den winzigsten und oft historisch erhaltenen Ortschaften. Aber auch einfache Bistros und Restaurants bieten einen annehmbaren Mittagstisch.

 

Toskana und historische Dörfer

 

Doch der Weg ist ja nur das Ziel – oder so ähnlich. Deshalb bildet Siena die eigentliche Wegmarke dieses Ausflugs. Zwischen, zu dieser Jahreszeit noch immer grünen Hügeln gelegen, bildet diese Stadt das kulturelle Zentrum der Toskana. Versteckt im Hinterland finden wir hier auch die kulinarischen Spezialitäten wie das Panforte (Gewürzkuchen), Cantucci (Biskuit-Keks), Panpepato (Kuchen), Cavallucci (Rustikaler Keks) oder Ricciarelli (Mandelkeks) in den typischen Bäckereien.

Historisch steckt die wohl besterhaltene Stadt der Toskana mit seinen langen, engen Straßen voll mit romanischen und Renaissancebauten. Noch drangen nicht übermäßig viele Urlaubsreisende nach dem Krieg bis hier her vor. Aber sobald sich wieder mehr Menschen Urlaube leisten können, wird dieser Ort einer der wesentlichen Anlaufpunkte sein. Spätestens zur Jahrhundertwende wird man nicht mehr wohin wissen, mit den Füßen.

 

 

Die schiefe Stadt: Pisa

Weithin sichtbar schieft der Turm und das gesamte Domplatzgelände in Pisa den Blick ins rechte Licht. Die Umgebung in der Ebene überragend kommt man nicht umhin die weißen, reichverzierten und von unzähligen Säulen getragenen Fassaden zu inspizieren. Außer einem Bilckfang bietet der Turm schließlich jedoch keinen Nutzen, zeigt er sich innen doch hohl und ohne Zweck. Lediglich die Glocken auf seiner obersten Etage können noch als Widerlager gegen das seit dem Mittelalter gegenwärtig anhaltende weitere Wanken der gesamten Kirche zählen. So wurde der Schiefe Turm von Pisa also zum Symbol der Christen, welche sich angesichts der weitreichenden Skandale, Konkurrenz weiterer Religionen und der zunehmenden Sinnlosigkeit ihrer Institution mittlerweile ebenfalls gegen den Niedergang stemmen.

Dieses Gefühl teilt auch der Kellner der nahegelegenen Pizzeria. Denn schwermütig tritt er zu unserem Tisch heran und fragt mit hyperbelartiger Stimmentwicklung nach unserer Bestellung. Träge und etwas überfordert ob der Kundenfülle im Restaurant bedient er uns und ich bin versucht ihn aus Mitleid zu fragen, was ihm denn fehle. Möglicherweise starb gerade jemand in der Familie, oder er sucht den Sinn seines Daseins, oder erträgt bloß sichtbar seinen Weltschmerz – um sich mit den Deutschen in ihrem schon sprichwörtlichen Jammern zu solidarisieren. Daher beschließe ich ihm wenigstens ein gutes Trinkgeld in die Hand zu drücken, wobei ein klägliches „Danke“ auf Deutsch ertönt, wie aus einer ausgeleierten Musikbox, welches mich wohl auch im Mark erschüttert und mich noch eine Weile, nachdem wir schon weitergezogen sind, grübeln lässt, wie man diese betrübte Gestalt denn bloß hätte aufmuntern können. Aber Geld hilft in diesem Falle nicht, wobei allerdings die Parallele zur schiefstehenden Kirchenlage wieder gezogen wäre.

 

Pisa – Restaurierung und Durchbruch zur Zukunft?

 

