Sachsen

 

 

Ist es Kultur oder kann das weg?

Und wenn ja: wohin?

Über Altlastenprobleme und Völkerkunde

 

 

 

Gutachten

zur Orientierenden Detailuntersuchung

 

 

 

 

 

 

Inhalt:

1. Veranlassung

2. Was ist eine Altlast

2.1 Belastung mit Schwermetallen (Kartendienst des LfULG)

3. Aufgabenstellung – Meine Arbeit

3.1 Herausforderungen

3.2 Das Altlasten-Anforderungs-Portfolio

4. Standortbeschreibung: Sachsen – also: die Menschen dort

4.1 Sprache und Küche

4.2 Feste

4.3 Verkehr

5. Untersuchungsergebnisse: Städte-Kultur

            5.1 Dresden – Elbflorenz

5.2 Freiberg – Weltkulturerbe

5.3 Leipziger Allerlei

5.4 Chemnitz - nä?

5.5 Meißener (Ge)fummel

5.6 Fotoauswertung sonstiger Ortschaften

5.7 Ortsnamen

6. Kultivierte Natur in Sachsen

7. Fazit / Gefährdungseinschätzung

7.1 Sanierungsvorschlag

7.2 Handlungsempfehlung

Anhang (Fotodokumentation)


1. Veranlassung

Als Umweltwissenschaftler hat man ganz verschiedene Berufsmöglichkeiten. Dabei steht nicht nur hübsche Natur wie bei den Landschaftsarchitekten auf dem Programm. Sondern auch die dreckigen, versifften, lieblos weggeworfenen und schließlich vergessenen Regionen wollen umsorgt werden – wie ein kranker Mensch, ein Patient. Manche bezeichnen solche Gegenden schon wieder reizvoll-euphemistisch als „Lost Places“ und veranstalten sogar Ausflüge dorthin oder verfassen Fotoreportagen über deren maroden Charme (z. B. https://www.lost-places.com, https://www.geo.de/reisen/reise-inspiration/21132-rtkl-verlassene-orte-lost-places-deutschland-von-nord-nach-sued-von, https://de.wikipedia.org/wiki/Lost_Place). Berühmte Beispiele sind „Tschernobyl“, der Freizeitpark „Spreepark“ im Plänterwald , die verlassenen U-Bahnschächte oder der Teufelsberg in Berlin, Munitionslager und Blindgänger im ganzen ehemaligen Weltkriegsgebiet oder auch Braunkohletagebaue in NRW, der Lausitz und um Leipzig, also auch Sachsen. In Sachsen gibt es derart viele Industriebrachen und verseuchte Orte, weil dort zu DDR-Zeiten die meiste Industrie heimisch war: Neben der Energiewirtschaft und hauptsächlich Braunkohleförderung in Nordsachsen auch Uranbergbau, Kleidungs- und metallverarbeitende Industrie im Erzgebirge, Automobilhersteller in Zwickau, usw. Nicht umsonst verursachten die ganzen Industrieabgase in den 80ern ein Waldsterben – und das, obwohl die zu dieser Zeit noch bestehende DDR formal auf eines der schärfsten Umweltgesetze der Welt stolz war (was vor allem eine Erweiterung des Naturschutzgesetzes der Nazis darstellte, welches mit dem Umweltschutz außerhalb von ausgewiesenen Schutzgebieten aber wenig zu tun hatte). Nur nützt ein Gesetz nichts, wenn es nicht umgesetzt wird. Auch heute ist jener Umstand in der BRD noch immer ein Problem. Das Waldsterben besteht übrigens noch fort, nur nicht direkt aufgrund der Industrieemissionen, sondern heute aufgrund des globalen Klimawandels. Aus Tschechien kommen allerdings noch immer genügend gasförmige Schadstoffe auch in Sachsen an.

Tschechische Ausdünstungen – Das umweltwissenschaftliche Mordor Europas
Tschechische Ausdünstungen – Das umweltwissenschaftliche Mordor Europas

 

2. Was ist eine Altlast (Definition nach § 2, Abs. 3, Nr. 5 bis 7 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG)):

„Altlasten im Sinne dieses Gesetzes sind

1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und

2. Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte),

durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.

(6) Altlastverdächtige Flächen im Sinne dieses Gesetzes sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstiger Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit besteht.

(7) Sanierung im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen

1. zur Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe (Dekontaminationsmaßnahmen),

2. die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern oder vermindern, ohne die Schadstoffe zu beseitigen (Sicherungsmaßnahmen),

3. zur Beseitigung oder Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens.“

 

Meistens handelt es sich heute bei Altlasten um ehemalige Tankstellen oder Tanklager, Gaswerke oder Deponien. Aber es können einige andere Flächen davon betroffen sein, insbesondere, wenn man an der Oberfläche nichts mehr sieht. Dann wird die Fläche überbaut ohne nachzufragen, was vorher dort stand und erst Jahre später gasen Schadstoffe durch physikalische Setzungs- und chemische Sättigungsprozesse aus, gelangen ins Grundwasser oder reichern sich im Boden an. Wer dann gesetzlich Schuld hat, regelt das Gesetz (§ 4, BBodSchG): Wird der Verursacher nicht mehr gefunden, kommt der „Handelnde“, also der gegenwärtige Eigentümer in die Pflicht zur Sanierung – und je nach Größe des Grundstücks und Art des Schadens kann das verdammt teuer, zeit- und nervenaufwendig werden! Daher kann man nie genug warnen nicht leichtfertig eine scheinbar lukrative Industriebrache zu erwerben und selbst in Wohngebieten ist man vor solchen Problemen nicht gefeit. Es wäre nicht das erste Mal, dass ganze Orte plötzlich gift-grün-blauen Boden unter ihren Füßen ausgegraben haben.

Es gibt haufenweise Literatur, technische Studien zu neuen Verfahrensweisen und ganze Studiengänge gerade auch in Dresden zum Thema Altlasten. Oft mangelt es jedoch am Geld oder Willen sie zu sanieren oder auch nur zu sichern.

Theoretisch sind archäologische Fundstätten auch so etwas wie Altlasten, nur dass von ihnen in der Regel keine Schadstoffgefahr ausgeht, weil sie noch nicht mit vom Menschen erzeugten Substanzen belastetet waren. Erst seit der Industrialisierung mit neuen technischen Verfahren und „dank“ der industriellen Chemie (z. B. Düngemittelherstellung, Farben- und Lackproduktion, Reinigungs- und Lösungsmittel, Rohstoffverarbeitung wie Treibstoffe, Medikamentenherstellung, usw.) wurde das zu einem Problem. Man spricht daher auch nicht ohne Grund seit der Industrialisierung vom „Anthropozän“, also dem vom Menschen beeinflussten Zeitalter. Von dem, was wir nicht sanieren (können), werden noch zukünftige Generationen auf unsere Lebensweise schließen können, wenn auch keine weiteren Zeugnisse mehr davon künden. Die Methoden der Archäologie und der Altlastenerkundung ähneln sich daher aber in vielen Bereichen. Heute sind wie auch in der Archäologie ganze ökologische Großprojekte über Jahrzehnte damit beschäftigte solche anthropogenen „Lagerstätten“ zu erkunden und zu sanieren. Im besten Fall kann z. B. eine alte Deponie früheren Müll als Quelle heute wertvoller und verwertbarer Rohstoffe umfunktioniert werden. Im schlechtesten Fall kann - wie bei dem radioaktiv verseuchten Tschernobyl - bloß eine gigantische Sicherungsmaßnahme weiteren Schaden zumindest vermeiden. Viel bleibt aber ungewiss, da man nicht direkt in den Boden schauen kann: es handelt sich schließlich oft um tausende um Kubikmeter von Material, welches zu bewegen unglaublich schwierig wäre – allein um hinein zu schauen. Daher wird gebohrt, Fernerkundung betrieben oder mit geophysikalischen (z. B. Gravimetrie, Magnetometrie, Bodenradar) und hydrologischen Mitteln (z. B. Tracer- und Pumpversuche) versucht, zumindest einen Ausschnitt des ganzen Puzzles zu erfassen. Es ist wirkliche Detektivarbeit, wie auch in der medizinischen Diagnostik. Daher ist ein belastetes Ökosystem mit einem Patienten vergleichbar – nur in den meisten Fällen unglaublich viel komplexer, da eben der Mensch als Faktor noch dazu kommt (als Verursacher, als Sanierer oder nur als Anwohner) und eine nicht unerhebliche Rolle spielt: als Täter wie auch als Opfer.

