Thüringer Lebensklima
Kleines Land im mittleren Europa –
doch widerspenstig
gegen alle Stürme der Zeiten.
Zu unbedeutend scheinbar,
um Gefahr fürchten zu müssen;
zu stolz,
um dauerhaft vereinnahmt zu werden.
Abgegrenzt von Bergen und Wäldern,
dort ausgesetzt dem rauen Winter
erkämpfst du dir in erblühender Pracht
das Frühjahr an den Hängen
und erfrischst den Wanderer im Sommer
mit saftigem Grün all um ihn herum.
Die Nebel in den Spätherbsttagen
bereiten auf die ruhige Zeit vor
und besinnen auf die Vorratsplanung
und auf die gemeinsamen Stunden in langen Nächten.
Deine Burgen und Türme im Saaletal,
die Schlösser in den verträumten Städtchen
und die Festungen auf den Hügeln
zieren die schöne Wildnis wie mit Kronen
und sind doch nie mehr als Diener
deiner erhabenen Natur
und dem sturen Eigensinn jenes Landes.
Wer wagte es dich zu zähmen?
Und doch deswegen Heimat dich zu nennen!
Der Schoß des Alls für deine Menschen,
auch weit in der verführenden Fremde.
Schutzort und Trost bei Fehlschlägen,
stets im Willen einst zurückzukehren
und dann für immer zu bleiben –
im Wissen nichts Schöneres gefunden zu haben
als die Stätten der Kindheit.
Deine üppigen Auen,
deine kräuterreichen Hangwiesen,
deine glänzenden Kalkberge,
deine dichten Nadelwälder,
deine ebenen Laubhaine,
mit Wegen durch jede noch so dichte Not,
fern aller Bedrohung
wie ein Göttergarten im dunklen Wald der Welt,
bietest du dein liebliches Antlitz an.
Kein Beben aus der Tiefe,
kein Glut speiender Auswurf,
noch zornige Wellen von der unberechenbaren See
oder große Dürren
muss der Willige fürchten.
Auch stürzende Felsen gibt es kaum
und Unwetter ziehen weit vorbei.
Und ergießt sich doch einmal ein nasser Regen,
schaut man gerne den fallenden Tropfen zu,
horcht dem Prasseln auf den Blättern
und riecht die Frische des erquickenden Nasses.
Selbst die einbrechenden Nächte erfreuen
durch die versprengten Lichter der Heimstätten,
Ruhe vom erfüllten Tag verheißend.
Bewahrst du doch deine Lebensquellen
und schenkst Muße und Ideen
wen es danach dürstet,
inspirierst die höchsten Künste
und verstreust den Zauber der Ursprünglichkeit
in jedwede Richtung.
Wo gibt es solch ein Land noch mal?
Unerkannt von vielen Erdenteilen
doch stolz genug sich selbst nicht zu vergessen.
So wehrt sich diese Region
nicht gegen Veränderung,
aber behält doch seine wohlige Art darin zu leben.
So wie es die mitteldeutschen Geschwisterlande
in der Gemeinschaft vermögen
und sich einander mehr verstehen
als sie sich oft eingestehen.