Auf dem Weg nach Hause gelangen wir nicht am Fahrkartenautomaten der Bahn vorbei. Modern, wie man hier ist, spricht der blecherne Schalterbeamtenersatz sogar mit den Fahrgästen und warnt vor Taschendieben. Die Lautstärke und Spracheinstellung in unserer Heimatsprache sorgt allerdings erst dafür, dass eben jene Halunken überhaupt aufmerksam werden auf zu holendes Geld. Eine Negerin (alias Schwarze, alias Farbige, alias Afroamerikanierin, alias stark Pigmentierte, alias POC, alias Frau mit Rassismuserfahrung, alias … - was ist eigentlich gerade Mode?) im kurzen Rock aber mit eher männlicher Stimme und Erscheinung nähert sich uns auf leisen Sohlen von hinten an, schnappt sich unversehens das Geld aus dem Fahrkartenautomaten und redet aggressiv laut auf uns ein, während sie / er uns die Hand hinstreckt, in welcher sich (unser?) Kleingeld befindet. Einen Moment lang denke ich, sie habe ihr Geld dort vergessen oder wolle es uns nur wiedergeben und bin im Begriff es zu nehmen, weil ich ihre Sprache - die offensichtlich weder italienisch noch englisch ist) nicht verstehe und deshalb instinktiv zugreife, wenn man mir etwas anbietet. Wir ergreifen dann aber doch lieber Abstand von ihr und als wir uns entfernt haben, geht sie laut gestikulierend zum nächsten Automaten und versucht ihre Masche erneut. Hätten wir ihr Geld gegeben - ob bloß als Spende oder damit sie von uns ablässt - hätte sie vermutlich mehr gewollt und wir hätten öffentlich eingestanden in ihrer Schuld zu stehen, so dass ihre Forderung legitim ausgesehen haben könnte und Zeugen möglicherweise im Nachhinein behaupten hätten, wir stahlen ihr Geld, so dass sie sogar noch mehr Geld verlangt haben können würde. Letztlich haben wir wohl etwa 2 Ersatz-Mark eingebüßt und fragen uns - als gute Deutsche - ob man dies als „Spende“ von der Steuer absetzen kann. Wir beschließen daher nächstes Mal nach einem Raubüberfall eine Quittung zu verlangen, um die Ausgaben beim Finanzamt wenigstens belegen zu können! Wir melden den Vorfall allerdings nur bei einer Bahnangestellten, die zumindest verspricht, es der Polizei weiter zu geben.

Insofern frohlocken wir endlich im Zug zu sitzen und von hier fortzukommen. Pisa jedoch bleibt so unvergesslich.

 

In der alten Toskana-Hauptstadt Lucca

Nach der Erfahrung in Pisa erscheinen uns die Gestalten am Bahnhof naturgemäß verdächtig. Denn auch hier halten sich erstaunlich viele Nordafrikaner auf. Schnellen Schrittes führt unser Weg daher ins Stadtinnere hinter die alte Mauer und in den engen Gassen herum. Schon von fern erkennt und wundert man sich über den mit Steineichen bewachsenen Turm „Guinigi“. Die Umgebung von dort oben zeigt die geschützte Lage zwischen den pisanischen Bergen und dem Apennin. Die Stadt scheint darin ideal gelegen zu sein. Außerdem stellt sie eine weitere Hochburg bester italienischer Speiseeisspeise dar.

 

Luccas Dächer

 

Die richtige Toskana im Apennin-Gebirge

Erstaunlicherweise liegt die Höchstgeschwindigkeit auf der Landstraße hier durchgängig bei 50 km pro Stunde, was man aufgrund der Kurven auch selten überschreiten kann. Gleichzeitig kühlt weniger Fahrtwind das überhitzte Gemüt. Denn hier steigen die Temperaturen auf 30 °C an, selbst im September und in etwa tausend Meter Höhe. Dafür gibt sich die Landschaft wie ausgestorben und nur wenige Menschen besiedeln die Straßen. Über enge Serpentinen hinan und hinab quält sich unser Wagen durch den Wald und führt dafür zu immer besseren Ausblicken. Bis auf dem Pass schließlich ein paar Deutsche und Österreicher mit ihren Ein-Mann-Sitzern (motorbetriebenen Seifenkisten) die Straße hinunter brettern. Freilich wäre es auf der Autostrecke über Bologna schneller gegangen, aber auch langweiliger. Erst ab Forli nimmt die Attraktivität der Landschaft ab und geht bis zu unserem Ziel in Milano Marittima bei Cervia in monotones Flachland über.

 

Im apenninischen Hinterland
Im apenninischen Hinterland

 

Maritimes Mailand – Milano Marittima

Nach der langen Fahrt durch das aufgehitzte apenninische Hinterland begehren wir eine Pause am Wasser oder im Zimmer und eine Dusche. So steigen wir an der angegebenen Adresse unserer gebuchten und nach dem nur wenige Meter entfernt gelegenen Meer benannten Herberge aus, zielsicher zur Anmeldung strebend. (Wenn schon auf solche Art und Weise eingeleitet wird, kann der erfahrene Leser sich denken, dass die Überraschung bald folgt.) An der Rezeption werden wir allerdings mehrmals ungläubig nach unserem Namen gefragt, denn auf der Gästeliste stehen wir offenbar nicht. Der Alptraum jeder Buchung bewahrheitet sich wieder einmal! Schließlich hält man uns vor, wir hätten doch selbst erst letzten Freitag abgesagt – was beim besten Willen nicht sein kann, da wir zu dieser Zeit gerade auf der Brenner-Fernstraße in dieses Land im Stau standen. Doch es ist nichts zu machen und kein Zimmer mehr frei. Wahrscheinlich hat sich eine Reisegruppe kurzfristig eingemietet und dabei erschienen wir einfach weniger wichtig. Nachdem wir uns wenigstens noch eine Bestätigung der Absage geben lassen, trotten wir verärgert von dannen.

Es ist ja nicht das einzige Hotel im Orte! Der Empfehlung an der Rezeption ein 3-sterniges Gästehaus zu versuchen folgen wir allerdings nicht. Denn nicht umsonst achteten wir in Italien stets und strikt darauf mindestens 4 Sterne zu buchen. Die ganze Siedlung scheint nur aus Urlaubs-Unterkünften zu bestehen und gleich gegenüber finden wir schon die Nächste. Der Name erinnert an eine amerikanische Botschaft und gleichzeitig an einen 60er-Jahre-Bau – also im erfrischenden Geschmack der hier beschriebenen Zeit mit entsprechend moderner Einrichtung in Form knallbunter Kunstleder-Sofas im Foyer. Tatsächlich sind auch noch Zimmer frei und der Preis liegt ebenfalls nicht über dem der Pleite von eben.

Grelles Sofa in der Lobby
Grelles Sofa in der Lobby

Gleich nach der Anmeldung und schon auf unserem Zimmer klingelt auch bereits das Telefon: Wir sollen bitte noch einmal zur Rezeption kommen und doch einen anderen Raum beziehen. Unser jetziger sei nämlich als einziger der Etage belegt, was der Putzkolonne erheblichen Aufwand bereiten würde. Also ziehen wir um, das dritte Mal an diesem Tag.

Da wir zuvor kein Abendbrot gebucht und relative Schwierigkeiten hatten welches zu organisieren, bestellen wir nun das Abendessen gleich mit. Doch niemand erzählt uns dabei etwas von einem „Gala-Abend“. Weswegen wir nichts ahnend und völlig unterbekleidet in unserer Straßenklamotte und ohne Platzierungsregeln zu beachten wie in einer amerikanischen Verwechslungskomödie in den Dinerabend mit Pianist und Smoking platzen. Meine grüne Funktionskleidung fällt jedenfalls auf – nicht nur der russischen Oligarchenfamilie. Alle scheinen zu denken: „Ah, der Förster kommt!“ und der Kellner rätselt noch, welche supermodische Trendmarke er wohl in seinen Designer-Magazinen übersehen haben könnte. Entsprechend versucht man uns schnellstmöglich wieder los zu werden. Wir erhalten das Essen dadurch früher als alle anderen und bekommen statt einer Getränkekarte lediglich eine Flasche Wasser hingestellt. Auch das übliche Brot zum Essen - wie sonst in Italien üblich - fällt für uns aus. Dann werden Tintenfischtintennudeln mit Kaviar und halbtoter Gummikuh serviert – zumindest innen trieft das Biest noch vor Blut und erklärt sich außen (absichtlich) kohleschwarz verbrannt. Zu allem Überdruss veranstaltet das Hotel gegenüber eine lärmende Animationsschau mit Poolparty, welche bis in die Nacht andauert, wie es jeden dritten Tag der Fall sein wird. Es handelt sich um eben jenes Hotel, welches uns einst abgewimmelt hatte.

Die nächsten beiden Abende verlaufen recht ähnlich: zwar fehlt nun der Pianist und die übrigen Gäste kleiden sich auch nicht mehr derart wie zuvor, doch rümpft der Kellner schon die Nase, als wir den Speisesaal betreten und fragt mehrmals nach, ob wir auch wirklich reserviert haben. Bis uns schließlich auffällt, dass der Rezeptionistenanwärter wohl vergaß unsere Buchung des Abendessens weiterzugeben. Das halbgare Rindfleisch bessert sich dadurch allerdings auch nicht und blutet unglücklich auf dem Teller weiter vor sich hin. Die Wahl des Diners besteht ohnehin lediglich zwischen „Erd“- und „Meer“-Menü. Für strenge und nicht-pescarisch äsende Vegetarier ist das wohl eine ganz schwierige Entscheidung! Mehr noch ist das Mahl mehr Schein als S(chw)ein. Denn aufwendig mit farbigen Soßen verziert sind zwar die Teller, die Speisen dagegen weisen eher Kantinenniveau auf. Beispielsweise schmeckt das Mahl relativ fad und an einem dieser Abende beschloss man in der Küche wohl aus diesem Grunde alles in Safran zu ertränken. Selbst das Mailänder Schnitzel Wiener Art dünnt dermaßen aus, dass sich glauben ließe es sei vor Wut über unsere Bestellung breitgeklopft oder unter einen adipösen Elefanten gelegt worden.

Malerisches Italien
Malerisches Italien

Immerhin zum Frühstück erblicken wir normale Leute, also Familien mit Kindern, Jugendliche und selbst die piekfeinen Senioren vom Abend erscheinen hier in Schlabberhose. Es fügt sich alles in das 60er-Jahre-Gefühl der Zimmer: gestreifte, bunte Vorhänge, blaue Möbelstücke – ganz schlimm, vor allem wenn man harte Drogen zu sich genommen hat. Vielleicht soll es auch die Rauschmittel ersetzen. Jedenfalls wirkt das gesamte Gebäude zusammen mit der Außenfassade und dem Gala-Diner jeden Sonnabend insgesamt wie das dekadente Kuba kurz vor der castrischen Revolution. Eine Herberge, welche übersetzt das Wort „Botschaft“ in sich trägt, legt diese Assoziation nochmalig äußerst nahe.

Zum Schluss dieser ganzen Übernachtungsfarce überlegen wir den Fluchtweg: Sollte ich lieber schreiend aus dem Fenster springen, unter dem Tisch durchkriechen, in der Hoffnung nicht bemerkt zu werden oder ganz selbstverständlich jedem Gast persönlich für diesen tollen Abend gratulieren und so tun als sei ich ein Angestellter des Hauses, beispielsweise der Gärtner? Wir entscheiden uns für eine andere, altbewährte Methode: die Situation für uns im inneren Kreis selbst lächerlich zu reden und uns unserer Unpassenheit bewusst zu sein, gepaart mit einer übertriebenen Selbstverständlichkeit wie zuhause beim Abendessen zu sitzen, nach außen.

Nach uns wird der Kellner wohl das Zimmer zubetonieren und unsere Zimmernummer aus dem Register streichen. Ich überlege bereits, ob ich - nur um sie zu ärgern und ihre Reaktion zu testen - nach unserer offiziellen Abreise noch einmal zurückzugehen und die aufbrandende Feier über unser Verlassen stören sollte, indem ich sage, es hätte uns so gut gefallen und das Essen so gut geschmeckt, dass wir beschlossen hätten noch eine Woche dran zu hängen. Die zu Stein erstarrten Figuren wären noch Jahrzehnte später in der Lage gewesen ahnungslose Archäologen das Fürchten zu lehren.

 

Ansonsten verleben wir eine doch noch recht erholsame Woche an der Adria, wenn unser Urlaub auch recht selten daraus besteht im Meer oder am Schwimmbecken zu liegen. Lieber suchen wir den grün gewässerten Garten auf, um für ein, zwei Stunden zu lesen oder bloß die mediterrane Sonne auf der Haut zu spüren – und frühzeitig wieder in den Schatten zu wechseln, um das Hautkrebsrisiko nicht unnötig zu erhöhen. Am Ende dieser Woche trüben allerdings starker Wind, Quallen, Algen und kaltes Wasser das Badevergnügen. Da hätten wir letztlich auch an die Ostsee fahren können.

Schließlich entschließen wir uns aufgrund eines ausgewetzten Reifens sogar noch zu einem Radwechsel auf dem sandigen Hotelparkplatz, um einen Reifenplatzer auf der langen Heimstrecke zu vermeiden. Vorsicht ist stets angebracht. Denn schon beim Reifendruckmessen auf einem Rastplatz an der Westküste hatte uns ein neugieriger Italiener mit Telefon am Ohr beobachtet. Bevor er allerdings etwas aus dem Auto stibitzen konnte, schauten wir ihm tief in die Augen, so dass er sich ertappt umdrehte und weiter zu telefonieren vorgab.

 

Ein Mosaik in Ravenna – hätte ja gereicht

Eigentlich hatten wir uns vorgenommen in diesem Urlaub keine ausgiebigen Museumstouren zu veranstalten. Daher zügeln wir uns zurück, als es an die berühmten Mosaike in Ravenna geht. Schon das Anstand gebotene Anstehen an der Kartenkassenschlange läuft diesem Vorsatz zuwider, weshalb wir kurzer Hand im vernetzten Weltsystem buchen und den Rest der Touristen vor uns alleine auf ein späteres Ticket warten lassen. Der Fortschritt schreitet auch an uns nicht vorüber und seine Vorzüge will ich gerne nutzen. Die Stadt selbst kann ein ansehnliches Ensemble mittelalterlicher Bauten aus verschiedenen Epochen vorweisen und eignet sich durchaus für jede Art Schlenderei durch das Zentrum. Das war es dann aber auch schon.

