Ibiza – Die kleine Balearenschwester (2008)


Cala Vadella
Cala Vadella

Einfach mal raus aus Deutschland, eine Woche nichts als Spaß haben. Egal wo? Nein, eigentlich nicht. Denn Ibiza war wohl die letzte Option nach Portugal, Tunesien, Malta, Island und diversen anderen schönen Ecken. Wer sich nun zum entscheidenden Unterschied zwischen diesen Orten und Ibiza fragt, dem sei gesagt: Der Initiator Herr Ralf wollte Berge und Strand zu einem preisgünstigen Angebot in einem. Und weil Mallorca dann doch irgendwie zu einer Absteige für trinklustige, deutsche Touristen geworden ist, blieb nur noch dieses verträumte Nachbareiland.

 

In Köln, am Treffpunkt, stand schon die Polizei bereit. Nicht, dass ich etwas verbrochen hätte. Nur war der 1. FC Köln gerade in die erste Bundesliga aufgestiegen und entsprechend entfesselt bot sich mir das Bild direkt neben dem Bahnhof, vor dem Dom. Als letzten Ausweg flüchtete ich also in sein Inneres. Wann kann man eine Kirche sonst schon mal als Retter in der Not bezeichnen?

 

Bucht von Cala Vadella
Bucht von Cala Vadella

Der Wetterbericht für diese wichtigste Woche im Jahr sah wahrhaft grausig aus: Regen mit einem Hauch von voll bedecktem Himmel. Tags zuvor musste es aus Kübel geregnet haben wie uns die Portieuse (?) – äh, ‚Empfangsdame’ im Hotel erzählte. Erst hatten wir es mit ein paar Brocken Spanisch versucht, weil sie auch von anderen Hotelgästen so angesprochen wurde, bis wir enttäuscht feststellten, dass sie ebenfalls deutscher Herkunft war. Für mich zumindest sah sie spanischer aus als die meisten Spanierinnen, die wir auf dieser Insel treffen sollten. Ihr gutes Aussehen war auch so ziemlich das einzige, was wir von ihr erwarten konnten, denn sie hatte wirklich keine Ahnung – von nichts. Ob es darum ging, wo man Fahrräder ausleihen konnte (sie antwortete: „Fahrräder? Das gibt’s hier nicht.“), wie das Wetter wird („Es ist die ganze Woche Regen angesagt!“), was man so unternehmen kann („Na, es gibt eine Menge Strände.“) oder sonst irgendwas. Aber egal was sie machte, eins muss man ihr lassen: dieses ständige Grinsen war trotz allem einen Charmebonus wert. Unseren Spitznamen „Grinseäffchen“ für sie hatte sie sich wirklich verdient.

 

Die Zimmer hingegen hatten schon was. Nicht die langweiligen Standardhotelzimmer mit Minibar und Ehebett, nein: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küchenzeile mit Herd und Kühlschrank, sogar ein Balkon mit Meerblick mussten schon drin sein, zwar ganz oben im vorletzten Zimmer lokalisiert (und wir mussten unsere Grinseäffchen hinführen, statt umgekehrt, weil sie nach eigener Aussage nachtblind war und erst seit einem Jahr in diesem Hotel arbeitete), aber dafür ruhig, und abgeschieden von jeglichem Touristenlärm.

 

Fels bei Cala Vadella
Fels bei Cala Vadella

Da wir beschlossen hatten ohne jegliche Nahrungsversorgung des Hotels auszukommen, lernten wir auf der Suche nach etwas Essbarem gleich mal Cala Vadella kennen (sprich: „kahla Wadejah“) und erfuhren, dass gleich nebenan ein Auto- und Fahrradverleih sich breit gemacht hatte – obwohl es so etwas laut Grinseäffchen hier gar nicht geben dürfte. Noch am selben Tag warteten die ersten Steilklippen mit Lebensgefahrpotential, das Brechen der ersten Regeln spanischer Verkehrsschilder - wie gut, dass wir das nicht lesen konnten! - das Betreten fremden Grundbesitzes und das versehentliche Einbrechen in anderer Leute noch unfertige Villen, immer auf der Jagd nach einem guten Foto und damit für einen guten Zweck, nämlich unserer Erinnerung an diese Insel. Unser Glück war die Tatsache, dass die meisten Anwohner zum Anfang der Saison noch nicht in ihren Anwesen auf der Insel anzutreffen waren.

Der erste von fünf Sonnenuntergängen (jeden Tag einen) wurde von uns dann in der Höhle auf der Insel vor Cala Vadella lang und breit eingefangen – ohne allerdings darüber nachzudenken, dass wir uns ja auf einer vorgelagerten Insel befanden und von dort irgendwie wieder über die schmalen Felsbrocken und noch trockenen Fußes im Dunkeln zurück mussten. Es sollte eine der vielen, erlernten Fähigkeiten als Grundlage für spätere Abenteuer werden.

 

Ibiza
Ibiza

Am Morgen danach dachten wir noch nicht mal im süßen Traum vor der harten Weckerrealität daran, mit was für halsbrecherische Aktionen wir die Klettereien vom Vortag noch übertreffen konnten – und dass um unser Leben bangen würden!

 

Eigentlich war nur eine harmlose Fahrradtour geplant. Nichts Weltbewegendes, wenn man dabei nicht drauf geht und währenddessen auch noch gerade gefilmt wird. Dazu brauchten wir freilich erst einmal … na, sagen wir mal „Fahrräder“. Die gab’s beim freundlichen Verleih gleich um die Ecke, natürlich von einem Deutschen. Was auch sonst. War ja nur eine spanische Insel weit weg von dem 17. Bundesland Mallorca. Er hatte damit keinerlei Problem - nur wir mit seinen so gennanten „Fahrrädern“. Klar, sie sahen aus wie Mountainbikes, irgendwie auf den ersten Blick zumindest. Denn bei dem ersten dieser Foltergeräte konnte der Sattel aufgrund von Rost nicht mehr verstellt werden und war dummerweise schon auf nahezu niedrigster Stufe befestigt. Was man sich nun unter „befestigt“ vorstellt und hierzulande mit einem Schnellspanner einfach geregelt wird und sitzt, wird dort unten extra straff angeschmolzen. Das Ding saß so fest, dass alles andere um den Sattel herum zerfallen wäre, bevor sich daran selbst etwas begonnen hätte zu rühren. Auch Entrostungsspray und sanfte bis aus Verzweiflung härter werdende und schließlich krachende Hammerschläge konnten diesen sturen Sattel nicht zur Einsicht bewegen und weil es die einzigen zwei Fahrräder waren (wahrscheinlich auf der ganzen Insel) mussten wir, bzw. musste Ralf damit zurecht kommen. Ihm zum Trost war auch mein spanischer Bock als Rostuntersatz mit Gummibereifung der Rahmen hinten so verzogen, dass bei bestimmten Gängen (fast allen) das Hinterrad an diesem schleifte und ich meine Kraft eher zu Wärme als in Bewegung umwandelte. Mit der Hoffnung es unterwegs noch hinbiegen zu können fuhren wir also endlich los.

 

Downhill-Strecke
Downhill-Strecke

Endlose Berge schien es aufwärts zu gehen, hin durch Wälder, Wiesen und Felder bis schließlich zur höchsten Spitze Ibizas. Was für eine Quälerei in der Hitze und unter der erbarmungslosen Sonne, die uns trotz ständigen Einreibens letztlich dennoch verbrannte. Doch statt erfrischender Gastronomie fanden wir nur einen einsamen Funkturm und ein Wärterhäuschen des örtlichen Naturschutzvereins. Also verbrauchten sich bereits die präparierten Brote und auch andere wertvolle Nahrungsmittel mussten sorgsam eingeteilt werden, während wir noch den atemberaubenden Blick an die Süd- und Westküste genossen.

 

Abwärts jedoch wurde es schon schwieriger. Wo sich mühsam Wanderer hinaufgequält hatten fuhr Ralf unerschrocken bergab. Nur mit Mühe konnte ich ihm folgen, ja musste mich anstrengen überhaupt einen Weg zu erkennen. Wie froh war ich da über ein Stück asphaltierte Straße am Ende dieses Bergabhanges. Doch wie trügerisch so eine seichte Straße sein kann: Nichts ahnend folgten wir ihrem Verlauf, bis sie endlich wie im Nichts endete. Von seinen kühnen Rad-Alpinstrecken beflügelt kam Ralf dann auf eine seiner glorreichsten Ideen, während derer Ausführung ich schon zwangsläufig über die passendere Form von „Sackgasse“ im Englischen nachdachte: „Dead End“! „Es sind ja nur ein paar Meter“, höre ich ihn noch heute reden, als wir uns und die Fahrräder den blanken Fels 20, 30 Meter in die Tiefe wuchteten. Immer wieder wollten wir doch noch umkehren, aber dachten uns dann: ‚Soweit gekommen, jetzt schaffen wir’s auch noch das Stück.’, aber es wurde nicht leichter. Mit Schrammen, total verdreckter Kleidung, zerrissenen Nerven und diesen Beschreibungen ähnelnden Rädern erreichten wir trotz allem die darunter liegende Straße.

Ziemlich fertig von dieser Aktion mussten wir immer weiter hinauf und fanden und fanden einfach keinen Imbissstand oder dergleichen, bis … ja, bis wieder eine Sackgasse der Straße folgte und wieder ein Alpin-Treck zu bestreiten war, nur mit dem Unterschied, dass wir in einer Bucht herauskamen, aus der wir eben nicht mehr herauskamen. Zurück wollten wir auch nicht, also wurde die Flucht nach vorn gestartet… dieses Mal jedoch den Berg hinauf. In schier unendlichen Serpentinen schleppten wir die nun lästigen Fahrräder den Hang hoch. Die fehlenden bzw. falsch eingeteilten Rationen machten sich nun bemerkbar. Selbst das Wasser war nun ausgegangen und nach endloser Plackerei wieder auf einem Weg angelangt füllten wir die leeren Flaschen mit Pfützenwasser um sie durch Zellstoff hindurch zu filtrieren um im Notfall wenigstens etwas Flüssigkeit zu haben. Nebenbei überlegte ich mir schon ernsthaft eine Konstruktion, mit deren Hilfe wir Meerwasser verdampfen und ohne Salz wieder auffangen konnten. Blöd nur, dass wir gerade mitten auf einem Berg festsaßen und das Meer nur von weitem sahen.

 

Langsam wurde es schon dunkler und wir strapazierten immer noch unsere müden Muskeln die letzten Meter hinauf, völlig ausgetrocknet. Mit diversen Tricks sparten wir Körperwasser und konnten so diesen Höllentrip überleben! ;)

Über die Kuppe drüber folgte eine der wohl schönsten Abfahrten die ich je erlebte, denn von hier konnten wir schon Cala Vadella sehen und wussten: wir hatten es geschafft, waren noch einmal davon gekommen, dem Teufel von der Kelle gesprungen und der Hölle entflohen und … übersahen in dieser Euphorie der Abfahrt und des herrlich kühlenden Gegenwindes auch noch die Abzweigung in diese rettende Richtung. Runter ging es also bis Cala d’Hort, einem Strand der sich im Wesentlichen durch zwei Restaurants beschreiben lässt, was uns jedoch auch nicht ungelegen schien, da wir so wenigstens noch zu einem vernünftigen Abendessen kamen: Welch ein Hochgenuss, Belohnung für diesen Tag, wie auch der folgende Sonnenuntergang, einer der schönsten dieser Woche war. Den Berg der falschen Abzweigung mit 15 % Steigung mussten wir anschließend dennoch wieder rauf.

 

Höhle im Norden Ibizas
Höhle im Norden Ibizas (Foto: Ralf)

Nach diesen Strapazen beschlossen wir am nächsten Tag auf ein Auto umzusteigen und so etwas bequemer die Insel zu erkunden. Also wieder zum gleichen Verleih und auf einen Fiat Panda umgestiegen. Bis dahin war es uns noch nicht aufgefallen, aber dieses Auto ist mit Abstand das häufigste in dieser Region. Es schien, als ob jeder hier ein Auto ausgeliehen hatte und die Fiat-Panda-Mafia das Gebiet fest unter ihrer Kontrolle hat.

 

Erstmal losgefahren waren wir auch schon in Eivissa, kurz darauf am anderen Ende der Insel. Fahrzeit: eine Dreiviertelstunde. Und dazwischen? Tja, größer ist die Insel nicht, tut uns leid. Wie besessen von dem Gedanken doch endlich mal irgendwo Parasailing betreiben zu können suchten wir verzweifelt die ganze Insel ab, taten uns beinahe sogar einen überfüllten (und überteuerten) Hippie-Markt an - die große Sensation auf Ibiza - und mussten letztendliche feststellen, dass noch gar nicht Saison war zum Parasailing. Also wieder was gestrichen auf der Liste der zu absolvierenden Sportarten. Blieben noch Jetski, Tauchen, Schnorcheln, Surfen, Windsurfen und Wasserski. Doch eigentlich wollten wir uns auch mal ausruhen, baden, in der Sonne braten, Chicks anbaggern, … weshalb wir also doch nach Stränden suchten, möglichst mit viel Sonne. Und jeder war ein neues Abenteuer, denn man wusste nie, ob am nächsten die Sonne brezelte oder der Regen prasselte.

 

Der Norden Ibizas
Der Norden Ibizas

Richtung Norden kamen wir also noch an einem hübsch einsamen Wachturm vorbei, wie es so viele auf Ibiza gibt. Um ihn schließlich in einem einigermaßen vernünftigen Motiv auf Bild bannen zu können, entfernten wir schnell noch das davor stehende Schild (was weiß ich, was darauf stand und wofür es da war, aber wahrscheinlich konnte ein Spanier darauf lesen: „Dieses Schild bitte stehen lassen“), kamen dann jedoch nicht mehr dazu es wieder aufzustellen, da wir uns vor den nun aufkreuzenden Touris als rücksichtslose Schildvandalisten geoutet hätten und störten zu guter Letzt auch noch ein Liebespaar auf beinahe offener Straße (im Auto) beim Übergang auf noch lustigere Vergnügungen.

 

Also weiter nach Norden. Zwischendurch lasen wir von einer Tropfsteinhöhle in dieser Gegend und weil das Wetter immer noch recht finster aussah, besuchten wir eben besagte Höhle. Dort drinnen konnte uns der Regen draußen ja egal sein und Ralf hatte endlich die Gelegenheit seine Langzeitbelichtung mal sinnvoll einzusetzen.

 

Doch erst jetzt fiel uns die herrliche Bucht hier vor der Höhle auf: ruhig, verzweigt, idyllisch und das Beste: Man konnte Wasserski fahren! Nur dass der Mensch, welcher dieses Sporterlebnis anbot heute nicht mehr anzutreffen war. Welch ein Schweinerei, abends halb neun einfach nicht mehr dazu sein!

 

Mussten wir eben bis zum nächsten Tag warten und noch mal herfahren, war ja nicht weit - und bei Spritpreisen von 30 Cent weniger pro Liter als in Deutschland ja schon fast lachhaft.

 

Es Vedra - Der Piratenfelsen
Es Vedra - Der Piratenfelsen (Foto: Ralf)

Eigentlich wollten wir doch nun endlich mal wirklich ausspannen und baden. Dazu kommt man immerhin nach Ibiza statt nach Island (obwohl im warmen Wasser dort wahrscheinlich weniger das Problem wäre). Zuerst musste aber „Es Vedra“, die berühmte  Felseninsel schlechthin auf Ibiza noch besichtigt werden, samt (endlich mal) begehbarem Wachturm. Im Anschluss also endlich Sonne tanken, an Stränden, wo die Sonne Bossa Nova tanzt: Playa d’en Bossa und Cala Nova.

 

Nun, es ist wohl verständlich, wenn man zu einem Teil des Strandes wechselt, wo man seine Ruhe hat und falls direkt am Meer eine Baustelle ist, geht man eben ein Stück weiter. Doch wenn die Baustelle einem dann folgt und direkt vor der eigenen Nase ihre volle, Nerven zerfetzende Pracht ausbreitet, kann man kaum noch von Ruhe sprechen. Uns? War das egal. Wir wollten nur noch Sonne, Strand und Meer. Scheiß auf den Lärm, den Tang, den dieses Ungetüm von Bagger uns vor die Füße karrte, die Chicks, die er damit vertrieb…? Gut, irgendwo ist Schluss!

 

Von einem Panda überfahren
Von einem (Fiat) Panda überfahren

Viel Zeit war ohnehin nicht mehr zum Entspannen. Noch rasch ein (wirklich hervorragend gewürztes) Lachssteak hinter die Kiemen geschoben, und dann wurde es schon Zeit zum Wasserskimenschen zu eilen. Ach ja, hätte ich fast vergessen: auf dem Weg dorthin meuchelte der große, böse … Ralf noch ein armes, unschuldig schauendes, völlig wehrloses Vögelchen mittels Scheibenwischer unseres Pandas. Auf ging’s, zu wenigstens einem Sportlichen Höhepunkt diese Urlaubs (den mörderischen Fahrradtrip mal ausgenommen): Wasserski in der herrlichen Bucht von gestern - Ralf zuerst. Alles klar? Mann, hatte der die Nase voll… Wasser! Nachdem ich mir diese Blamage mit anschauen musste, wollte ich eigentlich auf meinen Versuch verzichten und das Geld sparen. Doch dann sagte ich mir, „Hey, für 15 Euro mal so richtig auf die Fresse fliegen und durchs Wasser geschleift werden? Wo krieg ich das schon mal geboten.“ Und besser als mein Vorgänger konnte es nur werden. Mein Glück hing buchstäblich an einem seidenen Seil. Nicht, dass der Mensch vor mir im Motorboot mal schön sachte begonnen hätte, nee. Vollgas voraus! Als ob ich der Hauptstuntman des neuen James-Bond-Filmes wäre und hinter mir gerade die ganze Welt in sich zusammenstürzt. Doch, es ging immer weiter aus dem Wasser und auf einmal stand ich, so wie sich’s gehört auf den Dingern und es begann spaßig zu werden – was nicht heißt, dass es nicht auch mich gründlich geledert hat. Aber irgendwie hatte ich den Dreh besser raus. Vielleicht lag’s auch daran, dass ich mich in praktisch panischer Angst an dem Holzgriff festhielt und der Greifreflex ungeahnte Kräfte freisetzte – was heftige Blutblasen am Ende auch bezeugen konnten.

 

Wasserski-fahren
Wasserski-fahren

Egal, Spaß war’s allemal. Bis zum Sonnenuntergang allerdings dauerte es noch einen halben Tag, weshalb der letzte noch nicht erforschte Teil dieses herrlichen Eilands bestaunt werden musste. Und was für ein Versäumnis wäre das gewesen! Wie am Ende der Welt fühlte ich mich dort, vor mir nur noch weites Wasser. Rötliche Felsformationen rundeten dieses Gefühl der weiten Wüste gänzlich ab.

 

Aber wir waren ja wegen dem Sonnenuntergang hier. Der Fotoauslösemuskel wurde dazu mit einer grazilen Kuchenplatte zum Abendbrot gestärkt. Für Ralf nichts Neues, aber dass ich mich so schnell - innerhalb einer Woche - auf solche Sperenzchen einlassen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.

 

Noch'n Sonnenuntergang
Noch'n Sonnenuntergang

Auf zum letzten der Wachtürme und zu einer der spektakulärsten Sonnenuntergangszeremonien: Ein einsamer, verlassener Wachturm auf dir Spitze einer Landzunge, zur Rechten eine kleine Bucht mit der belebten Stadt, zur Linken offenes Meer mit einer letzten, kleinen, unbewohnten Insel als Begrenzung, worüber die Sonne ihre letzten Strahlen des Tages zum Betrachter schickt. Wenn das kein Motiv ist! Dumm nur, wenn gerade in diesem aller heiligsten Momente die Batterien des digitalen Fotoapparates versagen. Wie lobpreiste Ralf daher seine antike Analogkamera. Schöne neue Welt!

 

Die nächste Überraschung wartete schon im Hotel. Man rechnete wohl nicht damit, dass es noch verpeiltere Menschen gibt als unsere Grinseäffchen, aber an diesem Abend saß eine Frau am Tresen, die uns beide und unser Äffchen um Längen übertraf. Wären wir noch ein paar Wochen geblieben und hätte die Entwicklung ähnlich angehalten, so säße uns wohl bald ein Schimpanse gegenüber und erklärte uns die Insel.

 

 

La Paella
La Paella

Schon sahen wir dem letzten aller heiteren Tage dieser kurzen Woche entgegen. Da musste man noch einmal einen Höhepunkt einlegen, nämlich die Hauptstadt: Eivissa (Ibiza-Stadt). Zuerst wenig begeistert von den Menschenmassen und der verfallenen Burg der Altstadt fanden wir mit der Zeit dort jedoch immer mehr Ecken, würdig auf Speicherkarte bzw. Film festgehalten zu werden. Jetzt, zum Abschluss dieses kleinen Spanieneindruckes musste kulinarisch wenigstens einmal mit dem Nationalgericht der Region abgeschlossen werden: Paella, eine Reispfanne mit Meeresfrüchten (Muscheln, Tintenfischarmen, Garnelen, Katze (?) (nach Ralfs Meinung), Hummerbeinen, Krabbenteilen und undefinierbarem Fisch). Ich gab mich dagegen mit einem Schwertfischsteak etwas bescheidener.

Zu guter Letzt bewies ich mich am Flughafen noch als Terrorismusamateur, indem ich vergaß mein gutes Taschenmesser aus dem Handgepäck zu entfernen, wie auch die Sonnencreme, musste mich deswegen mit einer Flugzeugangestellten streiten und im Endeffekt den ganzen Rucksack aufgeben – also zum Koffer-Gepäck. Wenn man schon mal ein Survival-Allzweckgerät bei sich hat, muss man es auch noch in den Gepäckraum verbannen. Was wäre nun bei einem Flugzeugabsturz? Wenn ich mich irgendwo befreien muss? Dann brauche ich mein Schweizer Taschenmesser um zu überleben. Aber die Fluggesellschaft denkt natürlich nur an Terroristen!

 

Eivissa (Ibizas Kapitale)

2 Uhr nachts am Flughafen in Köln-Bonn – 4 Uhr fuhr der Zug. Zeit genug für einen Mitternachtsimbiss, sollte man meinen. Ja, wenn es dort überhaupt noch einen Laden gegeben hätte, der rund um die Uhr auf hat! Da nennt man sich Kapitalist und dann sperren sie die Läden zu, bevor der meiste Profit eingeheimst werden kann. So sah ich mich zum Äußersten gezwungen und musste zur Notration greifen: mein geplättetes Sandwich, das zusammen mit dem Taschenmesser in der Rumpelkammer des Flugzeugkellers ein bedrücktes Dasein gepflegt hatte.

 

Doch am besten verabschiedete sich Ralf aus der ganzen Reise, nachdem wir uns bereits verabschiedet hatten und ich ihn trotzdem gerade noch aus meinem abfahrenden Zug an der nächsten Station verzweifelt sitzen sah (hier die Original-SMS):

 

„Hi! Als ich am Flughafen ausgestiegen bin, stand schon nen ICE da. Leider war das der falsche. Ich habs gerade gemerkt, als der losrollte. Das erklärt auch, warum ich meine Wagennummer nicht gefunden hab. Ich musste mir dann für 30 nen neues Ticket in Frankfurt kaufen. Also jetzt weißt du was los ist. Damit der Tag in good old Germany noch perfekt wird, hab ich mich auch noch in Schokoreste gesetzt. Fazit: ich finde es scheiße hier. Ich will wieder zurück.“