Eine kurze Thüringer Geschichte


Altertum:

            Namensbildung:

·  300 – 60 v. Chr.: Siedlung der Naumburger Gruppe, dann siedelten u. a. Kelten, Hermunduren (Elbgermanen / Sueben) und Turonen auf dem heutigen Gebiet Thüringens

·  2. Jhdt.: Erwähnung der Teurier durch Claudius Ptolemaios

·  4. Jhdt.: Erwähnung des Volkes der Thoringi als germanischer Stamm durch Flavius Vegetius Renatus

·  Ab 4. Jhdt. bis 6. Jhdt: Durch den Hunneneinfall wird die Völkerwanderung ausgelöst und der Stamm der Thüringer bildet sich. Die Ausdehnung des Thüringer Reiches reichte wohl über das heutige Sachsen unter König Bisinus bis fast zur Donau.

    · Möglich ist eine Herleitung „Thüringens“ von den gotischen Terwingern, die mit den Hunnen aus dem Gebiet Tyras in Sarmatien einfielen

 

Thüringer im Altertum
Thüringer im Altertum (aus: Neues Museum, Berlin)

Mittelalter:

            Gebietsfestigung:

·  531: Franken und Sachsen zerschlagen das erste Thüringer Reich im Thüringer Becken (vgl. das Iringlied, bzw. hier zu finden)

·  620: Gründung des Herzogtums Thüringen durch die Merowinger

 

            Entwicklung Erfurts als bedeutendste Stadt Thüringens im Mittelalter:

·    742: Gründung des Bistums Erfurt von Bonifatius

·    755: Vereinigung der Bistümer Erfurt und Mainz

· 1331: Messeprivileg für Erfurt

· 1392: die dritte Universität Deutschlands wird in Erfurt gegründet

  · Die weitere Entwicklung wird durch den Unterschied des katholischen Landesherrn in Mainz und der Konvertierung der Stadtbevölkerung zu Protestanten aufgrund der Reformation durch Martin Luther (u. a. auf der Wartburg und in Erfurt) sowie durch die isolierte Lage im ansonsten sächsischen Umland im Handel gehemmt. Infolge dessen werden Frankfurt am Main und Leipzig bedeutendere Handelsstädte.

·  1664: Unterwerfung des Bistums Erfurts durch das Bistum Mainz (> daher die Ähnlichkeit der Stadtwappen mit dem typischen Rad)

·  1802: Erfurt wird ein Teil Preußens.

 

            Kampf um die Vormachtsstellung:

· 1067: Machtergreifung durch die Ludowinger als „Landgrafen von Thüringen“ und Bau der Wartburg bei Eisenach durch Ludwig den Springer

 Wappen der Ludowinger:

Ludowinger Wappen

(abgeleitet vom Haus Hessen, daher die Ähnlichkeit mit dem hessischen Wappen)

· 13. Jhdt.: Es folgen der Sängerkrieg auf der Wartburg und Wirken der heiligen Elisabeth von Thüringen (bzw. früher „von Ungarn“) als Nationalheilige Thüringens

· 1264: Die Wettiner ergreifen die Macht in Thüringen und gegen sie wird der „Thüringer Grafenkrieg“ (1342 – 1346) erfolglos von den Grafen von Schwarzburg, Weimar, Orlamünde und Hohnstein und den Vögte von Weida geführt.

 


Renaissance / Neuzeit:

· 1423: Die Herzogtümer Sachsen gehörten dem Obersächsischen Reichskreis (Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Altmark, Mecklenburg und Pommern, 16. Jhdt. – 1806) an, der seinerseits aus dem „Stammesherzogtum Sachsen“ (= Altsachsen, zwischen 772 – 804 im Bereich des heutigen Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt) hervorging, als dem Haus Wettin 1423 das Herzogtum Sachsen-Wittenberg und die Kurfürstenwürde übertragen wurde (https://de.wikipedia.org/wiki/Sachsen-Eisenach):

 

Staatsbezeichnung mit Wappen

Zeitraum

 

Flagge

Lage (Karte 1)

Lage (Karte 2)


Sachsen-Weimar

1572 – 1741

 

 

 

Sachsen-Coburg

1572 – 1826

 

 

 

 

Sachsen-Eisenach

1596 – 1741,     1640 – 1644,     1662 – 1809

 

 

Sachsen-Altenburg

1603 – 1672,     1826 – 1918

 

 

 

Sachsen-Gotha

1640 – 1680

 

 

 

Sachsen-Gotha-Altenburg

1672 - 1826

 

 

Sachsen-Eisenberg

1680 – 1707

 

 

 

 

Sachsen-Römhild

1680 – 1710

 

 

 

 

Sachsen-Saalfeld

/ Sachsen-Coburg-Saalfeld

1680 – 1735

1735 – 1826

 

 

 

Sachsen-Hildburghausen

1680 – 1826

 

 

 

Sachsen-Meiningen

1680 – 1918

 

 

Sachsen-Weimar-Eisenach

/ Großherzogtum Sachsen

1809 – 1903

1903 – 1918

 

/

 

 

Sachsen-Coburg und Gotha

1826 – 1918

 

 

                         (...)

> Trotz des Namensbestandteils „Sachsen-…“ lagen die zeitlich nachfolgenden Herzogtümer allerdings gänzlich auf heute thüringischem sowie teils bayrischem bzw. hessischem Gebiet und hatten mit dem Königreich Sachsen zwischen (1806 – 1918) geografisch nichts zu tun. Lediglich der Name „Sachsen-…“ wurde weitergegeben.

Leipziger Teilung 1485 (https://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Teilung)
Leipziger Teilung 1485 (https://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Teilung)

 · 1458: Leipziger Teilung des wettiner Landes auf die Albertiner im Osten und die Ernestiner im Westen

 

 

 

 

 

 

 

> Enge Verbindungen bestehen also geschichtlich begründet zum Rheinland bzw. Bistum Mainz (seit der Vereinigung mit dem Bistum Erfurt 755), zu Hessen (siehe Entstehung des Wappens 1067), zu Sachsen (seit der Zugehörigkeit zum Obersächsischen Reichskreis 1423), zu Preußen / Brandenburg (durch die Angliederung Erfurts 1802) und zu Bayern (z. B. durch die Abspaltung Coburgs 1920). Aus dieser Zeit erwächst also die geschichtliche Bedeutung Thüringens für Deutschland.

 

Zeit religionspolitischer Bedeutung:

· 1522: Bibelübersetzung vom Latein ins Deutsche durch Martin Luther auf der Wartburg

· 1525: Bauernkrieg in Mühlhausen und Bad Frankenhausen angeführt von Thomas Müntzer

                        https://www.degruyter.com/view/journals/zkg/79/1/graphic/j_ZKG-2016-0006_fig_001.jpg

                         Werner Tübke (Bad Frankenhausen: Ausschnitt aus dem Bauernkriegspanorama,

                         https://www.degruyter.com/view/journals/zkg/79/1/graphic/j_ZKG-2016-0006_fig_001.jpg)

 

Zeit der Bedeutung für die Bildung und Thüringer Geopolitik:

· 1558: Gründung der bis heute einzigen Volluniversität des Landes in Jena (Friedrich-Schiller-Universität)

· 1572: Durch die Erfurter Teilung wird Thüringen fortwährend zersplittert, z. B. in die Häuser Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha

      (> welches Fürsten für England, Belgien, Portugal und Bulgarien stellt).

·  1583: Abspaltung der Grafschaft Henneberg von Franken Umwandlung zu Südthüringen

· 1642 wird durch die humanistische Einstellung Ernst des Frommen die erste Schulpflicht (> erste der Welt) für alle Mädchen und Jungen eingeführt

> später wird die Allgemeine Deutsche Bildungsanstalt (1817), der erste Kindergarten (1840) durch Friedrich Fröbel und die Jenaplan-Schule 1927 durch Peter Petersen gegründet

 

Zeit der künstlerischen und philosophischen, aber auch der bibliografischen, wissenschaftlichen sowie opto-technischen Bedeutung (v. a. 19. Jhdt.):

· ab 1780: Wirken von:

o   Dichtern in Weimar und Jena wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich (von) Schiller, Johann Gottfried Herder, Christoph Martin Wieland, Karl Ludwig von Knebel;

o   Philosophen in Jena wie Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Arthur Schopenhauer;

o   Romantikern in Jena wie Novalis, Clemens Brentano oder Friedrich Schlegel;

o   Pädagogen Friedrich Fröbel (z. B. erster Kindergarten 1840 in Bad Blankenburg), Peter Petersen (Jenaplan in Jena);

o   erste Versicherungsgesellschaften durch Ernst-Wilhelm Arnoldi (Gotha);

o   Verleger wie Gustav Fischer (Jena) und Lexikonwesens durch Joseph Meyer (Gotha), Friedrich Arnold Brockhaus (Altenburg, gegründet in Amsterdam), Duden (Schleiz) und Brehm’s Tierleben (Hildburghausen)

o   erste Sozialdemokraten wie seit 1869 August Bebel und Wilhelm Liebknecht (Eisenach, Gotha, Erfurt);

o   Bildende Künstler in Weimar: Lucas Cranach der Ältere, Franz Liszt (Klavierkompositionen und Neudeutsche Schule), Walter Gropius, Henry van de Velde und Ludwig Mies van der Rohe, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee (Bauhaus Weimar), Otto Dix (Gera);

o   Wissenschaftler und Glastechniker in Jena: Ernst Haeckel (Zoologie), Otto Schott und Ernst Abbe (Jenaer Glastechnik) oder Carl Zeiss (Feinoptik, z. B. Linsen für Mikroskope oder Teleskope).

 

Als Hochburgen für Minnesang, Bibelübersetzung, Dichter/-Denker und überraschenderweise auch der Politik galt Thüringen nicht mehr nur als geografisches Zentrum Deutschlands, sondern gerade durch die Bibelübersetzung und die folgenden Ereignisse auch als Weichenstellung der weiteren Entwicklung für Europa:

 

Schlacht bei Jena und Auerstedt, Lützowsches Freikorps

Zeit der politischen Bedeutung:

· 1806: verlorene Schlacht der Preußen gegen Napoleon bei Jena und Auerstedt

· 1815: Als Folge der napoleonischen Besetzung gründeten sich starke Widerstände gegen die französische Herrschaft und führten zur ersten Urburschenschaft in Jena mit der Entwicklung der heutigen Deutschland-Flagge Schwarz (Knechtschaft)-Rot-(Blut)-Gold (Zukunft) in noch umgekehrter Reihenfolge nach der Uniform der Freiheitskämpfer des Lützowschen Freikorps.

      

       links: Karte der Schlacht bei Jena und Auerstedt (https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Jena_und_Auerstedt#/media/Datei:Battle_of_Jena-Auerstedt_-_Map01.jpg)

       rechts: Georg Friedrich Kersting (1815, Lützowsches Freikorps, https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCtzowsches_Freikorps)

> Aus der Schwärze (schwarz) der Knechtschaft durch blutige (rot) Schlachten ans goldene (gold) Licht der Freiheit.“

 

          Urburschenschaft (1816)                                  Hambacher Fest (1832)                                                            Märzrevolution (1848)

 

 

· 1869: Entwicklung der Sozialdemokratie aufgrund der aufkommenden Industrialisierung durch August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach, Gotha und Erfurt

· 1919 - 1933: Weimarer Verfassung bzw. Weimarer Republik und erste deutsche Demokratie (in Schwarzburg durch Reichspräsident Friedrich Ebert)

· 1920 (1. Mai): Gründung des Landes Thüringen durch 7 Freistaaten (offizielle Wiederaufnahme des Namens „Thüringen“ nach den Ludowingern als „Landgrafen von Thüringen“ und Abspaltung Coburgs zu Bayern)

> daher 7 Sterne im Thüringer Wappen

Entwicklung des Thüringer Landeswappens:

 1921 – 1933

 1933 – 1945

 1945 – 1952

· 1945: Befreiung der KZ Buchenwald, Bad Sulza, Dora Mittelbau durch die Amerikaner

  > Nach dem 2. Weltkrieg war Thüringen von den Amerikanern besetzt und wurde mit den Russen gegen West-Berlin getauscht.

· 1952 bis 1990: Aufteilung Thüringens in die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl

· 1990 (3. Oktober): Neugründung des Freistaates Thüringen in der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland

Neue Landesflagge

Wappenzeichen zur inoffiziellen Nutzung

· 1993 (25. Oktober): Die thüringische Verfassung tritt in Kraft. Seither trägt das Bundesland Thüringen den Titel „Freistaat“.

> Der „Freistaat“ Thüringen ist der Nachfolgestaat der ehemaligen 7 Freistaaten Thüringens. Das bedeutet, dass kein Monarch oder sonstige Erbherrschaft regiert, sondern das Volk in Form einer Republik herrscht. Da diese Regierungsform heute alle Bundesländer betrifft, ist die Bezeichnung „Freistaat“ wie auch bei Sachsen und Bayern prinzipiell überflüssig und rechtlich nicht relevant.

> Das Wappen ist übrigens nicht so ohne weitere verwendungsfähig, wenn man kein offizieller Vertreter des Landes Thüringen ist, also im Wesentlichen der Regierung. Denn das wäre dann Amtsanmaßung, weswegen es das Wappenzeichen gibt.

Allerdings scheint das Abbilden und Zitieren eines Wappens für Informationszwecke (wie hier) nicht rechtswidrig zu sein: https://de.wikipedia.org/wiki/Wappensatzung. In Zeiten von Abmahnungswellen möchte ich mich allerdings nicht auf Rechtsstreitigkeiten dazu einlassen und zeige daher hier nicht aktuelle Wappen von Thüringen.

 


Heute:

· hat sich Thüringen durch die Jahrhunderte auf etwa dem gleichen, angestammten Gebiet erhalten. Allerdings hat das Land immer noch wenig Industrie (Achtung: die folgende Aufstellung könnte Spuren von - herkunftsbezogen regionaler - Werbung enthalten):

o   etwas Autobau in Eisenach (Opel, früher: Wartburg),

o   Glastechnik mit Zeiss und ursprünglich auch Schott (Jena),

o   Pharmafirmen (in Jena als Jenapharm und in Weimar als Schering, beides Teil von Bayer),

o   Glaskunst, Weihnachtsschmuck und...

o   ... Tee- und Kräuterproduktion im Thüringer Wald (z. B. in Lauscha, früherer Olitätenhandel in Oberweißbach wie auch die ursprüngliche Kümmerling-Kräuterschnaps-Produktion, Goldmännchen-Tee in St. Gangloff), sowie der gute Born-Senf (Erfurt) statt dieser Bautzner Vergewaltigung des Senf-Verständnisses

o   die Waffenmanufakturen in Suhl.

      In einer immer noch währenden Industriegesellschaft Deutschland mit hauptsächlich tertiärem und sekundärem Sektor zählen die in Thüringen Landwirtschaftsflächen mit dem primären Sektor der Landwirtschaft sowie wachsenden quartären und quintären Sektoren mit ihrer Informationsverarbeitungstechnik und dem Tourismus sowie der Wissenschaft in Jena, Ilmenau, Erfurt und Weimar noch wenig. Denn gerade in Deutschland wird ja bekanntlich das meiste Geld mit Export von Industrieerzeugnissen und Ingenieurskunst verdient.

· Dafür hat Thüringen umso mehr Natur (z. B. Nationalpark Hainich als Teil des Urbuchenwaldes in Mitteleuropa und den Thüringer Wald) und wird deshalb und wegen seiner zentralen Lage innerhalb der BRD auch als „Das grüne Herz Deutschlands“ bezeichnet.

 

Datei:Thuringia, administrative divisions - de - colored.svg

Thüringen heute mit seinen Kreisen und kreisfreien Städten (https://de.wikipedia.org/wiki/Th%C3%BCringen)

 


Zukunft:

· Die Zukunft ist sicher ungewiss. Dennoch gibt es Pläne, z. B. zur Umgestaltung der Bundesländer in Deutschland. Nachdem die Gebietsreformen in manchen Ländern einiges umgestaltet haben und KFZ-Kennzeichen praktisch frei Schnauze vergeben werden, gibt es auch Bestrebungen das Bundesgebiet neu zu ordnen. Danach wird Thüringen in (fast) allen Versionen in neuen Bundesländern aufgehen (https://de.wikipedia.org/wiki/Neugliederung_des_Bundesgebietes), wie einige Vorschläge verschiedener zur Neuordnung der Bundesländer zeigen:

· Und auch wenn die Länderaufteilung beibehalten wird, gibt es doch immer wieder Versuche zu Abspaltungen von Gebieten,

      z. B.:

o   im Eichsfeld zu Niedersachsen,

o   im Altenburger Land zu Sachsen,

o   im Kreis Sonneberg zu Franken bzw. Bayern.

 

Den Rest werden wir sehen.

 



Hinweis: Da es sich hier um eine Darstellung der geschichtlichen Fakten handelt, sei keine Person oder Institution aufgrund ihres bekannten oder noch unbekannten Handelns moralisch oder rechtlich bewertet. Im Falle einer Aufdeckung neuer Fakten ensteht hieraus weiterhin kein Recht auf Berufung falscher Tatsachen oder Verherrlichung bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse. Dies sei als Erklärung hinzu gefügt, da es mittlerweile Mode ist zu historischen Personen oder Insitutionen Vergehen aufzudecken, die es anschließend rechtfertigen bestimmte Ideen, Werke, Konzepte oder gar die Geschichte selbst nicht anzuerkennen. Geschichte zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass sie passiert ist und nicht verändert werden kann, selbst wenn sich die Moral ändert. Daher werden hier alle Fakten neutral genannt, selbst wenn sie einigen nicht gefallen sollten. Alles andere wäre nämlich gerade jene Geschichtsvergessenheit, die ihre Verteidiger als Argument gegen die Darstellung der Geschichte anführen.