 

Mosaike und Sakrale in Ravenna

 

Die alte und angeblich erste neuzeitliche Republik „San Marino“

Die Anfahrt führt meist vom Osten herein, vom adriatischen Meer, wenn es einen in dieses winzige Land verschlägt. Obwohl es eigentlich nur aus einem Felsen besteht, führt der Weg doch erst einmal durch ein paar Dörfer und dann steil den Berg hinauf. Noch bevor wir oben anlangen pausieren wir für einen Rundumblick auf diese spektakuläre Kulisse. Just trifft uns ein schwäbisches Pärchen, welches uns mit dem Wunsch nach Auskunft einer örtlichen Münzfachgeschäftes oder einer Bank anspricht. Dessen männliches Mitglied glaubt uns erst einmal davon überzeugen zu müssen wie gut seine als ehemaliger Geschäftsmann erworbene Menschenkenntnis ausgeprägt ist und schätzt mich prompt als Lehrer ein, bevor er mit seinem Cabrio zeigt, zu welchem Wohlstand er es mit anscheinend eben jener Menschenkenntnis gebracht hat. Zu dem gewünschten Geld kam er bisher jedoch nicht.

Ursprünglich planten eine ganze Woche auf dem san-marinesischen Bergrücken zu verbringen, was uns durch die eventuell verschärften Pandemie-Maßnahmen bei höheren Inzidenzen jedoch als schwierig erschien. Außerdem ist der Weg zum Meer und ins Umland dann doch recht umständlich, wenn man jeden Tag erst wieder die Serpentinen hinunter und abends wieder rauf fahren muss. Doch dann der Gasthof – welch eine Pracht! Nicht nur die Lage zwischen den anderen alten Gebäuden und die Architektur im mittelalterlichen Stil verschlägt uns den Atem, ja nicht einmal der bloße Ausblick an sich ist grandios anzuschauen: vielmehr das Zimmer im obersten Stockwerk unterm Dach selbst fasziniert. Denn das Bett nimmt es fast gänzlich ein und dennoch überblickt man die unten gelegene Straße wie auch die Berge in der Umgebung dank der üppigen Fensterfront. Selbst aus der Blasenbadewanne nebenan lässt sich des Abends das erleuchtete Land erleben.

Der Höhepunkt im wahrsten Sinn des Wortes ist aber die Dreifaltigkeit der Festungstürme, deren zweie, welche zu besuchen sich anschicken, von uns besucht werden.

 

Das Hotel, das Zimmer, Gassen, provokante Kerze, abstürzender Müll
Das Hotel, das Zimmer, Gassen, provokante Kerze, abstürzender Müll
Piazza della Libertà mit Palazzo Pubblico delle Repubblica di San Marino
Piazza della Libertà mit Palazzo Pubblico delle Repubblica di San Marino
Rimini, Umland und lange Schatten
Rimini, Umland und lange Schatten

 

Des Abends mit einem Bier auf der Terrasse der Herberge stehend und über die nächtlichen, bewaldeten Hügel blickend, während drunten die Menschen essen und feiern, überkommt mich nach langer Zeit tatsächlich mal wieder ein mittelalterlich anmutendes Gefühl, welches die Geselligkeit abendlicher Trinkfeste beinhaltet.

Das Land ist seit der Währungsunion nun auch bekannt für seine seltenen Münzen und beinahe an jeder Straßenecke (im Hauptort auf dem Berge droben) findet sich ein Münzsammlerfachgeschäft. Die Schwaben von vorhin waren eben nur zu ungeduldig bis hier her vorzudringen. Nach ersten Annahmen, dort gegenüber der offiziellen Münzausgabestellte des Kleinstaates ein Schnäppchen machen zu können, wird uns schnell gewahr, mit welch fiesen Tricks diese Spitzbuben arbeiten: beispielsweise fehlt in einem der Jahrgänge die 10-ct-Münze, so dass sich der günstigere Preis in den Geschäften rings um das Münzfachgeschäft erklärt. Auf Nachfrage wird klar: in diesem Jahrgang wurde gar keine solche Münze hergestellt, warum auch immer.

 

Die erste Burg
Die erste Burg
Blick nach Norden
Blick nach Norden
Blick von der zweiten zur ersten Burg
Blick von der zweiten zur ersten Burg

 

Eine weitere Besonderheit des Landes stellt die Steuererleichterung für alles Mögliche dar. Dadurch liegen die Preise meist niedriger als in Italien oder Deutschland. So wundert mich etwa die hohe Dichte an Waffenläden. Ist in San Marino wirklich das Kaufen von Waffen erlaubt? Erst spekulieren wir noch, ob diese Tötungsgeräte vielleicht nur gekauft, aber nicht ausgeführt werden dürfen. Deshalb frage ich in der Touristen-Information nach. Dort allerdings scheint man mich nicht zu verstehen (oder will es nicht). Denn erst nach einiger Zeit gibt man mir zu verstehen, dass es sich lediglich um Soft-Air-Waffen handele und dass hier die Wettbewerbe mit diesen milden Sportwaffen sehr beliebt seien. Tatsächlich entdecke ich auch bei einem normalen Touristenverkaufsstand einige LARP-Schwerter (also Rollenspiel-Gummi-Klingen im Zuge des „Live Action Role Playing“). Wenn die Waffen in den richtigen Geschäften allerdings wirklich nur Soft-Air-Ausgaben sind, sehen sie täuschend echt aus und ich würde einen ihrer Träger nicht von einem Verbrecher auf der Straße unterscheiden können!

Die San Marino Città, also der Hauptort auf dem Felsen, hinterlässt schon am Tage einen sehr sauberen Eindruck, wirkt gepflegt und keinerlei Müllreste sind zu erkennen. Des nachts sollen wir auch erfahren warum: denn Sauberkeit bedeutet hier um 4:00 Uhr nachts bis 7:00 morgens die Straßen zu fegen und Müll abzufahren. Möglicherweise hinterließen einst die Goten diese Marotte oder eines der anderen Völker (auch Etrusker, Römer, Langobarden und allerlei andere trafen sich hier in der Gegend), welche sich an dieser geschichtlich bewegten Stelle um Land stritten.

 

Stadtdächer, das Umland, die zweite und die dritte Burg

San Marino am Abend
San Marino am Abend

 

Die alternative Ökokloake Bologna

Die Spitznamen der beschriebenen Stadt lauten angeblich „La Rossa“, „La Dotta“ oder „La Grassa“ – also „Die Rote“ (wegen der Häuserdächer), „Die Gelehrte“ (wegen der ältesten universitären Einrichtungen) oder „Die Fette“ (wegen der Gourmetküchen). Wir fügen hinzu: „La Sporca“, die Versiffte, weil sie nach Pisse und Scheiße stinkt, die Bettlergilde von hier zu stammen scheint und die linke Studentenbewegung die halbe Stadt graffitiert hat. Die Menschenmassen lassen die Stadt selbst im dichten Regeln wie die europäische Hure Babylon erscheinen.

 

Bologna – Roter Backstein, Arkaden und ewig unfertige Gebäude

Bolognas Farbunterschied - Im Regen und im Sonnenschein
Bolognas Farbunterschied - Im Regen und im Sonnenschein

 

Auch hier gibt sich Vieles unfertig wie in Berlin oder schief wie in Pisa. Es ist eine bewegte Stadt oder eine sich bewegende. Eigentlich hübsch gelegen, am Nordrand des Apennien-Gebirges, vermittelt uns diese Metropole allerdings einen ungemütlichen Eindruck – nicht nur, weil es gerade regnet. Das Gedränge, die Art von Menschen, wie z. B. der Tiefgaragenbesitzer, welcher uns in eine immer dunkler und enger werdende Parkgasse lotsen will sowie die stinkenden Straßen tragen zu unserem Unwohlsein bei. Da helfen leider auch die zahlreichen Arkaden nicht, unter denen man vor dem Regen geschützt wandeln könnte, denn der Boden, von bunten Fließen gesäumt, ist nassglatt und lässt uns die Füße regelmäßig wegrutschen; die engen Gassen lassen kaum Licht durch die Häuser hindurch. Möglicherweise wäre es uns in Florenz ähnlich ergangen. Ähneln sich doch die Städte seitens der Lage und Architektur. Aber woanders hat es eben nicht geregnet oder gestunken und Florenz stand nicht am Ende unserer Reise, als wir das beste schon gesehen hatten – oder fast das beste...

 

Veronas Kulturblüte

Falsche gelbe, und richtige rote Briefkästen
Falsche gelbe, und richtige rote Briefkästen

… denn Verona ist noch einmal ein würdiger Abschluss für eine Italienreise. An der Etsch entlang lässt sich hier erfahren, was früher einmal antike Gladiatoren in der Arena, mittelalterliche Verteidiger der Stadt, später dann Schausteller und neuzeitliche Fußballer und heute allerlei moderne Musikanten von der umjubelnden Menge mitbekommen haben mögen. Ein solches Veranstaltungshaus ist nun einmal vielseitig einsetzbar – und obendrein noch rund! Glücklicherweise ergattern wir den letzten Einlass des Tages, und dabei ist es erst Mittag.

Doch auch in dieser schönen Stadt gibt es Schattenseiten: Nicht nur die engen Gassen liegen kühl vor der Sonne verborgen. Vielmehr werden die Urlauber mit der hübschen Tradition der Ansichtskarte für die Daheimgebliebenen an der Nase herum geführt. Sollen sie doch überteuerte Briefmarken erwerben, um diese in besondere, gelbe Briefkästen zu werfen, die angeblich für den weltweiten Versand bestimmt sind und sich großartigerweise „GPS“ nennen. Wer sich jedoch darauf einlässt und statt den traditionell roten Briefversandgestellen jene Neuartigen in Anspruch nimmt, wird nicht nur verstärkt zur Kasse gebeten, sondern muss auch mit einer deutlich erhöhten Lieferzeit rechnen. Bei GPS geht man wohl davon aus, dass solche Sendungen erst „reifen“ müssen, bevor sie für den Bestimmungsort bereit sind. Leider lässt sich in den allermeisten Läden kaum eine normale Briefmarke erstehen, so dass allein das Postamt selbst dieser kriminellen Machenschaft der Postkarten-Mafia die Stirn bietet.

 

In Verona bei Corona

 

Durch den Etschbogen der Cittadella gelangt man über die Ponte Pietra vorbei zum Castel San Pietro, um am südlichen Auslauf der Alpen den weiten Blick auf die Po-Ebene zu bestaunen, vorbei am hoch über der Stadt thronenden Santuario della Madonna di Lourdes.

 

Romeos Residenz… und Julias Verwahrstätte nahe dem Piazza delle Erbe

 

Doch was wäre Verona ohne Shakespeare und die wohl berühmteste Romanze des Theaters: Romeo und Julia wohnten hier angeblich nicht weit voneinander entfernt. Während sich für Romeos Burg allerdings kaum jemand interessiert, stehen die Menschen vor Julias Balkon in Scharen an. So ist es wohl des öfteren auch bei den richtigen Menschen. Bei eben jenen kann ich dann allerdings nicht verstehen, wie so adrette junge Damen die hautenge Hose mit einer extra angenähten Verlängerung bis über den Bauchnabel ziehen können, während die Knöchel hochwasserartig frei bleiben. Ich kann mich erinnern diese Mode schon einmal vor dreißig Jahren gesehen zu haben und fand es damals schon abstoßend. Egal in welcher Zeit wir uns befinden: es kommt eben alles wieder.

 

Trient oder Trento, aber nicht Triest, doch im Trentino

Die Rückreise führt den gemeinen Italienbesucher meisthin über den Brenner. Auf diesem Weg befinden sich die größeren Städte Trient / Trento und Bozen, welche ungesehen zu passieren beinahe unmöglich sind und wir uns darum entschließen in Trento ein Übernachtungspause einzulegen. Es handelt sich bei dieser Gegend immerhin um Südtirol, also den ehemaligen und teils noch immer deutschsprachigen Teil Tirols, welcher spätestens seit dem Frieden nach dem Krieg zu Italien zählt.

Trient wurde zu Trento, hängt selbst allerdings anscheinend seither in der Zeit fest. Denn die Innenstadt mutet mittelalterlich an, und wenige Menschen lassen sich blicken. Die Stadt wirkt fast wie ausgestorben. Bis es Abend wird: dann kommen sie hervor und man merkt die Menge verschiedener Nationen sich hier kumulieren. Russische und arabische Läden, Touristen allerlei Farben, Flüchtlinge und bereits Geflüchtete, Dorfjugend und Altnazis. Alles sammelt sich zwischen den Bergen. „Der Krieg ist vorbei“ von einer bekannten Berliner Sängerin kommt mir beim Anblick der Stadt in den Sinn.

 

Trient zwischen den Bergen
Trient zwischen den Bergen

In ‘Nsbruck

Der Brenner selbst stellt schon den höchsten Passpunkt und die Grenze zwischen Italien und Österreich dar und ihn zu queren bedeutet seit Langem langen Stau. Liegengebliebene Autos, die den Anstieg und die Höhe nicht schaffen, Grenzkontrollen (in Coronazeiten) und einfach eine Menge Menschen, der Kampf um einen Parkplatz an den Raststellen, sich als Kloputzer ausgebende Bettler neben den kostenfreien Toiletten auf der Suche nach gutgläubigen Reisenden. Dabei kommt mir der Vergleich in den Sinn, dass Aktienkurse mit einem Autobahnstau am Brenner zu vergleichen sind: man erwischt scheinbar immer die falsche Spur – man braucht Geduld und darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und zum besseren Vorankommen in (stets) schwierigen Verhältnissen gilt unversehens: Streuen, streuen, streuen!

Die Stadt selbst nutzen wir allein als Pausenstation, kennen wir sie doch beide bereits. Vici durfte sogar einmal in den Genuss kommen den Flughafen mit seiner für Piloten überaus anspruchsvollen Landebahn zu probieren. Denn zwischen den Bergen existiert wohl eine schwierige Thermik und fordert die Anflugsportlichkeit der Piloten auf engem Raum. Immerhin das Fahren mit Geschwindigkeitsbegrenzung und sogar sich selbst zügelnden Italienern und Deutschen wirkt sehr angenehm. Österreich strahlt eben doch noch etwas Autorität aus.

Die Pause auf dem Reiterhof erschöpft sich allerdings zunächst in der Suche nach dem Lokal-Eingang und gipfelt nach zwei Runden um den gesamten Hof darin, dass eine indische Bauchtanzgruppe als geschlossene Gesellschaft gastiert. Nach etwas Redearbeit überzeugen wir die selbst indisch-persische erscheinende Bedienung uns noch etwas Schwammerlsuppe (Pfifferlinge) und Knödel zu gereichen, bevor die große Vorstellung beginnt.

 

Das alte und noch bestehende Drehkreuz Nürnberg

Auf dem Heimweg ins Zentrum Deutschlands lässt sich auch die Geschichte nicht so ohne Weiteres umfahren: Als berühmteste fränkische Stadt und mittelalterliches Zentrum des Handels sowie Kurfürsten- und Reichstags-Sitz des ehemaligen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und Aufbewahrungsort einiger Reichsinsignien (also praktisch der Kronjuwelen) kann Nürnberg als weiterer Zwischenhalt durchaus die Urlaubszeit mit Eindrücken füllen.

Da wäre zum Beispiel:

- der Barockgarten in mitten eines heutigen Wohngebietes, auf einer Seite zwischen angrenzende Plattenbauten gequetscht;

- das Narrenschiff, welches schon Reinhard Mey (als Inspiration für den Stil dieser ganzen Erzählung) als eines seiner wenigen politischen Lieder als Allegorie auf die machtstrebende Gesellschaft besang;

- sprichwörtlich seit heute (dem Tage unserer Durchreise) das Zukunftsmuseum, in welches wir allerdings aufgrund des begrenzten Kartenangebotes trotz der Kostenfreiheit nicht mehr hinein gelangen;

- ebenso wenig wie in die St.-Lorenzkirche, welche nur zu bestimmten Zeiten geöffnet und sonntags (!) sonst geschlossen hat;

- und natürlich die Kaiserburg.

 

Die mittelalterliche Altstadt Nürnbergs

Die Kaiserburg – Burgarten, Fassade, Innenhof, Burgerker, Deutsche Reichskreise im Mittelalter, Merkelscher Tafelaufsatz (war die Zukunft also schon bekannt?)

Nürnbergs Gärten: Burggarten der Kaiserburg, Barockgarten, Am Hesperidengarten
Nürnbergs Gärten: Burggarten der Kaiserburg, Barockgarten, Am Hesperidengarten
Nürnbergs Wasserwege
Nürnbergs Wasserwege

 

Die Stadt gibt sich architektonisch so vermischt wie die Bevölkerung: verschiedenste Baustile seit dem Mittelalter, teils auch sehr unpassend sind durcheinander gewürfelt, wie auch verschiedenste Religionen (neben den bekannten Weltreligionen) bis hin zu Aleviten, Bahai, Anthroposophen (als Glaubensgemeinschaft) und Mandäern.

 

Coburg muss auch noch sein

Coburg - Veste

 

Was soll ich sagen? Coburg liegt eben auf dem Weg. Und es hat eine schöne Aussicht. Also warum nicht?

 

Fazit:

Damals hätte man wohl geschlussfolgert: „Italien erscheint noch genau wie früher. Zukünftig werden sich wohl noch viel mehr Menschen aus Deutschland beschweren – auch wenn es nicht immer angemessen sein wird. Vielleicht wird es ja regelrecht zu einer Kultur des Jammerns kommen und die Deutschen werden berüchtigt für ihre Freude am Meckern.“

In den 60ern hätten wir als Ostdeutsche aber auch nicht wirklich nach Italien reisen können. Doch selbst im Jahre 2021 ist das nicht so ohne weiteres möglich. Denn durch die nun mittlerweile im 2. Jahr anhaltende Covid-19-Corona-Pandemie ähnelt die Situation verblüffend jener vor dem Mauerfall:

- starke Reisebeschränkungen (durch Pandemieeindämmungsmaßnahmen)

- Materialmangel (durch stark eingebrochenen Handel, v. a. mit China)

- Bespitzelung der Bevölkerung / Überwachung mittels Tests und Impfmeldungen und Corona-Warn-App

- Versammlungsverbote und Ausgangssperren (durch Pandemieeindämmungsmaßnahmen)

 

Alle Maßnahmen haben Sinn, und trotzdem tragen sie nicht ewig und würden alle gerne darauf verzichten. Zumindest an das Abstandhalten von fremden Leuten könnte ich mich gewöhnen. Nun ja, wie heißt es doch immer und wird es auch in Zukunft wieder heißen: es war nicht alles schlecht!

 

Italienische Küchenbeispiele: Gnocchi und Pizza
Italienische Küchenbeispiele: Gnocchi und Pizza

 

Stadt- und Dachgärten

zwar keine „Bosco Verticale“ wie in Mailand, aber trotzdem ein Stück italienische Kultur: