Überleben im Mittelmeer –

eine Gebrauchsanweisung für Malta

(geeignet für Flüchtende aller Art)

 

Wahre Liebe in Malta
Wahre Liebe in Malta

Malta ist die Hure unter den Inseln des Mittelmeeres: von jedem mal besetzt. Zuerst kamen die prähistorischen Menschen vor tausenden von Jahren, dann in der Antike die Phönizier, die Griechen, die Römer. Bis etwa 1000 n.Chr. fielen die Araber auf sie herein und wurden von den Kreuzrittern und Normannen vertrieben, damit sich anschließend die Hohenstaufer niederlassen konnten und auch die Spanische Krone mal ran durfte, teils unter Einmischung des österreich-habsburgischen Karl V. Die christlichen Ordensbrüder übernahmen daraufhin die Geschäfte bis die napoleonischen Franzosen und schließlich die Briten bis 1964 ihre Triebe an der Insel stillten. Heute sind es vor allem die Banken, Touristen und allerlei Arten von Flüchtenden, die sich an ihr gütlich tun.

Malta, Gozo, Comino und Filfla
Malta, Gozo, Comino und Filfla

 

Wenn Sie aus England flüchten:

… haben sie keinerlei Probleme. Steckdosen, Linksverkehr, mäßiges Frühstück in den Hotels und schwer verständliches Englisch sind Standard.

 

Wenn Sie aus Deutschland flüchten:

… erwarten Sie keine mitteleuropäische Ordnung auf den Straßen, sondern eher mittelmeerisches Chaos. Neben dem insulanischen Linksverkehr gibt es praktisch keine Verkehrsregeln, schlechte Ausschilderungen, enge und engste Straßen in schlechtem Zustand, permanente Baustellen und ein anarchistisches Miteinander. Die wenigen Radfahrer vor Ort spielen mit ihrem Leben! Dennoch werden Sie immer wieder Landsleute treffen. Touristen erkennt man an den meist weißen Kleinwagen und der langsamen Fahrweise. Zwar darf man ohnehin maximal 80 km/h fahren. Aber auch das wird meistens nicht erreicht, aufgrund der vielen Kurven, schlechten Straßen oder der Tatsache, dass praktisch jede Kreuzung aus einem Kreisverkehr besteht. Die Verachtung des Verkehrs drückt sich auch sehr deutlich im Nummernschild aus, die entweder z. B. selbst gemalt sein können, „Tigre“ heißen oder einfach nur das maltesische Wappen beinhalten. 

 

Verkehr und Transferkuriositäten Maltas

 

Wenn Sie aus Sizilien flüchten:

… werden Sie sich ziemlich heimisch fühlen. Man mixt hier zwar Italienisch mit Arabisch und anderen Sprachen. Aber Früchte, Landschaft und Mentalität sind sehr ähnlich. Auch die Mafia fühlt sich sehr heimisch, wie man bei nächtlichen Spaziergängen an entlegenen Orten sieht, wenn plötzlich Zigarette rauchende Schränke im Anzug vor einem auftauchen und eine schwach beleuchtete Hütte bewachen.

 

Wenn Sie aus Japan flüchten:

… werden sie relativ allein sein auf der Insel. Nur wenige Ihrer Landsleute trauen sich auf der quer-durch-Europa-in-14-Tagen-Tour auf dieses unbedeutende Eiland.

 

Wenn Sie aus Afrika flüchten:

… sollten Sie aufpassen nicht auf dem vorgelagerten Felsen „Filfla“ im Süden zu stranden. Das ist zwar schon EU, aber von dort kommt man nicht weiter. Außerdem handelt es sich um ein Naturschutzgebiet! Die Steilklippen bei den Dingli Cliffs sind außerdem ähnlich hoch wie in Südengland. Da kommt man nicht so einfach rauf! Besser bei den alten Tempelanlagen von Hagar Qim direkt hinter Filfla anlanden.

 

Wenn Sie vor der Kirche flüchten:

… werden Sie kein Glück haben auf Malta! Kirchen gibt es massig. Es scheint, als hätte jeder Malteser seine eigene. Bei einer Kreuzfahrerinsel dürfte das aber auch nicht verwundern.

 

Maltas Kirchen

 

Ob Sie mit dem Flugzeug oder Boot flüchten:

Maltas Küste ist im Grunde eine ideale Festungsmauer: abgelegen im Mittelmeer, mit hohen Steilküsten und tosender Brandung, welche herannahende, feindliche Boote an den scharfkantigen Felsen zerschmettert. Falls es doch feindliche Truppen auf die Insel geschafft haben sollten, finden sie ein karges Eiland vor, ohne nennenswerte Flüsse oder Seen, dafür im Sommer mit erdrückender Hitze und durch die wenigen Bäume auch weitgehend ohne Schatten. Das erkannten wohl auch die Besiedler dieser Insel, denn im Laufe der Jahrtausende gaben sie immer wieder auf und verschwanden. Selbst die Tempelritter wollten eigentlich auf Rhodos ihren Stützpunkt errichten, da die griechische Insel bessere Anbaubedingungen bietet und näher in ihrem damaligen Arbeitsgebiet der Levante (also das heutige Israel, Syrien und Libanon) lag. Wer heute täglich pendeln muss weiß, was tausend Kilometer weniger Anfahrtsweg für eine Zeitersparnis ausmachen können!

Mit dem Flieger ist das alles kein Problem mehr. Im Zeitalter des Klimawandels ist es in einem klimatisierten Flugzeug auf zehntausend Meter Höhe angenehm temperiert und der steigende Meeresspiegel interessiert die Malteser durch die erwähnten Steilküsten auch nicht weiter.

 

Die Felsenküste - schwer zu erklimmen!
Die Felsenküste - schwer zu erklimmen!

 

Zum Anlegen mit dem Boot ist jedoch Valletta zu empfehlen bzw. die umliegenden Städte Vittoriosa, Kalkara, Senglea, Ta‘ Xbiex, Pietà und für Phönizier natürlich Marsa (phöniz.: Hafen). Wer mit einem bunten Ruderboot auf Malta anlandet sollte sich in Marsaxlokk einschiffen. Dort fühlt man sich im Gegensatz zu den ganzen teuren Jachten der Steuerflüchtlinge in Valletta nicht ganz so verloren.

 

Maltesische Booteabundanz
Maltesische Booteabundanz

 

Wenn Sie vor dem Gesetz flüchten:

Malta gilt noch immer als eine Steueroase. Die sizilianische Mafia trifft man nachts in wenig bevölkerten Gegenden bevorzugt auf Hügeln und gelegentlich in einsamen Straßen an, wie sie ihrem Geschäft nachgeht und innere (Staats-)Organe zertrümmert oder gleich ganz für den Handel entnimmt. Auch Autofahrer kommen mit ihren flüchtigen Kenntnissen von Verkehrsregeln und Moral leicht um und um Strafen herum, und das liegt nicht an den an jeder Straßenkreuzung anzutreffenden Kreisverkehren oder dem Linksverkehr! Jedenfalls nicht nur.

 

Wenn Sie vor der Wirklichkeit flüchten:

… gibt es auf Malta neben den Filmstudios für Weltproduktionen wie „Gladiator“, „Troja“, „Monte Christo“, „Mord im Orientexpress“ oder „Game of Thrones“ auch das Popeye-Village. Zugegeben, der Film dazu überzeugt nicht wirklich, aber die Kulisse in der Anchor Bay macht schon was her!

Aber nicht nur das Kulissendorf mutet unwirklich an, auch ein Tierparadies in Valletta verspricht „all animals in harmony“ leben zu lassen.

 

Mdinas's Straßen, Popeye-Dorf und "Animals in Harmony"

 

Wenn Sie vor der Einsamkeit flüchten:

… sind sie hier richtig! Valletta und die umliegenden Städte sammeln Menschen wie Menschen Briefmarken sammeln. Die Insel ist verbaut und hat die höchste Einwohnerdichte der Welt für einen Flächenstaat. Es gibt kaum noch Ortsschilder, weil die Städte sowieso zusammengewachsen sind. Besonders das Inselzentrum um Valletta bis zum Osten wird vom Verkehr okkupiert. Dabei sind Brücken über die zerklüftete Hafenlandschaft jedoch Mangelware, bzw. es gibt sie schlicht nicht. Dadurch kann es schon mal einige Zeit dauern im dichten Feierabendverkehr ein paar hundert Meter Luftlinie von einer Stadt zur anderen zu gelangen. Noch dazu, da sich dieses Jahr Maltas Kapitale mit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ schmückt. Baustellen sind daher prägend und entsprechend langsam geht es voran, wenn sich die alte Dame „Valletta“ hübsch macht. 

 

Das Touristenzentrum: Valletta und die Städte der Umgebung

 

Wenn Sie nach Valletta vor Stress flüchten:

Malta hat trotz aller Geschäftigkeit auch gemütliche Seiten – nicht unbedingt im Verkehr, aber auf dem Land abseits der Stadt. Und wer sich schließlich auf die Nachbarinsel Gozo wagt, der findet vielleicht sogar noch etwas mehr Ruhe, wenn zum Beispiel die Salzgewinnungsbecken in der tosenden Brandung darauf warten im Winter überschwemmt zu werden, damit sie später in der Sommerhitze nach der Verdunstung des Meerwassers das begehrte Salz übrig lassen. Vor allem aber zeigt sich hier noch mehr die ursprüngliche Natur der Felseninseln und in der Nebensaison trifft man kaum noch auf Urlauber.

 

Betriebsamkeit auf Maltesisch und Gozos Landschaftsruhe

 

Wenn Sie vor dem Tageslicht flüchten:

Egal, ob Sonnenallergiker, Photophobiker oder Vampir: in den Höhlen Maltas finden Sie Schutz! Für die Höhle Għar Dalam (Höhle der Finsternis) sollten Sie allerdings weder Achluophobie (Angst vor Dunkelheit), Klaustrophobie (Angst vor Enge) noch Akarophobie (Angst vor Insektenstichen) ihr Eigen nennen, da die Höhle nicht sehr groß ist und am Eingang ein Bienenvolk seine Erdlöcher gebaut hat, an welchem es einen schwirrenden und summenden Vorhang aus Insekten bildet. Wie ein Schild an Ort und Stelle allerdings versichert, sind diese Bienen harmlos. Bleibt nur zu wünschen, dass die Bienen keine Legastheniker sind und Maltesisch oder Englisch können!

Manchmal muss man schwimmen können um die lichtgeschützten Höhlen zu erreichen, wie am Beispiel der blauen Grotte, die nur vom Meer aus zu erreichen ist.

 

Höhlen auf Malta und Gozo

 

Wenn du fliehen aus Urzeit:

Die Spuren der langen Besiedlungsgeschichte nehmen hier ihren Anfang und neben prähistorischen Tierknochen sind auch jüngere, nur knapp 8.000 Jahre alte Feuersteine und Schmuckanhänger zu finden (neueste Datierungen gehen von 5900 Jahre v. Chr. aus).

 

Wenn Sie vor den ersten Kriegen zwischen Bauern und Jägern fliehen:

Die Kultur begann mit Tempelbau oder Steinbauten für allgemeine Zwecke, so auch auf Malta. Einer der ersten Tempel Europas heißt „Ħaġar Qim“ und wurde zum Zeitpunkt der ägyptischen Pyramiden um 3000 v. Chr aufgestapelt. Vielleicht war man hier ungestört von den ersten Kleinkriegen um Äcker und Felle und konnte sich mangels Ackerflächen und Viehzeug ganz dem Tempelbau widmen. Was soll man auch sonst auf einer Felseninsel machen?

 

Tempelanlagen Ħaġar Qim und Mnajdra
Tempelanlagen Ħaġar Qim und Mnajdra

 

Für des Falles Notwendigkeit, Ihr fliehet aus mittelalterlichen Gefilden:

Auch M(e)dinas Straßen wurden für Aufnahmen von „Game of Thrones“ verwendet. Außer für direkte Anwohner ist es allerdings nur noch zu Fuß möglich sich durch diese Mittelalterstadt fortzubewegen – oder mittels Pferdekutsche. Als Zufluchtsort ist das Gebiet innerhalb der Mauern besonders nachts geeignet, da es hier praktisch keine höheren Lebewesen auf den Straßen mehr gibt.

 

Mdina / Medina - Die mittelalterlich gebliebene Stadt

 

Falls doch eine Zeitmaschine erfunden werden sollte und Sie aus der Zukunft fliehen:

Man fährt noch selbst Autos, aber auf Malta ist es mühsam! Immerhin sind die völlig veralteten (aber sehenswerten) Verkehrsbusse gegen langweilige, moderne ausgetauscht worden.

Obst muss aufwendig importiert werden, weil es noch nicht in Kapselform verfügbar ist, wenn es auch getrocknet aufbewahrt werden kann. Die Menschen sind allerdings in ihrem Zuckerkonsum sehr fortschrittlich und verbrauchen große Mengen Süßes, was wiederum vollkommen chemisch im Labor hergestellt wird. Es herrscht noch Kapitalismus, daher gibt es den Euro auch auf Malta.

 

Valletta als Kulturzentrum Europas 2018
Valletta als Kulturzentrum Europas 2018

 

Wenn Sie schließlich vor den Weiten des Weltalls auf die Erde flüchten:

… sollten Sie wissen, dass Malta im Zentrum des Mittelmeeres sehr klein und kaum bewachsen ist. Das Überleben von biologischen Wesen ist kaum mehr möglich als in den unendlichen Weiten zwischen den bewohnbaren Planeten. Die Insel ist vergleichbar mit einem Asteroiden: Für einen wöchentlichen Urlaub ganz gut geeignet aber dann ist es auch genug.

 

Nächtliche Bettenburg "Santa Maria"
Nächtliche Bettenburg "Santa Maria"