Und dann bliebe noch die Frage: Wohin damit? Denn sobald Boden ausgehoben wurde, gilt er per Gesetz als „Abfall“ und muss entsorgt werden (§ 3 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), vgl. Merkblatt Abfall- und bodenschutzrechtliche Anforderungen zum Umgang mit belastetem Bodenmaterial). Wobei man erwähnen muss: gerade in Sachsen ist diese Abfallgrenze nicht klar festgelegt. Sondern was in einem Landkreis z. B. als arsenbelasteter Abfall gilt, kann in einem anderen Landkreis ohne weiteres als Straßenfüllmaterial eingebaut werden, weil hier die geogene (also natürliche) Hintergrundbelastung ohnehin zu hoch wäre, um alles zu entsorgen. Wer daher in solchen Regionen lebt, sollte sich möglicherweise mal überlegen eventuell lieber vielleicht woanders zu wohnen:

Radon-Bodenbelastung (Bundesamt für Strahlenschutz) und Wismutaktivität (https://de.wikipedia.org/wiki/Wismut_(Unternehmen))
Radon-Bodenbelastung (Bundesamt für Strahlenschutz) und Wismutaktivität (https://de.wikipedia.org/wiki/Wismut_(Unternehmen))

 

2.1 Belastung mit Schwermetallen (Kartendienst des LfULG):

l.: Arsen, r.: Blei
l.: Arsen, r.: Blei
l.: Cadmium, r.: Chrom
l.: Cadmium, r.: Chrom
l.: Kupfer, r.: Nickel
l.: Kupfer, r.: Nickel
l.: Quecksilber, r.: Zink
l.: Quecksilber, r.: Zink

Und wir zogen mitten rein ins verseuchte Gebiet: Freiberg (stärkste Schwermetallbelastungen außer für Chrom und Nickel) und seit 2020 Hauptstadt des UNESCO-WeltkulturerbesMontanregion Erzgebirge“. Hier möchte man kein Gemüse mehr im Garten anbauen. Doch ähnlich wie in Russland stört es die Leute nicht, weil sie es größtenteils auch gar nicht wissen. Und daher hier meine - zugegeben - gewagte These: Zu viel Altlast schadet und macht sich auch im Verhalten bemerkbar, allem voran im Straßenverkehr.

 

Zu erwartende Bodenhorizonte:

Stratigraphie

Sozio-Geologie

Kurzbeschreibung

Baumschicht

Sterbende Wälder

durch Brand, Borkenkäfer, Stürme, Flut, Krankheit, Einschlag, …

Krautschicht

Straßen

Eng, kaputt, überlastet, rasend gefährlich

O-Horizont

Mist

Dung, Jauche, Gülle, Bioabfälle, Ratten

A-Horizont

Dreck

Erde, Sand, Lehm, Behördenformulare

B-Horizont

Verbuddelter Müll

und so’n Zeugs, das keiner finden soll

B,5-Horizont

Leichenteile

mehrheitlich von Dinosauriern

C-Horizont

Ausgangsgestein

Sternenstaub

D-Horizont

Erdmantel

die Hölle

E-Horizont

Erdkern

Sächsische Klöße eingewickelt in „Roster“

 

 

3. Aufgabenstellung – Meine Arbeit

Prinzipiell habe ich Konzepte erstellt, um Untersuchungen zu Altlastenthemen durchzuführen. Meist betraf das Grundwasseranalysen, Bodenanalysen, aber auch das Schreiben von Berichten. Der Vorgang einer Altlastenuntersuchung läuft in Sachsen nach dem sächsischen Leitfaden zur Altlastenbearbeitung ab und orientiert sich am BBodSchG bzw. der BBodSchV, nach welcher:

 

1. die Historische Erkundung (HE) erfolgt, also die Auswertung vorliegender Karten, Fernerkundungsbilder, Artikel oder Zeitzeugenbefragung zum entsprechenden Objekt (existenziell)

 

2. die Orientierende Untersuchung (OU), falls in der HE ein Verdacht für eine mögliche Altlast aufkam, um meist mittels Laboranalysen aus Bohrproben einen Eindruck der Kontamination zu gewinnen (qualitativ)

 

3. die Detailuntersuchung (DU), falls bei der OU eine Kontamination oberhalb der jeweils gültigen Richt-/Orientierungswerte festgestellt wurde, um Verdachtsherde auszumachen (quantitativ)

 

4. die Sanierungsuntersuchung (SU), falls eine Sanierung von der Bodenschutzbehörde angeordnet wurde, um die Tiefe und Ausdehnung (vertikale und horizontale Kontaminationsverbreitung) für die Sanierung zu bestimmen (lösungssuchend)

 

5. die Sanierungsplanung, um die Sanierungsmethode und die Anforderungen zu bestimmen (z. B. bestimmte Gebäudeteile zu erhalten, Beachtung von Denkmalschutz, Naturschutz, etc.) (lösungsplanend)

 

6. die Sanierung (Ausführung und bestenfalls Beseitigung der Kontamination) (lösend)

 

Gerade die Schritte zwischen OU und Sanierungsplanung können sehr langwierig sein und sich teils über Jahrzehnte strecken. Oft wechselt das Gutachterbüro, weil z. B. für jeden Schritt eine neue Ausschreibung erfolgen muss oder der ursprüngliche Gutachter insolvent wurde. Manchmal ist der Gutachter einfach nur inkompetent und es wurde ein Haufen Geld im Sand versenkt, weil eine falsche Untersuchungsmethode gewählt oder falsche Ergebnisinterpretationen angestellt wurden. Manchmal geht auch dem Bauherrn das Geld aus oder das Problem erledigt sich von selbst, weil z. B. über die Jahre der Schaden durch natürlichen Abbau (Auswaschung, Ausgasung, Zersetzung, Abbau durch Mikroben, etc. = „(Monitored) Natural Attenuation“ = (M)NA) abgeschwächt wurde, vor allem bei organischen Schadstoffen, oder sich ganz einfach Altlastenrichtwerte geändert haben.

 

3.1 Herausforderungen:

Typische, aufgegebene Anlage
Typische, aufgegebene Anlage

Dabei kann es vorkommen, dass wiederholte Proben unterschiedliche Ergebnisse zeigen, wissenschaftlich also nicht reproduzierbar sind. Abhängig vom Wetter (z. B. aufgrund von Diffusion von Boden zu Atmosphäre), den Grundwasserfließrichtungen oder Abbauprozessen im Untergrund ist jede Messung wieder eine Überraschung. Auch Labore können falsche Auswertungen hervorbringen oder Proben verwechseln und selbst die Richtwerte sind nicht gottgegeben, weil man auch Fehlertoleranzen einbeziehen muss, sowohl bei der Probenahme als auch bei der Laborbestimmung.

Die größte Fehlerquelle bleibt aber der Mensch. Da wurde eine Probe nicht richtig genommen oder vergessen und schon ergibt sich eine andere Fließrichtung und Gefährdung von Wohngebieten, die zuvor noch nicht bestand.

Der Mensch selbst ist aber auch gefährdet, nicht nur die Anwohner, sondern auch die Probenehmer. Arbeitsschutz ist schön und gut, wird aber meist nicht richtig angewendet, schon aus Geld- und Zeitgründen und durch die Gruppendynamik: „Wird schon nichts passieren“, „Haben wir schon immer so gemacht“ und trotz jährlicher Schulungen. Dabei sind auf dem Bau schon immer Menschen zuhauf gestorben oder verletzt worden: von fallenden oder schwenkenden Teilen erschlagen, lebendig in Gruben begraben, an giftigen Gasen erstickt und später am Krebs zugrunde gegangen, von Fahrzeugen überfahren, im Sickerwasser oder auch nur in Pfützen ertrunken oder am Stress und Kaffee durch Herzinfarkt kollabiert.

Eine solche Gefahrendsituation erlebte ich folgendermaßen: Ich sollte an einem ehemaligen Gaswerkstandort Phenolmessungen in einer ca. 4 m tiefen, ungesicherten Grube durchführen. Die Abrisskante war dabei hochgradig einsturzgefährdet (da nicht gesichert und mit Böschungswinkel weit jenseits 2:1, also praktisch senkrecht 4 m abfallend), wobei hochkonzentrierte Phenolbelastung angenommen wurde. Mein Kollege hielt es jedoch nicht für nötig mir über die Situation bzw. die notwendigen Schutzmaßnahmen Bescheid zu geben, obwohl diese in der vorangegangenen Bauberatung sogar im Protokoll festgelegt worden waren! Er ließ mich also geradewegs in eine hochgradig lebensgefährliche Situation spazieren und kommentierte das lapidar mit: „Wusste ich nichts von.“ Entweder hatte er bei der Bauberatung und den ganzen vorangegangenen Arbeiten als örtlicher Bauüberwacher (öBÜ) komplett geschlafen oder aber mir argwöhnisch den Tod gewünscht.

Noch dramatischer für das Gewissen wird es allerdings, wenn man konkret von einer Gefahr weiß, sie aber nicht aussprechen darf. So siedelten auf einem ehemaligen Tanklager in Leipzig wild Aussteiger und Hippies direkt über einer starken Grundwasserverseuchung, betrieben ihre solarbetriebenen Duschen und Toiletten damit und ihre Kinder spielten über den offenen Domschächten, aus denen selbst ein Erwachsener nicht wieder herauskommen würde, wenn er versehentlich hineingestolpert wäre. Wenn dann noch das städtische Umweltamt von den Linken besetzt ist, meint „alternative Lebensformen“ in Leipzig fördern zu müssen, lieber Tatsachen verschweigt und damit nicht nur das gesamte Grundwasser unter der Leipziger Innenstadt weiter verdrecken zu lassen, sondern auch den auf dem Gelände geplanten Parkbau zu behindern, statt eine Altlast zu sanieren und ganz nebenbei Leben zu schützen (selbst jene Leben illegaler Geländebesetzer), kann es ja nicht so schlimm sein, nicht wahr? Offensichtlich wollte man die Menschen nicht vertreiben, um das linke Image nicht zu gefährden, weil man dann eventuell als intolerant gegolten hätte. Aber wenn ein paar Leute aus unerfindlichen Gründen einfach sterben, z. B. weil sie in einem Domschacht erstickt oder vergessen sind oder weil sie durch Benzolausdünstungen an Krebs erkranken, tja, dann weiß man ja auch nicht woran das liegen könnte. In solchen Momenten möchte man die Grünen wählen. Aber auch die wägen Umweltbelange gegen soziale Gerechtigkeit ab, z. B. mit CO2-Steuererleichterungen und -Zertifikatenhandel für Großunternehmen. Auch Altlastensanierung bleibt also ein (politischer) Kampf!

 

Altlast oder Kunst (Teil 1, Beispiele):

Fangen wir an mit Waldsterben durch Umweltverschmutzung (Sächsische Schweiz, Tharandter Wald)…
Fangen wir an mit Waldsterben durch Umweltverschmutzung (Sächsische Schweiz, Tharandter Wald)…
… gehen über zu Eutrophierung und Gewässerschadstoffen (Tharandter Wald, Erzengler Wald, Erzgebirge)…
… gehen über zu Eutrophierung und Gewässerschadstoffen (Tharandter Wald, Erzengler Wald, Erzgebirge)…
…machen zur Auflockerung weiter mit Kunst (Tharandt forstbotanischer Garten) und ihren Folgen bei der Entsorgung der Konservierungsstoffe und Lacke von Altholz (Blockhausen)…
…machen zur Auflockerung weiter mit Kunst (Tharandt forstbotanischer Garten) und ihren Folgen bei der Entsorgung der Konservierungsstoffe und Lacke von Altholz (Blockhausen)…
… kommen zu Ruinen, auch bekannt als „Lost Places“ (Verfallenes Haus bei Mulda, Jagdschloss Grillenburg, ehemalige Bahnhofsbegleitbauten in Freital, Talsperre Lichtenberg, Altes Anwesen in Klingenthal, Scheune in Rathen, Wohnblock in Chemnitz), …
… kommen zu Ruinen, auch bekannt als „Lost Places“ (Verfallenes Haus bei Mulda, Jagdschloss Grillenburg, ehemalige Bahnhofsbegleitbauten in Freital, Talsperre Lichtenberg, Altes Anwesen in Klingenthal, Scheune in Rathen, Wohnblock in Chemnitz), …
…bis hin zu potentiellen Gefahren, wie sie von Gaslecks durch neue Pipelines ausgehen.
…bis hin zu potentiellen Gefahren, wie sie von Gaslecks durch neue Pipelines ausgehen.

 

3.2 Das Altlasten-Anforderungs-Portfolio:

Bei der Bearbeitung von Altlasten kommt praktisch alles zusammen, was die Natur zu bieten hat. Ein Anforderungsportfolio für eine Bewerbung bzw. ABC für Vorlieben und Fähigkeiten könnte also so aussehen:

 

-       Auftragsakquise

-       Bodenphysikalische Vorgänge, Baugrund und Statik kennen und Bohrungen durchführen

-       Chemische Reaktionsfähigkeit von Schadstoffen in Boden, Luft und Wasser verstehen

-       Denkmalpflegeverständnis und archäologischen Ausgrabungen

-       Ertüchtigung und sportliche Fitness für die Geländeeinsätze und für teils unbegehbares Gelände

-       Fernerkundung für die historische Erkundung und Abschätzung von Bohrungen

-      Gefahrenstoffkunde und gefährliche Baustellen im Hoch- und Tiefbau (Risikobereitschaft), der Bauüberwachung und Arbeitssicherheit

-       Hydrologische und hydraulische Prozesse verstehen

-       Informatische Kenntnisse beim Programmieren von Datenloggern

-     Juristische Vorgaben einhalten, insbesondere Rechtskenntnisse zu BBodSchG, BBodSchV, BImSchG, KrWG, DepV,    WHG, WRRL, GrwV, OGewV, POP-VO, HOAI, diverse Landesgesetze, etc.

-       KFZ-Nutzung verschiedenster Typen und Gelände

-       Labortätigkeit oder zumindest Verständnis von den Laborabläufen

-       Mathematische Auswertung der Laborergebnisse über verschiedene Formeln und Statistik

-       Naturschutz- und Nachhaltigkeitsaffinität

-       Ökonomisches und ökologisch-nachhaltiges Wirtschaften im Umgang mit notwendigen Maßnahmen und unrentablen Ausgaben

-       Pharmazeutisches Verstehen physiologischer Auswirkungen der Schadstoffe auf den menschlichen Körper

-       Qualitätsmanagement und Organisationsfähigkeit

-       Rechnungslegung

-     Sprachliches Verständnis zum verständlichen Schreiben, Drucken und Formatieren von Berichten sowie im Umgang mit Menschen als Sozialarbeiter (Überredungskunst) und Psychologe (Verständnis von Maßnahmen erzeugen und Informationen entlocken)

- Technische Verfahrenskenntnisse alter Produktionsreihen für das Verständnis von Gaswerken, chemischen Reinigungen, Tanklagern, Chemiefabriken, usw. und neuer Verfahren zur Sicherung und Sanierung von Böden

-       Umweltplanung und Kartenzeichnen

-       Vergabe von und Angeboten für Aufträge durchführen

-       Wissenschaftliche Neugier und Weiterbildungsbereitschaft

-       (X-faches Allgemeinwissen zu allen möglichen Themenbereichen)

-       (Ybermenschliche Motivation)

-       Zeitzeugenbefragung für die historische Erkundung

 

Altlastensanierer sind also:

-       Schatzsucher, die nie reich werden

-       Umweltschützer / -sanierer

-       Kontaminationsexperten

-       Abfallsammler

-       Projektingenieure

-       Baufeldfreimacher für Neubauten / Neunutzung

-       Allrounder / Alleskönner

-       u. v. m.

 

Altlast oder Kunst (Teil 2, Beispiele):

Manchmal ergötzen wir uns an marodem Denkmalschutz wie auf dem Pfaffenstein, an der Lochmühle bei Linda (wer denkt dabei schon an etwas Dreckiges?), am Bergbaudenkmal bei Geyer, der Burg Frauenstein oder der Hängebrücke auf dem Pfaffenstein, …

… staunen, wenn die Natur zur Bühne wird…
… staunen, wenn die Natur zur Bühne wird…

… oder sich die alten Bauten wieder zurückholt.

 

4. Standortbeschreibung: Sachsen – also: die Menschen dort

Doch nicht nur Gelände und Gebäude können Altlasten sein – auch Menschen. Insbesondere wenn sie durch jahrelanges Rauchen und Alkoholeinlagerungen Schadstoffe in sich angesammelt haben und dadurch konserviert wurden, also praktisch „konservativ“ wurden.

Das „Sachsen-Bashing“ hat tatsächlichen einen realen Hintergrund, trifft aber natürlich nicht auf alle Sachsen gleichermaßen zu. So spiegelt sich die Verbohrtheit vieler Ostdeutscher und insbesondere in Sachsen eben auch in den Wahlergebnissen wider:

Bundestagswahlergebnisse in Sachsen 2021 (https://wahlen.sachsen.de/bundestagswahl-2021-wahlergebnisse.php), l.: Erststimme, r.: Zweitstimme
Bundestagswahlergebnisse in Sachsen 2021 (https://wahlen.sachsen.de/bundestagswahl-2021-wahlergebnisse.php), l.: Erststimme, r.: Zweitstimme
Landtagswahlergebnisse in Sachsen 2019 (https://wahlen.sachsen.de/landtagswahl-2019-wahlergebnisse.php), l.: Direktstimmenanteil, r.: Zweitstimme
Landtagswahlergebnisse in Sachsen 2019 (https://wahlen.sachsen.de/landtagswahl-2019-wahlergebnisse.php), l.: Direktstimmenanteil, r.: Zweitstimme

Landratswahlergebnisse in Sachsen 2020 / 2022 (https://wahlen.sachsen.de/landratswahlen-2022-wahlergebnisse.php); l.: Gemeinderatswahlen 2019 der drei großen Städte Leipzig, Dresden, Chemnitz (https://wahlen.sachsen.de/gemeinderatswahl-2019-wahlergebnisse.php); m.: Meißen 2020, r.: Restliche Landkreise in Sachsen 2022, blau: CDU, altrosa: parteilos, rot: Die Linke, grün: Die Grünen, grau: in dem Jahr wurde nicht gewählt

Im Unterschied zwischen den Ergebnissen der Bundestagswahl (2021) und der Landtagswahl (2019) fällt allerdings auf, dass man lieber nicht überwiegend die AfD wählt, sondern eher die Christdemokraten. Wenn es um die eigene Haut geht, ist man also toleranter, wenn auch nur wenig. Und wer meint, dass diese der Corona-Pandemie geschuldet ist irrt: Gleiches spiegelt sich auch in den Landratswahlen 2022 wider: Nicht mal ein einziger Landkreis konnte einen AfD-Landrat gewinnen (die Ergebnis-Karte ist derzeit noch nicht vollständig mit Legende online). Anscheinend wollen die Sachsen vor allem dem Rest Deutschlands zeigen, dass sie Einfluss haben und politisch nicht vergessen werden wollen. Aber je näher die Politik ans eigene Heim rückt, umso weniger radikal bzw. streitlustig denkt man (mit Ausnahme natürlich von Leipzig) – nachvollziehbar.

 

4.1 Sprache und Küche – ist abwechslungsreich (mal deliziös, mal katastrophal):

Dass die Sprache besonders unangenehm wäre, kann ich nicht behaupten. Allerdings verbindet man die Sprache immer auch mit bekannten Sprechern und viele dieser Sprecher benehmen sich nun einmal eigensinnig. Für mich hatte Sächsisch immer eine Ähnlichkeit mit Schwäbisch, vermutlich weil in beiden Regionen das „s“ zu einem „sch“ geschliffen wird. Beim Sächsisch wird eigentlich auch nur der Unterkiefer nach vorn geschoben und besonders viel geistige Entspannung an den Tag gelegt. Dass Thüringisch aber das gleiche wie Sächsisch wäre, kann ich nur lachend abwehren. Denn nicht nur die Kulinarik weicht deutlich voneinander ab, sondern auch deren Bezeichnungen. Zwar wird auch in Sachsen viel gegrillt, allerdings entstehen dabei vor allem „Roster“ statt echten Thüringer (Rost-)Bratwürsten, auch wenn’s auf den Schildern oft anders geschrieben steht. Dazu kommen Flecke (Innereien), komische Klöße und Quarkkeulchen. Ja, gut, de Eierschecke un‘ ‘s Weihnachtsgebäck, wie de Pulsnitzor Läbguch‘n odor dor Dresdnor Schtoll‘n sin‘ ni‘ schlescht. Un‘ erscht dor Meeßnor Fumm’l, kann’sch eusch sochn, da behumms’n se eusch von vorn bis hind’n, denn nüscht is‘ drinne, in diesor Flitzpiepe von Gebäck! De Nähe zur Tscheschei färbd nadierlisch och in dor Küche ob. Abor dort ohme im Arzgebirch‘ is(s) mor sowieso noch e‘mol ganze andorsch.

 

4.2 Feste – können sich sehen lassen:

Was das Feiern angeht lassen sich Sachsen nicht lumpen. Nicht nur überflüssige christliche Feiertage wie Heilige drei Könige oder Buß- und Bettag (nicht Bus- und Betttag!) werden hier begeistert begangen. Wichtig sind vor allem das Dresdner Neustadtfest und die Freilichttheater- bzw. Stauseefestivals im Sommer, die Weinfeste an der Elbe von Radebeul bis Meißen im Herbst oder die Bergparaden im Erzgebirge im Dezember. Mit den Weihnachtsmärkten bis in den Januar geht alles wieder von vorne los. Gut, feiern kann man in Sachsen. Von nachlassender Bedeutung sind mittlerweile die Montagsmärsche der Pegidaumzüge.

 

4.3 Verkehr – kann auf den Müll:

Hierfür lasse ich zunächst einen offenen Brief sprechen, den ich einst an die sächsische Polizei (kommunikation@polizei.sachsen.de) sowie das Verkehrsministerium (presse@lasuv.sachsen.de) schrieb hier leicht eingepasst:


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

„Auf Sachsens Straßen ist die Hölle los!“ Der Meinung wollte ich mich eigentlich nicht anschließen, als ich das von einem Bekannten hörte, der schon länger hier lebt. Aber bis dahin hatte ich noch keine längere Erfahrung mit dem Autofahren in Sachsen. Nachdem ich allerdings die letzten zwei Jahre jeden Tag von Freiberg nach Dresden meist durch den Tharandter Wald und auch berufsbedingt in ganz Sachsen fahre, muss ich diese Meinung für mich korrigieren: Wenn der Teufel Urlaub machen will, zieht er sich von Sachsens Straßen in die Hölle zurück!

Um kurz die Verkehrslage in Sachsen zu schildern: „prekär“ ist untertrieben. Aber was in Sachsen los ist, sprengt jede Vorstellung. Ich kenne die Unfallstatistik in Sachsen nicht (Tote bzw. Verletzte pro Einwohner bzw. zugelassenen Fahrzeugen) und es mag sein, dass Sachsen überdurchschnittlich gute Fahrer sind, zumindest glauben sie das. Denn sie zeigen es auch sehr deutlich auf der Straße. Vor allem Drängeln, unmöglich dichtes Auffahren (z. B. bei Tempo 70 mit unter einem Meter Abstand über mehrere Kilometer hinweg), halsbrecherische Überholmanöver, permanenten Rotverstößen an Ampeln und die mittlerweile ubiquitär verbreitete Blinker-Amnesie gekreuzt mit der Unart hinter mir wild zu hupen, wenn ich an uneinsichtigen Kreuzungen rechts vor links beachten will, weil ich absolut nichts sehen kann oder wenn ich eben nicht mehr bei rot fahren will. Schaue ich dann in den Rückspiegel, sehe ich nur noch vor Wut zur Unkenntlichkeit verzerrte Fratzen und wildes Gestikulieren, das jedes gesprochene Schimpfwort blass aussehen ließe. Meist kommen sogar alle Symptome gleichzeitig vor. Beinahe kunstvoll ist es schon, wie in unmöglich scheinenden Situationen überholt wird: so wurde ich in Freital innerorts bei Tempo 50 von einem Kleintransporter rechts überholt, nur weil die Straße dank eines Fahrradstreifens breit genug war. Dass Geschwindigkeitsbegrenzungen einer Mindestgeschwindigkeit oder gar einer Provokation bzw. einer Aufforderung zum Rasen gleich kommen, scheint man in der Fahrschule zu lehren, denn es hält sich niemand an Geschwindigkeitsbegrenzungen. Wer allerdings langsamer fährt (fast immer ältere Leute), fährt auch gleich 30 km/h im Ort, ohne dass dies notwendig wäre.

Soweit könnte die Situation fast für jede Region Deutschlands gelten. In anderen Ländern mag man ebenfalls riskant fahren (aus meiner Erfahrung z. B. in Großbritannien, Serbien, Russland oder Indien), oder unsicher (z. B. in China, Spanien oder U.S.A.). Aber selbst dort fallen schon Deutsche durch ihren arroganten Fahrstil auf (besonders Fahrer mit großen, teuren Autotypen) und da nehme ich mich nicht aus. In Deutschland scheint es ein Breitengradgefälle zu geben (die Dummheit steigt Richtung Norddeutschland, v. a. in Berlin). Sachsen sind unter den Deutschen meines Erachtens nun nochmal eine Ausnahme und der Gipfel dieses weltweiten Extrems liegt wohl im Erzgebirge, dort vor allem mit dem Kennzeichen „DW“, gefolgt von „FG“, „FTL“, „DD“ und „ERZ“. Meine Diagnose lautet daher: in Sachsen herrscht notorische Verkehrsschwachsinnigkeit. Das ist sicherlich nicht überall gleich ausgeprägt, denn im Erzgebirge habe ich diese Beobachtung schon länger gemacht und weiß es auch von anderen Leuten. Nicht umsonst sah ich insbesondere im Erzgebirge häufiger Heckscheibenaufschriften wie „Ich weiß, dass du schneller fährst, aber ich fahre vor dir“ oder „Wenn Sie noch näher auffahren, können Sie auch gleich selber lenken“. Und das trifft es ausgezeichnet. Die Fahrweise im Erzgebirge ist letztlich einer der Gründe, warum wir aus dieser Hölle wieder wegziehen. Denn wer jeden Tag berufsbedingt fahren muss, hat meiner Erfahrung nach im Rest Deutschland ein entspannteres Leben.

Es mag auch sein, dass dieses Verhalten durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde, denn im „Lockdown“ im März-Mai 2020 fuhren auf der Strecke Freiberg – Dresden zwar wesentlich weniger Fahrzeuge, aber die Fahrweise verschärfte sich exponentiell. Wenn man durch die Arbeit gezwungen ist zu fahren und ein erhöhtes Ansteckungsrisiko im Zug vermeiden will, führt all das zu einem erhöhten Stresslevel schon vor Arbeitsbeginn. Ich freue mich mittlerweile schon, wenn ein LKW oder Linienbus vor mir fährt, weil ich dann nicht für die „zu langsame“ Geschwindigkeit der Autokolonne verantwortlich bin. Denn insbesondere zu den Stoßzeiten gegen 6:30 bis 8:00 und 16:00 bis 17:30 ist die Stresslage besonders groß. Wenn die Kommunen Geld verdienen wollen, sollten sie also ständig wechselnd zu diesen Zeiten kontrollieren – und ruhig auch einmal in zivil getarnt versuchen wirklich vorschriftsmäßig zu fahren und selbst zu erleben, wie es einem dabei ergeht.

 

Ich habe mir eine Dashcam angeschafft, um die verrücktesten Verkehrssituationen und Kennzeichen auch später noch verfolgen zu können. Denn der Zusammenschnitt könnte mühelos einen abendlichen Spielfilm ersetzen. Wäre es mir das alles nicht selbst passiert, würde ich den Film irgendwo zwischen Tragikomödie und Psychothriller einordnen.

Oft wird nach mehr Geschwindigkeitskontrollen verlangt, wie es in Brandenburg und Baden-Württemberg bereits mit zum Teil drei Blitzgeräten pro Dorf der Fall ist. Meiner Auffassung nach kann eine höhere Blitzerfrequenz das Problem nicht allein lösen, denn es beruht auf der gesamten Fahrweise der Menschen. Zusatzschilder mit einem Wort (wie „Kinder“, „Baustelle“ oder Symbol (z. B. für „Kurve“) können auch mehr Verständnis für den Grund von Geschwindigkeitsbegrenzungen bei den Autofahrern erzeugen. Ich wäre außerdem eher für eine verpflichtende Fahrprüfung alle fünf Jahre, egal in welchem Alter. Denn auch das habe ich gemerkt: sowohl Männer als auch Frauen, sowohl junge als auch alte Autofahrer(innen), sowohl Fahrer(innen) kleiner Autos als auch großer zeigen dieses auffällige Verhalten. Im Übrigen sind auch Fahrradfahrer(innen) von diesem Verhalten nicht ausgenommen. Und von Motorradfahrern möchte ich gar nicht erst anfangen, weil diese Verkehrsteilnehmer (nicht nur, aber auch verstärkt) in Sachsen völlig „neben der Spur“ fahren und das besonders auf Autobahnen und in Kurven nicht nur im übertragenen Sinn. Vor allem die Lautstärke dieser „Maschinen“, wie die Anhänger dieses „Sports“ es liebevoll bezeichnen, hat akustisch mittlerweile Rockkonzerte und Düsenjets abgelöst und hallt nicht zuletzt ökosystemschädigend kilometerweit durch Wald und Flur (ebenfalls verstärkt im Erzgebirge). Möglich wäre auch eine Plattform, um Straßenabschnitte mit besonders hohem Stresslevel zu markieren. Das würde zumindest gestressten Fahrern wie mir eine Menge Frust ersparen.

 

Um diesem ganzen Verkehrsirrsinn zu entkommen, bleibt mir jedoch wohl nur der Trost durch dieses Schreiben meiner - nennen wir es einmal - „Verwunderung“ Ausdruck zu verleihen und auf die selbstfahrenden Autos der Zukunft zu warten. Denn dann ist mir egal, was um mich herum passiert und der Abstandshalterassistent würde ohnehin auf den richtigen Abstand achten.

 

(Mit knapp überlebten Grüßen)

 

Ansporn zum Rasen
Ansporn zum Rasen

Die Antwort? Die Polizei meinte, ich solle mich ans Verkehrsministerium wenden und das Verkehrsministerium meinte, ich solle doch die tatsächlichen Verkehrssünder bei der Polizei anzeigen, statt mich bloß zu beschweren. War ja klar. Falls ich diesem Vorschlag allerdings folgen wollte, wäre ich den ganzen Tag nur mit Anzeigen beschäftigt und so pedantisch bin ich dann doch wieder nicht.

Irgendwas muss ich in der Fahrschule nicht mitbekommen haben: denn ist es z. B. unter ca. 70 % der Motorradfahrer fast ausschließlich in Sachsen Sitte an den wartenden Fahrzeugen einer roten Ampel entweder rechts oder links vorbei zu fahren bis man ganz vorne steht, um dann als erster los-kavallier-starten zu können!? Insbesondere bei nichtkatalysierten „Simmen“ (alte DDR-Simson-Mopeds) ist es besonders unlustig deren ungefilterte Auspuffgase, welche jede Abgasnorm verhöhnen, in die Lüftung gepustet zu kriegen. Auch von Autos innerorts überholt zu werden scheint ein üblicher Vorgang zu sein und als Grund reicht schon, dass der Überholte statt der vorgeschriebenen 50 km/h „nur“ 60 km/h fährt. Dann ist ja „logisch“, dass man mit mindestens 70 km/h (immer noch innerorts, wohlgemerkt!) überholen muss. Auch wenn man an der nächsten Ampel garantiert hinter der Warteschlange anhalten muss. Alles andere wäre ja auch keine adäquate Testosteronüberproduktionsdemonstration – übrigens auch bei Frauen! Kein Wunder, wenn denen Haare an allen möglichen und unmöglichen Körperstellen wuchern, wie auch auf den Zähnen. Denn während dieser haarsträubenden Überholmanöver wird üblicherweise auch lautstark gehupt, bitterböse Gift und Galle in Richtung des „Verkehrshindernisses“ gespuckt und teils obszön gestikuliert. Beim Auffahren hängt der Hintermann meist so dicht an einem dran, dass man nicht einmal mehr sein Nummernschild lesen kann. Man glaubt einen Anhänger mitzuschleifen oder vielmehr die Zugmaschine eines Road-Trains zu sein, da auch hinter dem Drängler wiederum Drängler drängeln. Einer schaffte es sogar mir so dicht aufzufahren, dass der Tote-Winkel-Assistent ansprang. Aus Prinzip fuhr ich dann meist langsamer als erlaubt war, mit der Begründung (für mich selbst), dass zumindest einer einen gewissen Sicherheitsabstand wahren müsste, wenn der Hintermann es schon nicht kann. Und je langsamer man fährt, umso geringer ist der Sicherheitsabstand!

Manches Mal möchte ich schon Beifall klatschen, weil ich mich im Zirkus wieder zu finden glaube und ungläubig über die Kunststücke staune, die mir da geboten werden: In Dresden überholte mich bspw. jemand in einer einspurigen 30iger Zone auf Kopfsteinpflaster mit ca. 50 km/h – die kurze Phase der Fahrbahnverbreiterung einer gleichberechtigten Kreuzung ausnutzend. Oder in Freital wurde ich von einem Lieferwagen innerorts rechts (!) überholte, als sich die Gelegenheit bot, den abgetrennten Fahrradstreifen für den Start in den Feierabend zu nutzen.

Das alles ist im Übrigen keine Ausnahme, sondern alltägliche Normalität. Im Schnitt passierte das jeden zweiten Tag auf meinem Arbeitsweg. Über zwei Jahre hinweg gibt dieser Eindruck wirklich ein ernüchterndes Bild der sächsischen Straßenbevölkerung. Ich fragte mich schon, ob es sich überall in der BRD mittlerweile in diese Richtung entwickelt hatte oder ob sich das neuerdings durch die Corona-Pandemie-Einschränkungen so brutal auswirkte. Aber überall sonst ging es gesitteter zu als in Sachsen. Irgendwas liegt hier im Wasser, vielleicht verursacht durch die vielen Altlasten im Boden? Doch meine Beobachtung zeigte mit der Zeit etwas anderes. Denn auch Auswärtige passten sich diesem selbstzerstörerischen und aggressiven Fahrverhalten an – und zwar sobald man sich auf sächsischen Straßen bewegte. Führt das Bewusstsein in diesem bestimmten Bundesland unterwegs zu sein zu einem Gefühl der plötzlichen Freiheit oder einer natürlichen Aggression? Liegt es vielmehr in der Luft, die man hier atmet? Oder glaubt man, „jetzt bin ich einmal in Sachsen, da ist auch schon alles egal“? Leider hat sich diese Entwicklung zumindest auf die Autobahn A4 mittlerweile bis Hessen in diese Richtung fortgesetzt.

Zwei besonders heftige Vorfälle seien hier noch einmal geschildert:

-    Nach der Auffahrt auf die A4 (nach Westen Richtung Chemnitz) erkannte ich etwa 100 m hinter mir einen gelben Transporter und entschied den LKW vor mir noch zu überholen. Schon in dem Moment des Blinkens gab der Transporter mehrmals Lichthupe und hörte damit auch nicht auf bis er dicht hinter mir war. Daraufhin bremste ich etwas irritiert kurz ab und beschleunigte dann wieder. Der Transporter überholte bei nächster Gelegenheit auf der linken Spur, jedoch nicht um zu überholen, sondern um ein Foto oder Video mit seinem Handy von mir zu machen und ließ sich wieder zurückfallen, um weiter dicht aufzufahren. Danach wartete er eine Gelegenheit ab, um mich knapp überholen und viel zu dicht vor mir auf meiner Spur einscheren zu können.

-     Wiederum auf der A4 (nach Osten Richtung Chemnitz) fuhr ich dieses Mal auf eine Parkplatzausfahrt zu, blinkte und sah hinter mir einen ausländischen LKW beschleunigen und dicht näher kommen. Da ich davon ausging, er wolle weiterfahren bog ich wie angezeigt auf die Ausfahrtsspur zu und erkannte schon eine Dauerlichthupe die mittlerweile ins Fernlicht übergegangen war, weil der LKW ebenfalls abbog und wohl erwartet hatte, dass ich meinen Abfahrtsvorgang für ihn abbrechen würde, damit er mich auf dem Standstreifen rechts überholen könnte. Als er merkte, dass ich das nicht tat, schon weil ich so schnell gar nicht wieder auf die Autobahn ziehen konnte ohne ein Schlingern oder Zusammenstoßen mit nachfolgenden Autos zu riskieren, fuhr er noch dichter auf und hupte zum Fernlicht wild, weil ich natürlich abbremste, um nicht aus der starken Ausfahrtskurve getragen zu werden. Bis heute frage ich mich, was er gemacht hätte, wenn ich nicht gebremst hätte. Denn mit der Geschwindigkeit, die er drauf hatte, wäre er (zudem mit dem Schubgewicht seines LKW) garantiert einfach in den Grünstreifen gebrettert. Schließlich folgte er mir noch auf den PKW-Parkplatz als ob nichts gewesen wäre und grinste blöd daher. „Fast and furious“ feat. „Idiocracy“, glaubt man hier zitiert zu sehen.

Straßensachsen sind „Superfast“ (https://www.youtube.com/watch?v=T4f75YSmm1c )
Straßensachsen sind „Superfast“ (https://www.youtube.com/watch?v=T4f75YSmm1c )

Diese Rücksichtlosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, solches gefährliches Testosterongehabe und die völlig selbstüberschätzten Egofahrmanöver mögen sicher auch anderen aufgefallen sein. In dieser Frequenz habe ich es allerdings und in dieser Form nur auf sächsischen Straßen erlebt! Nicht waren die Sachsen Autobahnen gesäumt von liegen gebliebenen Karossen auf dem Seitenstreifen und im winterlichen Tharandter Wald von Blechschrott im Straßengraben. Bezeichnend dafür ist, dass offensichtlich auch die Baustellenarbeiter, das Ordnungsamt oder die Polizei den sächsischen Fahrkünsten nicht traut, da sie seit ein paar Jahren flächendeckend 60 km/h Höchstgeschwindigkeit und auf einem 20-km-Abschnitt der A4 sogar 40 km/h verordnet hatte! Wer sollte sich auf einer geraden Strecke mit zwei Spuren und genügend Platz daran halten? Wohlgemerkt: Diese Geschwindigkeitsbegrenzung galt auch an arbeitsfreien Wochenenden – wobei auch an Wochentagen kaum jemand zu sehen war, der dort arbeitete. Zum Vergleich: in Brandenburgs Autobahnbaustellen ist meist 60 km/h verordnet, in Thüringen 80 km/h, während in Bayern auf engeren und kurvigeren Baustellenabschnitten der Autobahn großteils sogar 100 km/h erlaubt ist, also über das Doppelte und auch sonnabends gearbeitet wird!

 

5. Untersuchungsergebnisse: Städte-Kultur

Eine Auswahl sächsischer Städte sei hier charakterisiert:

 

5.1 Dresden – Elbflorenz:

Zwinger
Zwinger

Nur zwei Jahre nach dem Goldmünzenraub aus dem Bode-Museum in Berlin 2017, wurde aus dem Grünen Gewölbe ein historischer Juwelendiebstahl bekannt. Beide Male arbeitete ich zu dieser Zeit in einer dieser beiden Städte. Zufall? Unbedingt!

Aber auch sonst hat Dresden einiges mit Berlin gemeinsam: beides sind Landeshauptstädte, weltbekannte Kulturstätten, Touristenanzugspunkte, Garten- und Zoozentren, typisch für Ostdeutschland, haben viel Grün, eine lange Geschichte als Residenz, in Kunst und Politik sowie einen markanten Dialekt.

Die Stadt selbst liegt hübsch im Elbtal eingebettet und zieht sich entlang des Flusses, umgeben von Hügelchen und Wald. Kultur und Natur wachsen nah beieinander, wenngleich natürlich auch dort Industriezentren wie der Elbepark oder Plattenbausiedlungen wie Prohlis das Bild trüben. Und ob der Flughafen in Klotzsche wirklich sein muss, bei der geringen Auslastung und dennoch hoher Lärmbelastung der Anwohner, ist die nächste Frage.

 

5.2 Freiberg – Weltkulturerbe:

Wir hatten uns gegen eine teure Wohnung in der Innenstadt und ohne Parkplätze, aber dafür mit Kopfsteinpflaster entschieden und waren stattdessen nach Wasserberg in einen günstigeren, modernisierten Plattenbau mit Parkmöglichkeiten gezogen. Während unserer Zeit in Freiberg stieg die Stadt nun zum Zentrum des Weltkulturerbes Erzgebirges auf, wovon in einem der überwiegenden Plattenbauvierteln nichts zu erkennen war. Lediglich die Innenstadt bietet Touristen ein bis zwei angenehme und abwechslungsreiche Urlaubstage. Doch durch die Corona-Pandemie hatte sich auch der Besucherstrom deutlich verringert. Das veranlasste die Stadtväter freilich im ersten Coronajahr nicht den Weihnachtsmarkt statt zentral auf dem Marktplatz anzusiedeln nun durch die angrenzenden Straßen zu verlegen – so konnten die Menschen noch besser miteinander kuscheln.

Aber auch in unserem Hauseingang gab es unsinnige Überlegungen solchen Ausmaßes. Der Raucher unter uns beispielsweise machte sich schon im Treppenhaus durch seine geruchsauffällige Art und Weise bemerkbar und setzte dies auch außerhalb der Fenster fort, indem er sich dort in unsere Richtung erstaunlich weit über die Balkonbrüstung lehnte und durch das Gewicht seiner Kettenraucherzigaretten beinahe vornüber gefallen wäre, uns allerdings vor allem mit seinen Abgasen peinigte und obendrein alle zehn Minuten vom Lüften der Räume abhielt. Darauf angesprochen, ob er nicht in eine andere Richtung Respirieren könne meinte er in ernstem, wenn nicht gar wütendem Ton schließlich, dass Atmen nur was für Ökos sei. Wäre es weniger zornig gesagt worden hätte ich es für einen absichtlichen Witz gehalten, konnte unter diesen Umständen aber nur über seine Dummheit lachen.

Schaubergwerk im Winter
Schaubergwerk im Winter

Zum Lachen ist dagegen der Freiberger Bahnhof eher weniger geeignet. Man möchte an dem Haltepunkt von Dresden kommend nicht aussteigen und lieber nach Chemnitz weiter fahren (und das will was heißen!) oder weinen, weil man doch irgendetwas in der Stadt zu schaffen hat. Allein der Anblick des Bahnhofsgebäudes ist von schauriger Tristheit, einem „Lost Place“ gleich kommend, wenn nicht die Fahrradberge davor das Gegenteil bezeugen würden. Doch wahrscheinlich sind auch diese klimafreundlichen Mobilitätsgeräte schon vor langer Zeit aus Schreck zurückgelassen worden. Respekt zolle ich dennoch den beiden Bahnangestellten, die zu jener Zeit noch in dieser heruntergekommenen, von eingeschlagenen Fenstern und fehlendem Putz strahlenden Ruine wenige Stunden am Tage ihren Dienst verrichten. Der Angst-Bahnhof von Freiberg ist Schauplatz rechter Gewalt, Drogenumschlagsplatz und Ort so mancher Vergewaltigungsfantasie des zwar kleinen, doch berüchtigten Bahnhofsviertels „Bahnhofsvorstadt“. Die Unterführung von „Hinter dem Bahnhof“ trägt ihren Teil zur dieser Horrorfilmvorstellung bei, scheint sie doch das Vorbild für den Harry-Potter-Film „Der Orden des Phönix“ gewesen zu sein, so dass man bei dem Durchschreiten sogleich glaubt von einem Dementoren aller positive Energie beraubt zu werden. Tatsächlich sollen Opfer allerdings bloß der Geldbörsen und des Lebens entledigt worden sein.

Schloss Freudenstein und Schlossplatz, Schaubergwerk mit Hunt / Lore, Frühling in Freiberg
Schloss Freudenstein und Schlossplatz, Schaubergwerk mit Hunt / Lore, Frühling in Freiberg

Man merkt: In Freiberg dreht sich vieles um die Bahn, nicht nur bei der Bezeichnung der Stadtviertel. Schon der Bergbau nutzte die Hunte und Loren zur Beförderung des Silbererzes, welche man in einem der Schaubergwerke immer noch erleben kann. Einen ganzen Meter kamen die Bergleute damals durch den Felsen voran – pro Jahr! Und auch dabei sind schon einige jämmerlich zu Grunde gegangen. Denn zwar hat diese Geschichte der Stadt eine Technische Universität hervorgebracht, die Bergakademie, aber das Bergmannsleben war dennoch reichlich mühsam – und vor allem kurz. Die Bahnstrecke zum Transport des menschlichen Erzes heute ist dagegen doch etwas bequemer und „zügiger“.

Nicht nur wie zuvor beschrieben kann man sein Leben in Freiberg lassen. Von Mord- und Unfällen war in unserer dortigen, zweijährigen Lebenszeit des öfteren zu hören. Direkt im Nachbareingang ereignete sich zudem der Fenstersturz eines dreijährigen Kindes aus dem 5. Stock. Selbst wenn es überlebte: wenige Monate später passierte das gleiche in Freiberg erneut. Der Stadtwaldbadeteich wurde gleich ganz gesperrt, wegen Kampfmittelfunden. Er heißt ja auch „Soldatenteich“. Die ganze Zeit über während unserer Daseinsperiode im Erzgebirge befand sich das Gewässer jedenfalls in der Beräumungsphase.

Wo derart viele Wege existieren ins Gras zu beißen - was man bei der Schwermetallbelastung um Freiberg tunlichst vermeiden sollte, wenn man nicht schon bald den Löffel abgeben will - muss man sich allerdings mit etwas Kultur über die Beschwerlichkeiten hinwegtrösten. Folglich gibt es in der Stadt neben zahlreichen Kirchen, Museen und der „terra mineralia“ (naturkundliche Gesteinssammlung) auch ein eigenes Theater, sogar das älteste noch bespielte Stadttheater überhaupt (also von der Stadt finanziert, nicht vom Land) und einige, sehr gute und teils witzig gestaltete Gasthäuser, wie die böhmisch kochende „Stadtwirtschaft“ oder das urige Kartoffelhaus oder der mittelalterliche Pfeffersack oder der Inder im Deutschen Haus oder, oder, oder …

Felder im Mai, Juni, Juli
Felder im Mai, Juni, Juli

Doch obwohl die Stadt 400 m hoch liegt und auch mit Schnee zu rechnen ist, dessen die Stadt teils nicht mehr Herr wird, gibt es praktisch keinen Rodelhang. Es ist einfach zu flach, keine befahrbaren Berge weit und breit.

Im Stadtwald trifft sich nicht nur während des Coronalockdowns alles wieder. Auch dem Borkenkäfer gefällt es so gut, dass ganze Waldpartien kahl geschlagen werden mussten. Wie dann allerdings mit dem Harvester und anderem schweren Gerät der Boden unwiederbringlich verdichtet wird kann auch der dadurch entstehende Lebensraum temporärer Wasserökosysteme für Molche und Lurche nicht mehr retten. Zu marginal dürften die kleinen Pfützen sein, welche nicht ohnehin durch die zahlreichen, künstlichen Teiche ersetzt werden könnten, welche aus der Bergbaufolgelandschaft resultierten.

5.3 Leipziger Allerlei:

Klein-Berlin und Experimentierlabor der alternativen Szene – das ist Leipzig. Nicht so schön wie Dresden, aber genauso geschichtsträchtig und wahrscheinlich noch ostdeutscher und durch Messe und Künstlerszene gleichzeitig kosmopolitischer. Auf jeden Fall aber links bis ins Mark. Nicht nur Connewitz mit seinen regelmäßigen Ausschreitungen, sondern auch im Bahnhofsviertel ist einiges los. Selbst das Büro der Linken hat dort schon zu gemacht, weil es den Linken offensichtlich zu links wurde (ist eine Straße weiter nach rechts gezogen) und es wurde eine Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße eingerichtet. Wobei ich mich bei einer „Waffenverbotszone“ frage, ob nicht überall Waffen verboten sind? Aber gut, es ist schließlich symbolisch gemeint! Denn wen würde es dort jucken, wo sich Polizisten ohnehin nicht mehr rein trauen? In Leipzig jedenfalls passiert es auch, dass die Bewohner einer Wagenburg - welche im übrigen auch Lesungen und Kinoabende anbieten - auf einem fetten Grundwasserschaden sitzen (bereits oben beschrieben), weil sie noch vor der Sanierung einfach mal beschlossen das ohnehin brachliegende und umzäunte Gelände zu besetzen und zu „nutzen“, so dass weder das Gelände saniert werden kann, noch die Wagenburgbesitzer vor Vergiftung sicher leben können. Denn das verseuchte Grundwasser wird ja auch - natürlich illegal - zum Kochen und Duschen verwendet. Ist ja auch praktisch, wenn man gleich mehrere Grundwassermessstellen als Brunnen und praktisch frei verfügbaren Wasserhahn vor der Haustür hat. Die offenen und ungesicherten Domschächte der unterirdischen Tanks interessieren auch niemanden, denn wer rein fallen sollte kommt aus der Brühe eh nicht wieder lebend raus und die direkt daneben spielenden Kinder hat auch niemand wirklich gezählt!

Leipzig – Das Berlin Sachsens (MDR-Gebäude, Leipziger Zoo, Silvester im Industriebunker)
Leipzig – Das Berlin Sachsens (MDR-Gebäude, Leipziger Zoo, Silvester im Industriebunker)

 

5.4 Chemnitz - nä?:

Ist eine große Altlast. Viel Arbeit für unsereinen. Eigentlich wäre die Stadt schön gelegen, am Erzgebirgsrand – wenn die Großindustrie nicht wäre. Bis heuer abgeschnitten vom Fernverkehrsnetz liegt diese Großstadt verschlafen weit weg vom Weltgeschehen. Und war doch - oder deswegen - nominiert für die Kulturhauptstadt Europas 2025. Irgendetwas muss also dort sein, was es einen Besuch wert macht. „Allein mir fehlt der Glaube“ – ich habe es jedenfalls nicht gefunden.

 

5.5 Meißener (Ge)fummel:

Noch so eine kulturelle Protzburg – nicht nur die krankhaft alte Albrechtsburg (immerhin das älteste Schloss Deutschlands!) und die lieblich-mittelalterliche Meißner Innenstadt trieb uns immer wieder hierher. So sind auch der Weinanbau und die Küche nicht zu verachten. Hier wurde im Mittelalter die sächsische Politik gemacht und hier wurde das europäische Porzellan erfunden. Gut, der ebenso zerbrechliche „Meißner Fummel“ wird selbst von den ortsansässigen Bäckern als „fad“ im Geschmack bezeichnet. Aber selbst dieses Gebäck hat seine Geschichte und seinen eigenen Wikipedia-Eintrag.

 

5.6 Fotoauswertung sonstiger Ortschaften:

Und ja: Görlitz, Bautzen, Königstein, ja selbst Riesa und so weiter sind interessante Siedlungen. Aber man muss ja dem geneigten Sachsentouristen nicht alles vorweg nehmen.

Zwischen den beschriebenen Ortschaften liegen mehr oder weniger „blühende Landschaften“, wie die Lausitz, das Vogtland, Elbsandsteingebirge, Erzgebirge oder das Leipziger Tiefland.

Tharandt
Tharandt
Stollberg, Auerbach (Vogtland), Grillenburg
Stollberg, Auerbach (Vogtland), Grillenburg
Festung Königstein, Moritzburg
Festung Königstein, Moritzburg
Eibenstock
Eibenstock
Augustusburg
Augustusburg

Manchmal treiben aber auch die kleineren Ortschaftsnamen seltsame Blüten, wie im Folgenden dargestellt werden soll…

 

5.7 Ortsnamen:

Abgesehen von den oft ohnehin schon langen und umständlichen Ortsnamen wie Johanngeorgenstadt, Ehrenfriedersdorf, Großrückerswalde, Heinsdorfergrund, Großhartmannsdorf, Seifhennersdorf, Mittelherwigsdorf, Wittichenau, Lampertswalde, Großweitzschen, Cavertitz, Neukieritzsch, Markkleeberg, Zschepplin, usw. (welche wohl größtenteils bereits durch Zusammenlegungen entstanden) zeigt Sachsen eine überdeutliche Vorliebe für lange Doppelnamen bei Orten (ähnlich auch bei Kindernamen – oder kommt das durch die Kinderlosigkeit, also die fehlenden Einwohner?). Meine Favoriten sind fett markiert:

Ottendorf-Okrilla, Morgenröte-Rautenkranz, Annaberg-Buchholz, Limbach-Oberfrohna, Brand-Erbisdorf, Hohenstein-Ernstthal, Aue-Bad Schlema, Wilkau-Haßlau, Pockau-Lengefeld, Rechenberg-Bienenmühle, Bad Gottleuba-Berggießhübel, Dürrröhrsdorf-Dittersbach, Doberschau-Gaußig, Ebersbach-Neugersdorf, Schmölln-Putzkau, Demitz-Thumitz, Bertsdorf-Hörnitz, Nausalza-Spremberg, Ralbitz-Rosental, Panschwitz-Kuckau, Sornzig-Ablaß, Belgern-Schildau, Regis-Breitingen, Königshain-Wiederau, Grünhain-Beierfeld, Raschau-Markersbach, Pausa-Mühltroff, Bobritzsch-Hilbersdorf, Rosenthal-Bielatal, Reinhardtsdorf-Schöna, - ich könnte den ganzen Tag so weiter machen - Schönau-Berzdorf auf dem Eigen, Kreba-Neudorf, Diera-Zehren, etc.

 

Mittlerweile färbt diese Dopplungswut schon auf die grenznahen Ortschaften in anderen Bundesländern ab, z. B.:

 

in Thüringen:

Langenleuba-Niederhain, Zeulenroda-Triebes, Auma-Weidatal, Saalburg-Ebersdorf,

 

in Sachsen-Anhalt:

Weißandt-Gölzau, Bitterfeld-Wolfen, Raghuhn-Jeßnitz, Wettin-Löbejün, Sandersdorf-Brehna, Dessau-Roßlau, Zahna-Elster, Oranienbau-Wörlitz)

 

und in Brandenburg:

Jämlitz-Klein Düben, Hornow-Wadelsdorf, Neiße-Malxetal, Lichterfeld-Schaksdorf, Dissen-Striesow, Schmogrow-Fehrow, Byhleguhre-Byhlen, Krausnick-Groß Wasserburg, Doberlug-Kirchhain, Kasel-Golzig, Uebigau-Wahrenbrück, Gorden-Staupitz, Massen-Niederlausitz, Rietzneuendorf-Staakow, Nuthe-Urstromtal, etc.

 

Wann werden die ersten Tripelnamen auftauchen? Viele Bezeichnungen zeigen ja die durch Slawen vergebenen Ortsnamen an:

ow,

itz / ‑itzsch,

‑ig / ‑ick

 

oder durch Germanen besiedelte Gebiete, z. B.:

heim,

hausen,

städt,

dorf,

burg,

berg,

au,

a.

 

Ich nehme allerdings lieber die Grenzen dieses Wahnsinns von Ortszusammenlegungen und Gebietsreformen:

Umkreis von Doppelnamen von Orten
Umkreis von Doppelnamen von Orten

 

6. Kultivierte Natur in Sachsen

Da wir schon in dichter Nähe zum Tharandter Wald wohnten und dort bekanntlich von Hans Carl von Carlowitz der Nachhaltigkeitsbegriff entworfen wurde, soll am Ende auch niemand sagen, ich hätte die sächsische Natur nicht gewürdigt: 

Tharandter Wald bei Grillenburg

 

7. Fazit / Gefährdungseinschätzung

Letztlich hat aber vor allem Carola – äh, Corona dazu geführt, dass wir in Sachen Sachsen keinen wirklichen Anschluss gefunden haben. Kultur, Natur und auch viele Menschen stellen sicherlich einen Pluspunkt für Sachsen dar. Die schlechten Arbeitsaussichten trotz früherer Industriezentrie mit befristeten oder schlecht bezahlten Stellen oder Chancenlosigkeit wegen fehlender Beziehungen begründeten dann - unterstützt von einigen anderen Gründen, siehe z. B. Kapitel „Verkehr“ - unseren Wegzug.

 

Bereich

Risiko

Maßnahmen

Schadstoffe

Gefährlich – ubiquitär v. a. im Bereich Chemnitz bis Freiberg

Bloß weg hier!

Gebäudeverfall

Reichlich – macht aber nix

Stehen lassen – Lost Places sind Touristenmagneten.

Arbeitsmöglichkeiten

Vorhanden – Situation ist mau, wenngleich besser als kurz nach der Wende, aber ausbaufähig

Mehr qualifizierte Stellen, bessere Löhne – jetzt!

Menschen

Können vorkommen – bodenständig, heimatlich verwurzelt, man könnte sagen: radikal

Ignorieren, wenn man nicht dazugehört.

Sprache und Küche

Geschmacksache – Süßes schmeckt, aber Finger weg vom Herzhaften!

Probieren! Sachsen ist da immer für Überraschungen gut.

Feste

Ausgiebig – alles wird gefeiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist

Einfach mitfeiern.

Verkehr

Extrem – v. a. in Gebirgslagen

Weiträumig umfahren.

Städte

Abwechslungsreich – von weltweit bekannten Kulturerbezentren bis ganzen Industriebrachen ist alles da

Anschauen, Fotos machen, und wenn man’s hat: Geld in einen Hauskauf anlegen.

Ortsbezeichnungen

Doppeldeutig – kaum ein Ortsschild, das nicht nachträglich erweitert werden musste

Nicht darüber nachdenken.

Natur

Kulturbedingt hübsch – kann sich sehen lassen

Genießen.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer nach Sachsen kommt hat zwei Überlebensoptionen: kaufen oder laufen. Egal wofür man sich entscheidet: aber beides möglichst schnell!

 

7.1 Sanierungsvorschlag:

Die Altlastenbelastung und Schadstoffgefährdung bleibt allerdings weiterhin hoch, wenngleich durch bessere Umweltgesetze und fortschreitende Sanierung mehr und mehr Altlasten aus dem Kataster („SALKA“) verschwinden. Dennoch kommen stets neue Schadstoffe hinzu (PFC, Mikroplastik, etc.), die letztens noch kein Gefahrenpotential aufwiesen, weil die Forschung darüber voranschreitet. Es bleibt also spannend!

Und die kulturellen Altlasten wie den grauenerregenden Verkehr oder die unsinnig langen und doppelten Ortsnamen wird Sachsen wohl nie los.

 

7.2 Handlungsempfehlung:

„Altlastenbearbeitung heißt aus der Vergangenheit lernen und für die Zukunft erneuern.“

Ich bin also gekommen um Sachsen zu sanieren – und wieder gegangen, weil es einfach keinen Sinn hatte! Sachsen ist verloren, an sich selbst. Lasst sie einfach machen – ich bin weg. Aber aufgeben? Nein, ich mache nur an anderer Stelle weiter ;)

 

gez. ppa., i. V. und i. A. Thüringenser


Anhang (Fotodokumentation)

 

Märchenhafter Pfaffenstein: