Missionierung: Portugal

Ein Mönch unter Nonnen – Auf den Spuren des Ökosystem-Katechismus

 

Zur Erklärung des möglicherweise ungewöhnlichen Titels und Berichtsstiles: Die nun folgende Uni-Exkursion trat ich als einziger Herr, also als herrliches, ähm ... "männliches" Wesen unter sieben Damen, also dämlichen ... äh, "weiblichen" Wesen an. Um also auch einmal eine Minderheitensichtweise darzulegen, folgt nun die Betrachtung aus einer mönchischen Perspektive zwischen nönnischen Mitstreiterinnen, womit der Koryphäe und dem Koryphäerich der Genderifizierung hoffentlich genüge getan sei und sie weder als Geisel noch als Geiselin (oder hieße es korrekterweise "GeiselINNEN"?) der deutschen Grammatik zurückzulassen:

 

Schon lange besteht im Glauben der christlichen Kirche die Frage nach der Trennung von Mann und Weib. Unsere geistlichen Führer gaben uns viele richtungsweisende Vorgaben und doch müssen wir eingestehen, dass all diese Regeln nur provisorische Hinweise waren, mal mehr und mal weniger streng befolgt, doch dass wir noch immer nicht wissen, welche Lebensweisen am gottgefälligsten sind. Allein die ständigen Änderungen der Regeln zeigen, wie wenig diese Gesetze am Willen des Herrn orientiert sind und dass wir Menschen stets von einem Irrtum zum nächsten stolpern, nur durch Gottes Gnaden in die richtige Richtung zurück gelenkt. Und obwohl wir Menschen lange Zeit annahmen, dass die Frauen das schwache Geschlecht seien, müssen wir doch zugeben, dass viel zu oft der Manne den weiblichen Reizen erliegt. Aus diesem Grund war es eine große Herausforderung gegen die Fleisches(s)lust für mich auf dieser Glaubensmission zwischen den Ordensschwestern zu bestehen. Im Folgenden sei davon berichtet.

 

Der Missionsbesuch der Außenstation unseres Ordens der Agrarökosystemforschung in Coruche, Portugal folgte dem erfreulichen Zweck der Auflösung der Missionsstation, da alle Versuche der Bekehrung von den Subpriori Arno und Marlen erfolgreich durchgeführt wurden. Nur zu Übungszwecken und Hilfe bei der Rückkehr wurden einige Brüder und Schwestern zur Mission beordert. Als einziger Bruder mit zwei Schwestern und zahlreichen Novizinnen kam uns somit eine besonders schwierige Aufgabe als Mittler zwischen dem altgestandenen Wissenschafts-Klerus und den jungen Kirchenmitgliedern zu, denn diese sind noch nicht immer von den profanen Denkweisen gelöst oder haben gar die Göttlichkeit der heiligen, systematischen Vorgehensweise entdeckt. So galt es sie auf unserem eigenen Weg zum Geist der Naturwissenschaft mitzunehmen.

Die lange Reise mit der Ordenskutsche begann im beschaulichen Bayreuth und führte durch die Provencen des Frankenlandes bis nach Bordeaux, wo wir mit Gottes Hilfe überraschend früh eintrafen und entschieden, unser Glück noch ein Stück länger zu erproben und bis Einbruch der Dunkelheit am Atlantik entlang weiter zu fahren. Da sich die örtlichen Gaststuben jedoch leider als völlig überfüllt herausstellten, mussten wir unsere anstrengende Reise weiter fortsetzen und entschieden uns währenddessen nicht länger zu suchen, sondern rasch anzukommen und uns lieber am Ziel von den Strapazen zu erholen. Denn die Fahrt über die Pyrenäen bei Nacht ist anstrengend und viel Mühe kostete es mich die abwechselnd kutschierenden Fahrerinnen mit meinem Gerede wach zu halten, während wir durch San Sebastian und Bilbao fuhren und die restliche Gemeinschaft den Schlummer der Unschuldigen schliefen.

 

Herdade da Agolada de Cima (Gutshof zur Übernachtung)

Galgenstrickglocke
Galgenstrickglocke

Ein Kleriker sollte nun nicht gerade in überschäumender Emotion schwelgen, doch von der Herdade „da Agolada de Cima“ als Unterkunft könnte ich noch lange schwärmen: ein wunderschön erhaltener, portugiesischer Gutshof im herrschaftlichen Kolonialstil, umgeben von Wäldern und Wiesen und eingerichtet mit herrlichem, alten Mobiliar ist diese Herdade eine Weide für die müden Augen. Sogar eine eigene Kapelle, sehr schön hergerichtet, lag zu unseren Füßen, wenngleich wir bedauerlicherweise nicht viel Zeit zum Beten finden würden. Nur etwas erschreckte mich die Glockenschnur, der seitlich an der Wand angebracht war. Die Schlaufe daran schien mir zu sehr die Größe eines Galgenstricks zu gleichen und die Höhe, in der sie angebracht war, passte seltsamerweise grotesk dazu!

Nach einer Ruhepause, wie es der Herr am Sonntag befiehlt, erkundeten wir die Umgebung und fanden sogleich eine erquickende Labstatt für die Glieder. Denn nichts ist wohliger als ein mit kühlem Nass gefülltes Becken in der Sommerhitze der südlichen Länder.

Bald schon trafen auch die Mutter Oberin und eine weitere Schwester ein, zur Unterstützung der Betreuung der Novizinnen. Infolgedessen beobachteten wir des Abends auf Anleitung der Mutter Oberin Christina hin die Bräuche der hiesigen Menschen, die einen Stiertrieb mit einem Volksfest feierten, wobei die Nachbarn der Dörfer auf dem Versammlungsplatz zusammenkamen und ihre Speisen und Tränke darboten. Zum Glück verbietet unser Orden nicht den Genuss des hervorragenden Weines und des auch ganz passablen Bieres, sodass wir an dieser wohlmundenden Sitte teilhaben konnten.

 

Der ansässigen Ordensgemeinschaft in Lisboa waren wir verpflichtet am folgenden Tag ebenso einen Besuch abzustatten, wobei sich die Gespräche vorrangig auf den Austausch der neuesten Gedanken zu den studierten Testamenten und Passagen über die Auslegung der Forschungsergebnisse zu den stabilen Isotopen, Messtechniken des LAI (Leaf area Index), Klimadaten und Wuchserscheinungen der Korkeichen-Montados (extensiv genutzte Weidewirtschaft) sowie des Unterwuchses erstreckten. Nicht nur die Nutzung des Fachlateins (bzw. Wissenschaftsenglisch in diesem Fall) bereitete uns einfachen Klostergeistlichen Mühe, die wir doch die Fachliteratur vor allem nur in dunklen Gemäuern studiert hatten. Vielmehr auch die trockene Hitze und speziellen Themen der Gedanken, in die sich die Referenten vertieft hatten, trieben uns die Schweißperlen auf die Stirn. Daher beschlossen wir die Fachdiskussion mit unserer Abwesenheit zu bereichern und uns die Lebensumstände und die Beschaffenheit des Seelenheils in dieser berühmten Hafenstadt näher zu Gemüte zu führen. Dabei fielen vor allem die bunt bekachelten Außenfassaden auf, die wohl nicht nur den Geist durch ihre verschiedenen Muster anregen sollen, sondern auch vor allzu großer Hitze schützen. Zumindest die Hitze erfuhren wir auf unserer Erkundung aufs Äußerste. Besonders Schwester Rahel hatte damit zu kämpfen, während die Novizinnen noch einigermaßen fröhlich die hübsche Architektur bestaunten. Und natürlich die prächtige Kirche zu Ehren des heiligen Jerónimo mit dem Grabe Vasco da Gamas überwältigte unsere demütigen Gemüter. Für das leibliche Wohl sorgte dagegen die Zuckerbäckerei „Pastéis de Belém“ mit ihren Pudding gefüllten Blätterteigtörtchen. Dagegen scheinen portugiesische Kellner unter einem „Eiskaffee“ etwas gänzlich anderes zu verstehen als bei uns zu Hause: denn auf mein Verlangen danach reichte man mir einen kalten Kaffee mit Eiswürfeln darinnen. Jedoch muss ich zugeben, dass mich dieses Getränk trotz allem recht erfrischte.

Am Abend durften wir dann erleben, wie sehr sich Kinder am Abendessen erfreuen können, jedoch nicht aus dem Grunde, weil sie nichts hatten, sondern weil sie sich im Ferienlager auf der Herdade nur ein paar, oft kaum älteren Heranwachsenden gegenüber sahen, die ihre liebe Not mit dem Hirtenhandwerk bewiesen. Dennoch genossen wir unsere traditionelle Gemüsesuppe und den Fleischeintopf so sehr es sich einrichten ließ bei fremdländischem Essen und Kinderlärmchorälen in den schallenden Kellergewölben des gemeinsamen Speisesaales.

 

Korkeichen-Montado
Korkeichen-Montado

Schon dienstags inspizierten wir die Versuchsflächen und schauten uns endlich in der Praxis an, was so lange nur theoretisch besprochen worden war: die Korkeichensavanne. Zahlreiche Messungen waren hier vorgenommen worden, von Gaswechsel über Fotosynthese- und Transpirationsraten sowie Wasserdruckpotentialen bis hin zu meteorologischen Daten in den Höhen des Eddy-Turms (Eddy = Turbulenzverwirbelung von fluiden Massen wie Luft oder Wasser). Nun kamen wir an die Reihe in den glutheißen Korkeichenbeständen, zwischen stacheliger Flora wie Ulex (Stechginster) und Fauna wie Hornissen die schwierigen Früchte der Erkenntnis zu erlangen, wie sie nach Adam und Eva seit Menschengedenken nicht mehr leichter erreicht werden konnten. Neben der berüchtigten Korkeiche Quercus suber oder „Sobreiro“, wie ihn die Einheimischen nennen, musste sich ebenso Cistus salvifolium und Cistus crispus (Gattung: Zistrosen) unserem Willen zur Messung fügen.

Gen Abend auf der Agolada sollte nun dem vormaligen portugiesischen Mahl die heimatliche Bratkostkunst gegenübergestellt werden. Nachdem einige der Ordensangehörigen dem Fleischkonsum in asketischer Kühnheit entsagt hatten, rösteten neben dem bewährten Grillfleisch, das es in Portugal in aller Fülle zu erwerben gibt, auch Erd- und Ackerfrüchte, nicht unbedingt zum Verdruss der Liebhaber herkömmlicher, tierischer Speisen. Natürlich oblag meiner Obhut als feuererprobtem Manne die Verantwortung der Röstung, zumal mir meine Herkunft aus dem Stammland des Rostes keinerlei Verweigerung gestatten ließ. Und da die Novizinnen und Schwestern schon sämtliche andere Mahlzeiten zubereitet hatten, übernahm ich diese traditionsreiche Zeremonie gerne.

Den Abend läutete die Predigtreihe unserer Ordensgruppe ein, deren Mitglieder sich auf einzelne Problemstellungen rund um die mediterrane Vegetationswirtschaft spezialisiert hatten, zu denen wir nun zur kritischen Überprüfung unseres Fachverständnisses vor die Mutter Oberin vortrugen. Allerdings muss dazu erwähnt werden, dass die Tage mit Arbeit und Eindrücken reichlich gefüllt waren, so dass die Aufmerksamkeit leider nur noch schlecht beibehalten werden konnte. Ja, ja, der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Auch wir sind immer noch als Menschen nur Geschöpfe unseres Schöpfers!

 

Der Tag darauf lief ähnlich ab wie der vorherige, unterschied sich jedoch darin, dass mir nun das Glück beschieden war den Eddy-Turm selbst einmal besteigen zu können, nachdem gestern schon die Nonnen die Gelegenheit erhalten hatten und von hoch droben einen Blick auf das Umland zu erhaschen vermochten. In der Tat erwies sich der waghalsige Aufstieg als ein lohnendes Unterfangen um dem Allmächtigen ein Stück näher zu sein – und freilich auch der Aussicht halber auf sein allumfassendes Weltenwerk.

Am Tage des heidnischen Gottes Thor oder Donar, wie ihn manche nennen, nahmen wir zum Vergleich der Korkeichen nun den Lorbeer Laurus nobilis und den Eukalyptus Eucalyptus globulus näher unter die Lupe der Messgeräte.

 

Korkeichengemeinschaften vom Eddy-Turm

Welch‘ ein Glück uns doch beschieden war, dass wir kurzfristig noch in die Versammlungsstätte der Korkeichen, sozusagen den Tempel des heiligen Baumes in Form eines Museums in der Region um Coruche eingeladen wurden, wo noch immer die Gelehrten über die Wahrheiten dieses Phänomens des heiligen Korkbaumes streiten und sich die Fremden einen ersten Eindruck über dieses schwierige Thema verschaffen können! So wurde unser Durst nach Wissen zumindest ein wenig mehr gestillt.

 

Doch nachdem wir nun die nähre Umgebung missioniert hatten, mussten sich unsere Aktivitäten langsam ausweiten und daher drangen wir vor in das Umland auf die Halbinsel Troia, nicht zuletzt um die dortigen Außenposten, zwei weitere Subpriori und Schwester Kirsten, in ihrer Arbeit zu unterstützen – oder zumindest ihrem Bericht darüber zu lauschen. Es ist ein beschwerlicher Weg, den der Herr den Besuchern dieser Stätte auferlegt hat. Denn nach der Übersetzung mit der Fähre von Setúbal nach Troia und der langen Suche nach einem Zugang zur Küste hat der Schöpfer (oder seine irdischen Helfer) einen Sandweg angelegt. Wahrlich: als schwierig erwies sich dieser Pfad durch die Kiefern- und Pinienwälder mit ihren zu beiden Seiten säumenden Pinus pinaster und Pinus pinea. Die Gastgeber hatten versucht mit hölzernen Pfeilen und daran angebrachten farbigen Markierungen uns den Weg zu sich hin zu weisen. Doch letztlich mussten Fährtenlesefähigkeiten und eine gute Nase für salzhaltige Luft gebraucht werden, bevor wir die drei gebräunten Ordensmitglieder auch endlich fanden.

 

Portugiesische Atlantikküste

Nach den Messungen an Pistazien, Wacholder (Juniperus spec.) und Mittagsblume (Carpobrotus spec.) in höllischer Hitze sahen wir keinen Ausweg als Lucifers Klauen durch einen Sprung in die erfrischende See zu entwischen und unser Schicksal Neptun bzw. Poseidon zu überlassen. Doch ach! Wie schwer machten uns es die Meeresgötter die dringend notwendige Abkühlung zu erhaschen. Denn sie peitschten meterhohe Wellen auf und zwangen uns stets zurück an Land. Auch verzweifelte Versuche zwischen zwei Wellen hinaus zu schwimmen wurden durch Brecher auf dem Weg zurück bestraft und wirbelten die unglücklichen Mutigen kopfüber unter Wasser, so dass sie glauben mussten, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen. Auf diese Weise wurden mir die Urgewalten der Natur und die Macht des Herrn wieder einmal ins Bewusstsein gerufen! Ich danke ihm daher für diese Erfahrung und Erweckung. Dennoch blieb uns nichts als die wilde See zu bestaunen und ihre Tücke zu respektieren.

Doch ihre Früchte und Gaben ließen wir uns dennoch nicht entgehen und kosteten so auf dem Rückweg ein paar Eindrücke dieser Wasserwelt oder labten uns an hiesigen, schwarzen Schweinen, einem wahren Schmaus. Den stillen Eindruck der Küste bekommt man jedoch meist erst abends, kurz vor Sonnenuntergang, wenn man über die Dünen wandert und den einschlafenden Wind einatmet – wie wir es auch taten um die Kontemplation zu finden und über die vergangenen Tag zu reflektieren.

Während sich alle so langsam auf das Abendgebet vorbereiten, bemerkten wir wie sehr die Hauskatze unter enormem Hunger zu leiden hatte, denn sie verschlang in unseren Ruhezimmern noch unter den Nachtlagern die auf den Dächern gefangenen Vögel mit lautem Knochenknirschen, sehr zum Ungemach der noch schreckhaften Novizinnen.

 

Nun war bereits der Tag des Sabbats gekommen und der mediterrane Kurzbesuch neigte sich dem Ende. Eines aber fehlte noch: die Bekehrung der Arabida. Wie der Name schon verrät, wurde dieser Landstrich einst von arabischen Siedlern und Soldaten kurz nach den Kreuzzügen eingenommen und prägte die Lebens- und Bauweise dort stark mit. Doch im Sinne unseres Ordens sahen wir uns nicht so sehr der Rückeroberung dieses Gebietes gewidmet, sondern vielmehr mit dem Studium der vegetativen Funktionsweise beauftragt. Daher zogen wir ein letztes Mal aus, um unter anderem Kermeseichen (Querci coccifera) zu beproben, nicht weit entfernt von den einzigen Baum-Macchien der bekannten Welt (Macchie = auf früheren Weiden entstandene Hartlaubbuschlandschadft).

 

Convento da Arrabida
Convento da Arrabida

Dieser Landstrich wurde nun zurecht von Brüdern und Schwestern unserer Kirche mit einem Kloster an seinen Hängen versehen. Denn die meditative Stimmung hier breitet sich nach allen Seiten spürbar aus. Leider fanden wir keinen Einlass zur Heimstatt dieser Ordensgemeinschaft, obwohl die Mutter Oberin selbst lange Zeit hier verbracht hatte.

Kurze Zeit später wagten wir einen weiteren Sprung in die Fluten, nicht etwa um die himmlischen Vorgaben auf die Probe zu stellen; sondern vielmehr um der stehenden Hitze des Hades zu entkommen. Hernach musste dieser Kräfteverlust, den wir durch das Messen, die Hitze und die anstrengende Abkühlung erlitten hatten durch ein kräftiges Mahl natürlich wieder aufgefrischt werden, und so kam es, dass uns bei Sangria und Schwertfisch der Geist zurück in die Leiber kehrte, natürlich weit ab von der Sünde der Völlerei, nachdem wir uns nur schwer gegen das zur sündigen Faulheit verlockende Sonnenbad behaupten konnten. Doch auf der Heimfahrt erfasste uns dann doch noch die Wollust zum Warenhandel auf einem der größten Basare der Region, so dass wir die ansässigen Menschen mit dem Kleiderkauf etwas unterstützen mussten. Außerdem erstanden wir die durchaus ansprechenden Waren zu einem äußerst wucherlosen Kurs.

 

Küstenstraßen bei Setúbal

Auf die Herdade zurückgekehrt durften wir Zeuge einer Vereinigung zweier Menschen vor dem himmlischen Gericht werden. In der anschließenden, lautstarken Feier sehe ich den deutlichen Ausdruck der Leidenschaft zwischen diesen Menschen und hoffe, dass ihre Ehe dieses Temperament behalten wird.

 

Und am nächsten Morgen, einem wieder einmal herrlichen Sonntag, teilten wir uns endgültig auf um unser Missionarsglück noch ein wenig selbstständig auf die Probe zu stellen. Während Subprior Arno schon am Sabbatmorgen nach langer Zeit fort von zu Hause endlich wieder zurück in die Heimat gereist war, brachen Subpriorin Marlen, Schwester Kirsten, die Novizinnen Elisa und Betti zusammen mit der Kutsche ins Heimatkloster auf. Wo die arme Betti doch schon der Wespenstich so lange peinigte, erfuhren wir nun, dass sie uns eine noch weitaus heftigere Krankheit in tiefer Gottergebenheit verschwiegen hatte, so dass sie ihre geplante Aufenthaltsverlängerung abbrechen musste. Wir werden für sie beten. Schwester Rahel reiste ebenfalls ab, allerdings auf einem schnelleren Weg mit Hilfe eines dieser Luftschiffe. Die Mutter Oberin kehrte vorerst für einen Besuch zu ihrer Familie zurück und gemeinsam mit den Novizinnen Simone und Eve machte ich mich noch einmal auf, um die alte Seefahrerstadt Lissabon zu erkunden.

 

Lissabon: Golden Gate von Lissabon (Ponte 25 de Abril), Mosteiro de Jerónimos, Torre de Belém

Die geplante Unterkunft war auch schnell gefunden und lag mitten im Zentrum, so dass wir schnell kleine Ausflüge in die Umgebung unternehmen konnten. Nach der langen Zeit nervenaufreibender Feldarbeit genossen wir den Moment freier Gestaltung sichtlich. Ich würde nicht so weit gehen und es orgienhafte Fressgelage nennen, aber in kleinen Wirtshäusern probierten wir experimentierfreudig die örtlichen Kulinaritäten. Nur muss man beim Wandern zwischen den Gassen zwischendurch gehörig darauf aufpassen sich vor den vielen Gewürzverkäufern in Acht zu nehmen. Sofern sie genussvolle Gewürze wie Oregano oder Rosamarin als wertloses Gras, das sie „Marihuana“ oder „Cannabis“ nennen, verkaufen wollen, ist schleunigste Ablehnung angeraten! Nun, zumindest geben sie sich, wie die meisten Bettler im Übrigen auch, sehr höflich in ihrer Art das ihrige zu tun. Auf diese Weise lernt man zudem mehr über die hiesigen Menschen kennen: z.B. über einen Hamburger, der seine Backwaren in der heimischen Küche zubereitet; über Menschen aus afrikanischen Staaten, die abendfüllende Beichten vor einem anscheinend ehrwürdig scheinenden Mönch wie mir ablegen, nur um den Segen zu erlangen – und freilich vielmehr auf ein Almosen hoffen; über Gleichartige aus der neuen Welt, die im Gegenzug für ein bisschen Stopftabak der Novizin Eve ihre Lebensgeschichte und von den Reisen um die ganze Welt berichten; um nur ein paar Begegnungen zu nennen.

 

Hier missionieren zu wollen scheint mir fast aussichtslos, zumal viele Ansässige bereits einer unserer Konfessionen angehören und die wesentlichen Eigenschaften unserer Kirche zeigen: Wissensdurst und Reiselust, Neugier, Toleranz, Ehrgeiz und Freundlichkeit.

Nachdem ich mich noch vergebens tagelang darum bemüht hatte einige traditionelle Werkgerätschaften aus Kork zu erstehen (statt bloßen Schnickschnackes), ging es schließlich auch für mich mit dem Luftschiff zurück in die Heimat.

 

Schlussbetrachtung:

Soweit kann ich nur hoffen, dass sich unsere heilsbringende Botschaft in die mediterrane Welt verbreiten wird:

Korkeiche (links) und Eukalyptus (rechts)
Korkeiche (links) und Eukalyptus (rechts)

Durch die zunehmende Anpflanzung von Eukalyptus (sowie die invasive Verbreitung von Akazien) verändert sich das ursprüngliche Ökosystem drastisch. Der Grund: Kork wird immer weniger verarbeitet. Wo vormals Weinflaschen aus eben jenem Material verwendet wurden, sind heute Plastik-Verschlüsse preisgünstiger und praktischer. Das lässt den Export stocken und veranlasst die örtlichen Bauern andere, schnellwachsende Gehölze anzubauen, wie eben den Eukalyptus. Leider versteht es gerade der Eukalyptus sich zum einen sehr stark an das mediterrane Klima anzupassen, andererseits seine Konkurrenten äußerst effektiv im evolutionären Kampf ums Überleben zu verdrängen. Denn Eukalyptus bildet extrem tiefreichende Wurzeln aus, womit er den Grundwasserspiegel drastisch absenkt und damit zu Austrocknung und Degradation des Umlandes beiträgt. Außerdem verhindert die abgeworfene Blattstreu durch ihre Inhaltsstoffe die Zersetzung durch Mikroorganismen und damit eine effektive Bodenbildung. Zusätzlich fördern die ätherischen Öle in den Blättern die Waldbrandgefahr, wodurch unliebsame Konkurrenten - bis auf die feuerresistente Korkeiche - vernichtet und die Eukalyptus-Samen aus den Früchten durch die entstehende Flammenhitze freigesetzt werden. Gerade die Waldbrände der letzten Zeit in Portugal zeigen die verheerenden Folgen dieser Ökosystemveränderung. All das geschieht, um ein sehr schnell wachsendes Holz vor allem für die Zellulose-Produktion zu erhalten und das nicht nur in Portugal, sondern z.B. auch in Sizilien, wie ich vor kurzem selbst sah.

Nun, es gibt viele Baustellen für Umweltfragen, denen sich Geoökologie widmen sollte. Aber dies scheint mir im mediterranen Raum eine der offensichtlichsten Herausforderungen zu sein.

 

Schließlich bleibt mir nichts weiter zu tun als zu einem abschließendem Gebet anzuregen:

Amen.


Lissabon: