Der Preis des Lebens:
Es geht nur darum die beste Zeit im Leben zu verbringen, ist es nicht so? Was könnte dafür besser geeignet sein als die große Liebe zu finden? Aber ist das vielleicht nur ein Wunschtraum und verrennt man sich nicht letztlich darin? Denn ich werde von meinen Trieben gesteuert und auch meine bewussten Wünsche richten sich nach äußeren Einflüssen und Wünschen anderer.
Also reihe ich mich ein und lebe diesen Lifestyle des Alles-Ausprobierens und -sehens mit. Habe ein Smartphone und einen Facebook-/Twitter-/Instagram-/TikTok-Account (oder was gerade so angesagt ist), gehe auf Partys, trinke Cocktails, reise durch die Welt und versuche mich in kontrollierten Extremsportarten, höre Rocksender, begeistere mich für geile Autos und stehe auf heiße Frauen (in meinem Fall als Straight-Male-Single = SMS).
Und so sitze ich hier in Wanaka, New Zealand am Strand des Lake Wanaka und versuche mich in das Gefühl einer jungen, freien, toleranten und für alles offenen Weltgemeinschaft einzugewöhnen. Keine Sorgen, mitten im Studium fern von politischen Problemen in einem jungen Land, geologisch jung wie kulturell. So jung, dass es sogar Amerika (USA) als kulturelles Vorbild hat und dies mit europäischen Vorteilen mixt. Vielleicht kommt das durch die vielen Deutschen hier, die Franzosen und Holländer.
Jeden Moment also bereit für alles. Auch für die große Liebe…? Wahrscheinlich nicht, gerade weil ich glaube dafür bereit zu sein. Und schon kommen mir wieder die Probleme in den Sinn. In Wahrheit stehe ich vor dem Abschluss des Studiums, müsste eigentlich statt hier zu sein meine Masterarbeit vorbereiten, Artikel lesen, Experimente planen, Treffen organisieren, Praktika absolvieren, Bewerbungen schreiben. Müsste eine Frau finden, mit Ende 20 langsam eine Familie gründen. Müsste Altersvorbereitungen treffen, nebenher arbeiten. Müsste mich um Freunde und die alternde Familie kümmern, müsste mich politisch und sozial engagieren und einen Ausgleich zwischen allem finden. Das sind die Ansprüche, die ich an mich gerichtet fühle. Ganz nebenbei muss ich aber auch noch mich selbst finden, meine Träume verwirklichen und … ach ja: leben.
All das hab‘ ich nebenbei versucht, mit mehr oder weniger guten Erfolgsaussichten bis jetzt – bis jetzt. Das ist das Problem: ich stecke mitten im Leben und habe keine Ahnung ob das alles so aufgeht und klappt. Doch was passiert eigentlich, falls es nicht klappt? In Wahrheit: nichts. Denn ich allein bin zu unbedeutend, und doch ist so viel Energie in mein Leben geflossen, auch gerade von anderen, habe ich so viele Erfahrungen gemacht, dass es doch eine Verschwendung wäre, das alles zu verlieren oder nicht sinnvoll weiter zu verwenden. Denn tatsächlich gehöre ich zu den Leuten, die unsere Gesellschaft voranbringen, erhalten und stabilisieren sollen. Nur macht mir das Wissen darüber Sogen. Die Befürchtung diese in mich investierte Energie nicht umsetzen zu können, meinen Marktwert zu verlieren, ängstigt mich. Und es hält mich davon ab zu tun, was ich wirklich möchte. Sei es Menschen zu helfen (als Sozialarbeiter oder Ärzte), kreativ zu sein (als Künstler), anderer Leute Ideen umzusetzen (als Ingenieur), neue Möglichkeiten und Erkenntnisse zu gewinnen (als Wissenschaftler) oder diese weiter zu geben (als Lehrer).
Einfach den Kurs weiter verfolgen. Ich entferne mich immer weiter von der bekannten Küste, vom sicheren Heimathafen und höre die Stimmen meiner Eltern und Familie undeutlicher. Vor mir liegt die unbekannte See, die Weite, die Freiheit und irgendwo ein Ziel. Wie ich navigiere und wo ich hin will entscheidet, wo ich ankomme und wann. Land gibt es genug, aber je nach Richtung liegt es unterschiedlich weit weg. Bis jetzt bin ich ganz gut gefahren und habe bewiesen, dass ich navigieren und mich durchsetzen, meine Träume erfüllen und auch weiter fahren kann. Wie ein Einheimischer also zu mir sagt:
“Rise and fall,
but stand tall.“
In meinem wackligen Englisch füge ich hinzu:
“Fall and rise
again,
that’s the finale price
and happens to fulfill your plan.“
Das Ziel und die Mittel um es zu erreichen sind hierbei also das Gleiche.